INGO PERTRAMER
Florian Scheuba
Lieber nicht in den Spiegel schauen
Der Kabarettist und Kolumnist Florian Scheuba schreibt für die Tageszeitung "Der Standard" seit Jahren auch über medienpolitische Fragen. Im #doublecheck-Interview mit Stefan Kappacher spricht er über seine Erwartungen an die Medienenquete der Regierung und darüber, warum sein Ensemble "Wir Staatskünstler" die Veranstaltung doch nicht eröffnen wird.
2. Juli 2018, 02:00
Es hätte ein gewagter Startschuss für jenen Event werden können, auf den sich die medienpolitische Debatte seit Monaten zuspitzt. Die "Staatskünstler" – das sind Florian Scheuba, Robert Palfrader und Thomas Maurer – hätten die zweitätige Medienenquete im Wiener Museumsquartier Anfang Juni eröffnen sollen und dort den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen "satirischen Spiegel vorhalten" wollen. Doch daraus wurde nichts. "Wir hätten uns wirklich gefreut", erzählt Scheuba, "aber ein paar Wochen später kam leider die Absage."
Die Sprecherin von Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) will das nicht so sehen: Man habe nur "über drei Ecken" bei den "Staatskünstlern" angefragt, ob sie das eventuell machen wollen. Dann habe man die Idee verworfen. Und da niemand eingeladen worden sein, könne auch niemand ausgeladen worden sein.
ORF/URSULA HUMMEL-BERGER
Florian Scheuba
Ausgeladen von der Medienenquete
Scheuba bleibt allerdings entschieden bei seiner Darstellung. Er vermutet hinter der Absage Unbehagen bei der FPÖ. Das Kabinett des Medienministers soll den Regierungspartner nicht vergraulen haben wollen. Vor allem jüngste Aussagen des neuen ORF-Stiftungsratsvorsitzenden und Ex-FPÖ-Vizekanzlers Norbert Steger hätten eine Steilvorlage für die "Staatskünstler" liefern können, mutmaßt Florian Scheuba. "Da dürfte möglicherweise bei den Verantwortlichen eine Irritation entstanden sein, so dass sie sich gedacht haben, wir müssen mit der FPÖ sehr vorsichtig umgehen", sagt Scheuba dazu.
Immerhin war die Kabarettisten-Gruppe auch schon Anlass für erboste Aussendungen der Freiheitlichen. "Staatskasperl" und "dümmlich provokantes Theater" hieß es vom FPÖ-Parlamentsklub etwa nach einem Sketch der Satiriker in einer Kirche, der religiöse Gefühle verletzt haben soll. Und nicht zuletzt ist wohl auch der Name des Ensembles "Wir Staatskünstler" auf eine langjährige freiheitliche Kulturkritik gemünzt - nennt die FPÖ kritische Künstlerinnen, die Förderungen beziehen, öfters doch eben genau "Staatskünstler".
"Öffentlich-Rechtliche als Korrektiv"
Scheubas Erwartungen an die Medienenquete sind dementsprechend durchwachsen. Der Kabarettist ist misstrauisch: "Ich glaube, das Interesse des Bundeskanzlers selber in Medienfragen ist nicht wahnsinnig groß, und wenn jetzt zum Beispiel ein Investor käme und sagt, ich kaufe euch einen der ORF Fernsehkanäle ab, vielleicht ORF eins, dann könnte ich mir vorstellen, dass der Bundeskanzler damit nicht so ein Problem hätte." Der Kanzler selbst hat sich zu der Frage nie geäußert, im Regierungsprogramm wird dem Verkauf von ORF-Programmen eine Absage erteilt.
Florian Scheuba im Interview mit Stefan Kappacher, Teil 1
Die FPÖ hätte überhaupt gar kein Problem, wenn da "alles verknappt, eingespart und gestrichen wird", so Scheuba. Er sei skeptisch, was die medienpolitische Zukunft betrifft, vor allem was die Enquete für den ORF bringen könnte. "Ich bin immer noch der altmodischen Meinung, dass ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk im Zeitalter von Fake News und gekauften Falschinformationen wichtig ist - als Korrektiv, als Maßstab, und das sollte uns etwas wert sein", sagt Scheuba und vergleicht den ORF mit dem Wiener Burgtheater, einer Institution, die wie viele Kultureinrichtungen auf öffentliche Förderungen angewiesen ist. "Man kann auch sagen: Ja klar, man könnte ohne das Burgtheater leben, muss man nicht haben. Wir bekennen uns aber dazu, dass es ein Teil der österreichischen Identität ist und deshalb leisten wir uns diesen Spaß. Und beim ORF ist es für mich ein ähnliches Phänomen."
Gegen Finanzierung aus dem Budget
Florian Scheuba hofft daher darauf, dass der Stellenwert des Öffentlich-Rechtlichen als Resultat der Enquete nicht schmäler wird, etwa durch eine Budgetfinanzierung anstelle der derzeitigen Gebührenfinanzierung. Der ORF soll nicht stärker ans Gängelband der Politik gebunden werden, sagt Scheuba. Diese Gefahr sei gegeben, "wenn er quasi staatsfinanziert ist und sich jedes Jahr aufs Neue gnadenhalber Geld holen muss von der jeweiligen Regierung".
Florian Scheuba im Interview, Teil 2
"Druck auf ORF größer geworden"
Zwar gab es schon unter jeder Regierung Versuche der Einflussnahme auf den ORF, aber die Rahmenbedingungen hätten sich geändert. "Es ist der Druck auf den ORF heute größer." Früher habe der ORF mehr Macht gehabt, dank größerer Reichweite und weniger Konkurrenten. Gleichzeitig ortet Scheuba durch die vielen medienpolitischen Interventionen auch ein gestiegenes Selbstbewusstsein im ORF, etwa als sich die Redaktionen erfolgreich gegen die Bestellung des ehemaligen SPÖ-Freundeskreisleiters im Stiftungsrat, Niko Pelinka, zum Büroleiter des Generaldirektors wehrten.
Teil 3 des Interviews mit Florian Scheuba
Interventionen öffentlich machen
Auf dieses Selbstverständnis als kritische Journalisten setzt Scheuba auch jetzt. "Diese Hoffnung hege ich weiterhin. Es wäre ja komisch, wenn das Selbstbewusstsein auf einmal weggeblasen wäre." Und: "Ich bin nach wie vor dafür, Interventionen öffentlich zu machen. Weil ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk kann auch öffentlich darüber reden, wer was von ihm will", sagt Scheuba.
Ein kräftiges Entgegentreten und mehr Mut würde sich Kabarettist Florian Scheuba auch von der Politik erwarten – und zwar dem Boulevard gegenüber. Dass SPÖ-Chef Christian Kern etwa seinen "Österreich"-Boykott wieder aufgegeben hat - "trotz ärgster Beschimpfungen" – sei ein Fehler, sagt Scheuba. "Erpressung funktioniert nur so lange, so lange man sich erpressen lässt."