ORF/THOMAS RAMSTORFER
ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz
Der General bläst zum Aufmarsch
Die Schweiz als Vorbild, Dänemark als abschreckendes Beispiel. Die Schweizer haben in einer Volksabstimmung im März mit großer Mehrheit für die Beibehaltung der "Billag"-Gebühr gestimmt, die SRG konnte mit Argumenten und einer leidenschaftlichen Kampagne für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk überzeugen. Danmarks Radio (DR) ist von der Politik überrumpelt worden. Der ORF wappnet sich jetzt.
2. Juli 2018, 02:00
In Dänemark hat die Regierung vor wenigen Wochen das Aus für die Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen DR verkündet. Es wird jetzt auf Budgetmittel umgestellt, und die werden gleich einmal um 20 Prozent gekürzt. Das sei so ein "Nacht- und Nebel-Kabinettsbeschluss" gewesen, sagt ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, der diese Ereignisse natürlich mit Interesse verfolgt hat. "So als würde man das Freihandelsabkommen CETA mit dem ORF abtauschen, so ähnlich war das in Dänemark."
"Müssen Referendum gewinnen können"
Für Wrabetz ist das, aber auch das aus SRG-Sicht noch einmal gut ausgegangene Referendum ein Warnschuss: "Man muss vorbereitet sein", sagt der ORF-Chef. In einer Informationsveranstaltung für die Mitarbeiter hat er eine klare Devise ausgegeben: "Wir müssen uns so aufstellen, dass wir in einem Jahr eine theoretische Volkabstimmung gewinnen können." In einem ersten Schritt spricht Wrabetz schon einmal von ORF-Beitrag statt von ORF-Gebühr.
ORF/JOSEPH SCHIMMER
ORF zieht vor Enquete alle Register
Knapp vor der Medienenquete kündigt der Generaldirektor ein Bündel an Maßnahmen an, die den ORF in Stellung bringen sollen. Oberste Priorität hat eine neue Online-Strategie, bei der aber auch die Politik mitspielen – nämlich die rechtlichen Grundlagen schaffen muss. "Wenn das Publikum wegen der neuen technischen Möglichkeiten viel mehr zu zeitversetztem Fernsehen oder Radio übergeht, dann müssen wir reagieren können", sagt Wrabetz. Der Medienkonsum ist immer öfter nicht linear. Das Publikum hört Radio und schaut fern, wann und wo es will. Die mobile Nutzung ist die Zukunft.
Online-Beschränkungen müssen weg
Ein Dorn im Auge ist dem ORF-Chef daher die 7-Tages-Beschränkung, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich momentan vorschreibt, seine Inhalte nach spätestens sieben Tagen vom Netz zu nehmen. "Das muss weg und auf zumindest einen Monat verlängert werden", sagt Wrabetz. Es sei auch absurd, dass der ORF aufwändig produzierte Inhalte – ob Radio oder Fernsehen - in den Archiven verschwinden lassen müsse. Die will Wrabetz kontrolliert öffnen, "kuratierte Archive" nennt er das: "Wir haben zum Beispiel aus Jahrzehnten tolle Kinderprogramme, die auch heute noch funktionieren."
ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz im Interview mit Stefan Kappacher
ORF-Player nach dem Muster der BBC
Teil der Strategie ist auch, dass der ORF Inhalte "online only" – also nicht gekoppelt an die Ausstrahlung im Fernsehen und im Radio wie bisher – und "online first" bringen darf. Das sind Wege, die die öffentlich-rechtliche BBC in Großbritannien schon beschreitet. Neben dem erweiterten Zugang zu Inhalten soll es auch neue Produkte geben. Die TV-Thek wird nach dem Muster der BBC zu einem ORF-Player umgebaut, der soll in einem Jahr laufen und die Online-Angebote des ORF bündeln. Derzeit hat die TVthek eine Wochenreichweite von acht Prozent, die Ziele für den ORF-Player sind hoch gesteckt: "Wir wollen, dass das in fünf Jahren 90 Prozent der Österreicher sind", sagt ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz.
Private Medien sollen andocken
Der ORF-Player soll auch Teil einer größeren Plattform sein, die mit den privaten Medien kooperiert. Wrabetz spricht von einem "gemeinsamen Tor zu österreichischen Medieninhalten", die anderen sollen vom Traffic des ORF profitieren – etwa durch Empfehlungen über Links auf Zeitungswebsites. "Wer auf orf.at einen Artikel liest, kann dann zum Beispiel vertiefend von der "Tiroler Tageszeitung" oder vom "Standard" Inhalte erhalten", so Wrabetz.
Kein Einkaufswagerl für Fellner
Schwieriger gestaltet sich aus der Sicht des ORF-Chefs die Kooperation mit den direkten elektronischen Mitbewerbern, also den Privatsendern. Der Vorstellung etwa von Wolfgang Fellner, er könnte sein Programm auf oe24.TV mit ORF-Produktionen füllen, erteilt Wrabetz eine klare Absage. Da gehe es ja nicht um Archivmaterial aus den 1970-er Jahren, Fellner würde am liebsten aktuelle ORF-Serien unmittelbar nach der Ausstrahlung im ORF für sich verwerten. "Ein Cherry-Picking – man geht virtuell mit dem Einkaufswagen durch unser Archiv – kann ich mir nicht vorstellen", sagt Wrabetz. Das wäre auch EU-rechtlich schwierig. Denkbar sei, den Privatsendern Videoclips aus dem Informationsbereich zur Verfügung zu stellen.
ORF eins wird neu definiert
Auch die Programmreform vor allem auf ORF eins soll den unter Beobachtung der Politik stehenden öffentlich-rechtlichen Rundfunk gegen Kritik stärken. An der neuen Infosendung um 21 Uhr wird bereits gearbeitet, federführend sind die neu bestellte Channel-Managerin Lisa Totzauer und ORF1-Chefredakteur Wolfgang Geier. Wrabetz betont: "Das ist keine Entertainment-Show, wo Nachrichten-Clips eingespielt werden, sondern das soll eine vollwertige Nachrichtensendung sein von hoher Qualität und mit neuen Zugängen." Die Sendung soll den Charakter von ORF eins verändern und neu definieren – etwas, dass dem ZIB-Magazin oder der ZIB24 trotz neuer Zugänge nicht gelungen sei, sagt Wrabetz. Wie es mit diesen Formaten weitergeht, ist offen. Der Start der Infoshow ist mit 2019 geplant.
Alexander Wrabetz im Interview über seine Pläne für ORFeins
30 Prozent Österreich zur Primetime
Vor der Infosendung sollen im Hauptabendprogramm öfter österreichische Inhalte über den Bildschirm laufen, kündigt der Generaldirektor an. "Wir sehen ja, da hat sich einiges verändert, wo wir früher mit amerikanischen Serien sehr stark gepunktet haben – das ist ja heute kaum noch der Fall." In der Primetime sei das Ziel 30 Prozent österreichische Inhalte, derzeit seien es unter 20 Prozent, sagt Wrabetz. Das soll bei der Gebühren-Legitimation helfen, aber: "Man wird nicht alle amerikanischen Serienplätze durch neue "Vorstadtweiber" oder "Schnell ermittelt" ersetzen können, das geht sich finanziell nicht aus."
Wrabetz und die Empfehlungen
Im #doublecheck-Interview verteidigt Wrabetz seine kürzlich getroffenen Personalentscheidungen. "Alle diese Personen, die jetzt bestellt wurden und auch werden, werden bei dem einen oder anderen mehr oder weniger Zustimmung finden, aber sie sind Profis aus dem ORF." Die Kritik, er habe auf Befindlichkeiten aus der Politik reagiert, möchte der ORF-Chef so nicht stehen lassen: "Ich habe mich mit keinem einzigen Politiker wegen dieser Funktionen getroffen, aber natürlich redet man in den Unternehmensorganen auch über das. Ich muss ja letztlich für die Umsetzung der Dinge auch eine Mehrheit im Stiftungsrat bekommen." Wörtlich spricht Wrabetz von Empfehlungen der Gremien, mit denen man als ORF-Generaldirektor immer wieder konfrontiert sei – auch diesmal sei es so gewesen.
Generaldirektor Wrabetz spricht über die jüngsten Personalentscheidungen
ORF2-Chefredakteur verteidigt
Besonders in der Kritik stand und steht Matthias Schrom, der neue Chefredakteur von ORF2. Schrom bekam bei der – nicht bindenden – Redakteursabstimmung über den Posten nicht die meisten Stimmen von seinen Kollegen. Ihm wird vorgehalten, dass er keinerlei Führungserfahrung habe - dafür hat er laut Wrabetz aber "die Sichtweise von einem Journalisten aus dem operativen Geschäft, wo man bestimmte Dinge weiterentwickeln könnte". Große Veränderungen sollen aber ohnehin nicht kommen: "Ich will ja keine Revolution bei ORF2. Alle Nachrichtenformate funktionieren dort hervorragend."
Garantie für ZIB2-Sendungsteam
Es gibt Befürchtungen rund um die ZIB2, die mit Wolfgang Wagner den Sendungschef verliert – Wagner wechselt auf eigenen Wunsch zum "Report". Diese Befürchtungen zerstreut Wrabetz im #doublecheck-Interview. Das Sendungsteam der ZIB2, das dem Format mit eigenen Zugängen in den Beiträgen den Stempel aufdrückt, das soll bleiben. Das habe sich bewährt und werde sicher nicht abgeschafft, das garantiere er, so der ORF-Chef.