EU-Sterne mit Knoten

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Journale

EU-Vorsitz: Was ist "Ihre Frage"?

Wir beantworten, was Sie schon immer über den österreichischen EU-Vorsitz wissen wollten!

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Regina Pöll

Ö1 Innenpolitikredakteurin seit 2013, zuletzt auch "ZiB2". Davor war die Politikwissenschaftlerin Printjournalistin, 2007-2009 EU-Korrespondentin der "Presse" in Brüssel.

Was bedeutet es, EU-Ratsvorsitzender zu sein? Muss Österreich jetzt das künftige EU-Budget "steuern" - und wie passt das mit den Sparplänen der Bundesregierung zusammen? Wie wird es im zweiten Halbjahr 2018 mit den "Brexit"-Vorbereitungen weitergehen? Wird beim Flüchtlingsthema unter österreichischem Vorsitz ein neuer Kurs eingeschlagen? Und welche Rolle genau nehmen während der Präsidentschaft der Bundeskanzler und die einzelnen MinisterInnen ein?

Sie haben Fragen zum österreichischen EU-Vorsitz 2018? Ö1 Redakteurin Regina Pöll liefert die Antworten - in den Ö1 Journalen, in oe1.ORF.at und im ORF-Teletext.

Wie steht es um die Pläne für eine EU-Grenzpolizei?

Die EU-Kommission hat zuletzt Vorschläge zur Grenzschutzagentur Frontex vorgelegt. Sie soll von 1.500 auf 10.000 Beamte bis 2020 aufgestockt werden und neue Kompetenzen in Richtung einer EU-Grenzpolizei bekommen, darunter die Registrierung von Flüchtlingen und Abschiebungen. Die österreichische Regierung unterstützt eine Aufwertung - auch als EU-Vorsitzender. Beim informellen Gipfel in Salzburg (20. 9.) wird sie Thema sein, über Details zum Frontex-Ausbau entscheiden aber die EU-Innenminister.

Gibt es Vorbereitungen für eine EU-Armee?

Konkrete Pläne fehlen auch weiterhin. Seit Ende 2017 besteht aber die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit, kurz PESCO. An dieser Militärkooperation sind inzwischen 25 EU-Länder beteiligt, auch Österreich macht bei vier der bisher 17 Projekte mit, u.a. bei der militärischen Katastrophenhilfe. Über weitere 36 Projekt-Ideen soll noch in diesem EU-Vorsitzsemester von den 25 betroffenen Verteidigungsministern entschieden werden.

Gibt es Widersprüche zwischen der Neutralität und dem Außengrenzschutz sowie der Militärkooperation PESCO?

Auf Regierungsseite heißt es, die Neutralität bleibe jedenfalls gewahrt. Bei Frontex geht es um Polizei-, nicht militärische Einsätze, d.h. es gebe keinen Widerspruch. Bei PESCO geht es um die Entwicklung militärischer Fähigkeiten. Ob dann bestimmte Systeme etc. eingesetzt werden, darüber entscheiden die Teilnehmerstaaten entsprechend ihrer Verfassung - in Österreich Regierung und Parlament unter Berücksichtigung der Neutralität.

Wird sich der österreichische Vorsitz für eine Abschaffung der Zeitumstellung umsetzen?

Der Vorsitz will zu diesem Thema aktiv werden, aber nur, sobald die angekündigte Richtlinien-Änderung zur Sommerzeit-Regelung von der EU-Kommission vorliegt. Dann, so heißt es, sei man bereit, rasch zu handeln. Über den Kommissionsvorschlag müssen der Rat – also die EU-Mitglieder (mit qualifizierter Mehrheit) – und das EU-Parlament entscheiden. Der Entwurf wird in Kürze erwartet und könnte Thema beim informellen Verkehrsministerrat Ende Oktober in Graz sein – und danach beim formellen Verkehrsministerrat Anfang Dezember.

Sind sich die EU-Länder einig, ob die Sommerzeit dauerhaft bleiben soll?

Bisher nicht. Österreich ist – aus nationaler Sicht – dafür, bei uns haben rund 2,9% der Bevölkerung an der Online-Umfrage („öffentliche Konsultation“) der EU-Kommission teilgenommen, 77% haben für die Abschaffung der Zeitumstellung gestimmt, EU-weit waren es 84% der 4,6 Mio. TeilnehmerInnen. Als EU-Vorsitzender ist die Regierung Makler unter allen Ländern. Auch Finnland, Estland, Litauen oder Lettland sind für eine Abschaffung, etwa Griechenland oder Zypern wollen bei der Zeitumstellung bleiben. Erwartet werden längere und kontroverse Debatten.

Wird sich der Vorsitz dafür einsetzen, dass das EU-Parlament selbst das Recht bekommt, Gesetzesentwürfe einzubringen?

Nein. In Bereichen, die seine eigene Funktion betrifft, hat das EU-Parlament Initiativrecht, darunter Sitzverteilung, Aufgaben der Abgeordneten, Wahlrecht. Darüber hinaus kann gemäß EU-Vertrag - sofern es in den Verträgen nicht anders festgelegt ist - ein Gesetzgebungsakt nur auf Vorschlag der Kommission erlassen werden. Das könnte also durch eine Änderung der Gründungsverträge verändert werden. Der Vorsitz plant das nicht, es gäbe derzeit auch keine Mehrheit unter den EU-Staaten für eine Vertragsänderung (dem ein komplexes Verfahren vorangehen würde).

Was will der österreichische Vorsitz gegen die Verschuldung in der EU tun?

Die Gesamtschulden der EU-Staaten sind gesunken: gemäß Frühjahrsprognose der EU-Kommission in der Eurozone auf 86,5% und in der EU insgesamt auf 81,2% des BIP 2018. Die Haushalte-Überwachung ist Aufgabe der Kommission, nicht einer Ratspräsidentschaft. Die österreichische Regierung pocht allgemein auf Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts – mit dem Ziel, die Verschuldung der EU-Staaten in Richtung von (höchstens) 60% Prozent des BIP zu bringen.

Wie steht es um die Schulden der EU als Institution?

Grundsätzlich darf sich die EU nicht verschulden. Mit Zustimmung ihrer Mitglieder kann sie aber Hilfsprogramme finanzieren – wie die Kredite, die Portugal und Irland im Rahmen des Europäischen Finanzstabilisierungs-Mechanismus EFSM bekommen haben. Die Regierung fordert mit Blick auf den nächsten EU-Finanzrahmen (2021-27) eine sparsamere und effizientere EU – z. B. Einsparungen bei der Kohäsionspolitik. Noch fehlt Konsens unter den EU-Ländern, Österreich muss als Ratsvorsitzender Kompromisse suchen helfen.

Wird sich der EU-Ratsvorsitz speziell für Kleinbauern einsetzen?

Im Rahmen der Verhandlungen über das mehrjährige EU-Budget (2021-27) wird es zumindest Thema sein, Beschlüsse werden nicht vor 2019 erwartet. Die Regierung zeigt sich (aus nationaler Sicht) aufgeschlossen gegenüber einer "wirksamen Obergrenze" bei den EU-Direktzahlungen zugunsten kleinerer Agrarbetriebe. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, die Direktzahlungen an Bauern ab 60.000 Euro zu kürzen. Die EU-Agrarreform wird Inhalt des informellen Agrarministertreffens in Schloss Hof Ende September sein – mit Österreich in der Rolle des Vermittlers.

Welchen Stellenwert haben CO2-Reduktion und Klimawandel im Vorsitzprogramm?

Klimaschutz ist kein Schwerpunktthema des Vorsitzes. Die Regierung verweist aber auf die Weltklimakonferenz im Dezember 2018 in Katowice (Polen), dort sollen konkrete Regelungen zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens vereinbart werden – mit Österreich als Verhandlungsführer der EU. Bis Jahresende wolle man außerdem auf anstehende Beschlüsse hinarbeiten (u. a. neue CO2-Grenzwerte für Autos und leichte Nutzfahrzeuge), Österreich „begrüßt“ außerdem, dass die EU-Kommission im November einen Entwurf für eine langfristige EU-Klimastrategie vorlegen wird.

Dublin ist Teil der geplanten Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Wie steht es um das Gesamtpaket?

Bei fünf der sieben Rechtsakte, die die EU-Kommission seit April 2016 vorgeschlagen hat, sind sich die EU-Länder inzwischen so gut wie einig, darunter die Verbesserung der Eurodac-Datenbank (für Fingerabdruck-Daten) oder eine gestärkte EU-Asylagentur. Neben der Dublin-Reform ist aber auch die geplante Asylverfahrens-Verordnung höchst strittig - hier geht es um eine Harmonisierung der Asyl-Anerkennungsraten. Evt. werden demnächst die fünf unstrittigen Punkte vorgezogen und als kleineres Paket beschlossen. Neben dem Rat muss auch das EU-Parlament den Vorschlägen zustimmen.

Wird die Dublin-III-Verordnung unter österreichischem EU-Vorsitz storniert und ersetzt?

Nein, der Vorsitz betont, dass die Dublin-Verordnung nicht storniert, aber reformiert werden soll. Derzeit ist jenes Land für Asylverfahren zuständig, in dem ein Migrant, eine Migrantin zum ersten Mal EU-Boden betreten hat. Länder an der Außengrenze fordern seit Jahren eine verpflichtende Verteilung von Migranten unter den EU-Ländern, anderen Mitgliedstaaten geht das zu weit. Beim EU-Gipfel am 18. Oktober in Brüssel will der Ratsvorsitz einen Fortschrittsbericht vorlegen – darüber, welcher Kompromiss unter den EU-Ländern gelingen könnte. Ob es bis Jahresende Beschlüsse zu Dublin gibt, ist ungewiss.

Oft bleiben Sessel im EU-Parlament leer - wird der österreichische Vorsitz Vorschläge für (mehr) Kontrollen machen?

Nein, die Regierung betont, dass das EU-Parlament ein eigenes Organ der EU ist, das sich selbstständig eine Geschäftsordnung gibt. Der EU-Vorsitz will auch politisch kein Signal in diese Richtung setzen. Derzeit bekommen Abgeordnete vom EU-Parlament für ihre parlamentarische Arbeit (im Plenum, in den Ausschüssen usw.) ein Tagegeld von 306 Euro - wenn sie eine Anwesenheitsliste unterschreiben. Abgeordneten, die bei Plenartagungen nicht mindestens an der Hälfte der namentlichen Abstimmungen teilgenommen haben, wird das Tagegeld um die Hälfte gekürzt.

Nach dem Brexit: Ist es möglich, dass Schottland, Nordirland und Gibraltar in der EU bleiben?

Nein, als Teile Großbritanniens scheiden auch sie aus. Vor dem Brexit wäre eine Unabhängigkeitserklärung schon zeitlich unrealistisch. Nach dem Brexit müsste Schottland ein weiteres Referendum mit Zustimmung Londons abhalten. Kommt es zu einer Abspaltung, könnte das übliche Beitrittsverfahren starten. Für Nordirland schlägt die EU-Seite de facto vor, dass es im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion bleibt – aber als Teil Großbritanniens. Aus Gibraltar gibt es aktuell keine Signale, dass es in der EU bleiben will. Vom österreichischen Vorsitz heißt es allgemein, die EU mache keine Angebote an Drittstaaten, Mitglied zu werden.

Wenn Katalonien eine eigene Republik wird, müsste sie dann neu um EU-Mitgliedschaft ansuchen?

Ja, denn die EU-Kommission vertritt seit 2004 die Position, wonach ein Gebiet, das sich abspaltet, vom Tag seiner Unabhängigkeit an ein Drittstaat wäre, EU-Verträge würden dort also nicht mehr gelten. Ein unabhängiges Katalonien könnte aber um EU-Mitgliedschaft ansuchen, die EU-Kommission würde dann das übliche, jahrelange Verfahren starten. Über eine Aufnahme müssen die EU-Staaten einstimmig entscheiden, etwa Spanien könnte daher noch ein Veto einlegen. Der österreichische EU-Vorsitz betont (so wie die EU-Kommission), dass die Frage einer Abspaltung Kataloniens eine innerstaatliche Angelegenheit Spaniens sei.

Bekommen die Regierungsmitglieder für die Vorsitztätigkeit ein höheres Gehalt?

Nein, denn die Aufgaben, die mit der EU-Mitgliedschaft verbunden sind, gehören zu den Pflichten des Kanzlers und der Minister und Ministerinnen, auch der Staatssekretäre, die sie unterstützen. Das ergibt sich aus der Verfassung und den EU-Verträgen. Die EU, genauer: das Generalsekretariat des Rates, erstattet aber die Reisekosten für die Teilnahme an bestimmten Sitzungen, etwa den Ratssitzungen und den Sitzungen der Ratsarbeitsgruppen. Dafür gibt es jährlich fixe Summen für jedes Mitgliedsland und für das Vorsitzland um 50 Prozent mehr.

Was passiert in Richtung Bankenunion?

Österreich bekennt sich als EU-Ratsvorsitzender zur Vollendung der Bankenunion, diese wolle man vorantreiben. Zwei Pfeiler gibt es bereits: eine zentrale Aufsicht von Großbanken in der Eurozone durch die EZB und einen einheitlichen Mechanismus für die Abwicklung maroder Banken. Jetzt geht es um eine EU-weite Einlagensicherung. Ein einheitlicher Schutz von Sparguthaben – bzw. seine Form – ist aber noch umstritten, er wird Thema beim informellen EU-Finanzministerrat am 7. und 8. September in Wien sein – noch ohne Beschlüsse, es soll dann erst um den Fahrplan für die beginnenden politischen Verhandlungen gehen.

Sind während des Vorsitzsemesters Schritte in Richtung Sozial- und Fiskalunion vorgesehen?

Keine wesentlichen: Die Sozialpolitik soll nach Meinung der meisten Länder, auch Österreichs, großteils Sache der Nationalstaaten bleiben. Der österreichische EU-Vorsitz verweist aber auf die Verhandlungen der EU-Staaten mit dem EU-Parlament u. a. über den Europäischen Sozialfonds Plus, mit dem Arbeitsmarkt- und Qualifizierungsprojekte von der EU ko-finanziert werden. Dieser solle im Zuge des nächsten EU-Finanzrahmens (2021-27) aufgestockt werden, sagt Sozialministerin Hartinger-Klein. Beschlüsse vor Jahresende sind nicht zu erwarten. Auch eine Fiskalunion für eine gemeinsame Fiskal- und Schuldenpolitik mit neuen gemeinsamen Institutionen zeichnet sich derzeit nicht ab.

Wieso gibt es Probleme mit dem EU-Haushalt – Großbritannien muss doch noch zahlen?

Nach einer „Schlussrechnung“ der EU müsste Großbritannien nach dem Austritt noch rund 39 Mrd. Pfund (43,60 Mrd. Euro) zahlen – fürs EU-Budget, für gemeinsame Fonds und Pensionslasten, damit würden die Briten früher eingegangene Verpflichtungen in der EU erfüllen. Brexit-Minister Dominic Raab will die 44 Mrd. Euro aber von einem Handelsabkommen mit der EU nach dem Brexit abhängig machen – ein solches ist noch völlig offen. Die britischen Zahlungen betreffen den aktuellen EU-Finanzrahmen (2014-20), nicht das nächste mehrjährige EU-Budget (2021-27).

Wie laufen die Vorbereitungen des nächsten EU-Finanzrahmens?

Unter neuen Vorzeichen: Mit Großbritannien verlässt Ende März 2019 ein Nettozahler die EU (2016: minus 6,3 Mrd. Euro laut EU-Kommission). Diese Zahlungen fallen ab 2021 weg. Gleichzeitig wollen die EU-Staaten Aufgaben wie den Außengrenzschutz verstärken. Die EU-Kommission schlägt deshalb einen größeren Finanzrahmen von 1,3 Billionen Euro für 2021-27 vor. Das wären 1,11% der Wirtschaftsleistung. Die österreichische Regierung will bei 1% bleiben, muss aber als EU-Vorsitzender unter den 27 verbleibenden EU-Ländern Kompromisse suchen. Andere Nettozahler, etwa Deutschland, können sich höhere Beiträge vorstellen.

Sind kroatische Arbeitskräfte inzwischen auf dem österreichischen Arbeitsmarkt zugelassen?

Großteils nicht. Österreich hat 5 Jahre nach dem kroatischen Beitritt als einziges EU-Land eine Verlängerung der Übergangsregelungen um zwei Jahre, bis 30. Juni 2020, bei der EU-Kommission beantragt. Damit bleibt der heimische Arbeitsmarkt für Kroatinnen und Kroaten noch gesperrt, die Regierung argumentiert mit drohender Arbeitslosigkeit. Es gibt aber Ausnahmen für Fachkräfte in 67 Mangel-Berufen, für Pflegerinnen und Pfleger und für Saisonarbeitskräfte im Tourismus und in der Landwirtschaft: Diese Arbeitskräfte aus Kroatien werden bereits vorrangig bewilligt.

Was plant der österreichische EU-Vorsitz zum Thema Afrika?

Eine EU-Afrika-Strategie zählt nicht zu den Schwerpunkten des Vorsitzes. Für Herbst ist aber ein informeller Afrika-Gipfel in Österreich geplant, der genaue Termin und Teilnehmerkreis sind noch offen. Themen könnten insbesondere die Aufstockung des EU-Treuhandfonds für Afrika (aktuell: 3,4 Mrd. Euro) sowie der Ausbau bestehender Wirtschafts- und Entwicklungsprogramme mit zahlreichen afrikanischen Ländern sein, die EU-Staaten wollen grundsätzlich mehr gegen die Fluchtursachen in den Herkunftsländern von Migranten tun.

Wie geht es mit den geplanten „Anlandeplattformen“ in Nordafrika weiter?

Kanzler Kurz hat betont, er wolle während der Ratspräsidentschaft Druck machen, damit diese Sammellager – die bei Experten umstritten sind – rasch umgesetzt werden. Der Vorsitz kann die Vorbereitungen aber namens der EU-Länder nur unterstützen. Ausarbeiten muss die Pläne die EU-Kommission. Ende der Vorwoche hat allerdings der libysche Premier Fayez al-Sarraj solche Zentren entschieden abgelehnt, hohe Zahlungen der EU würden das nicht ändern. Auch Marokko, Algerien, Tunesien und Ägypten lehnen „Anlandeplattformen“ bisher ab.

Warum lässt sich nicht Druck aufbauen für Rückübernahmeabkommen der EU?

Die EU hat bisher Abkommen mit 23 Ländern geschlossen, darunter die Türkei oder Pakistan. Die EU-Kommission verhandelt derzeit noch mit 7 Ländern, u. a. Marokko und Algerien. Daneben gibt es bilaterale Rückübernahmeabkommen, in Österreich sind aktuell laut Innenministerium 22 aufrecht, u. a. mit Nigeria oder dem Kosovo. Als mögliche „Druckmittel“, damit ein EU- oder bilaterales Abkommen zustandekommt, nennt man im Ministerium schlechtere bilaterale Beziehungen oder eine Verschärfung der Visapolitik, als Anreiz wirtschaftliche Unterstützung oder Visa z. B. für Studenten.

Was ist das „Zentralbudget“ der EU-Ratspräsidentschaft?

Das Kanzleramt hat insgesamt 43 Mio. Euro als „Zentralbudget“ für die EU-Ratspräsidentschaft vorgesehen – u.a. für die Miete am Haupt-Tagungsort, im Austria Center Vienna, für Catering, Tagungs-Materialien usw. Bei den insgesamt 13 informellen Räten in Österreich zahlt der Gastgeber, das kommt nicht aus dem EU-Budget. Die anderen EU-Länder bezahlen allerdings die Reisen ihrer Delegationen zu den informellen Räten selbst. Die Opposition rechnet schon jetzt mit wesentlich höheren Kosten für Österreich als 43 Mio. Euro, etwa wegen höherer Personalkosten - abgerechnet wird nach dem Vorsitzsemester.

Wer bezahlt für die Sicherheitseinsätze bei informellen Treffen?

Das ist Steuergeld aus Österreich. Für Einsätze der Polizei und des Heers bei informellen Treffen in Wien ist es Geld aus dem Innen- und dem Verteidigungsministerium. Bei informellen Treffen in anderen Bundesländern kommen auch Polizisten der Länder zum Einsatz, die dafür selbst zahlen müssen. Aus dem Zentralbudget des Bundes für den EU-Vorsitz werden teilweise auch private Sicherheitskräfte bezahlt – wenn das den Tagungsort Wien betrifft.

Was bedeutet "informelles" Treffen, können hier rechtsverbindliche Beschlüsse gefasst werden?

Nein, solche Treffen dienen ausschließlich dem informellen Austausch – hier gibt es anders als bei formellen Treffen keine offizielle Tagesordnungen, keine rechtlich bindenden Beschlüsse und keine Schlussfolgerungen. Minister – oder bei informellen EU-Gipfeln die Staats- und Regierungschefs – kommen zusammen, um Themen auch abseits der üblichen Brüsseler Agenda intensiv zu diskutieren. Sie können rechtlich bindende Beschlüsse bei späteren, formellen Treffen vorbereiten und eine gemeinsame politische Richtung der EU-Staaten definieren.

Wie geht es für Serbien, Mazedonien und Albanien bei den Beitrittsverhandlungen weiter?

Serbien gilt neben Montenegro aus Sicht der EU-Kommission, die mit den Ländern verhandelt, als Favorit. Offen ist noch ein sogenanntes Normalisierungsabkommen mit dem Kosovo, ein Abkommen ist Voraussetzung für eine Annäherung Serbiens an die EU. Auch Mazedonien und Albanien sind bereits Beitrittskandidaten, hier laufen die offiziellen Verhandlungen noch nicht, sie sollen im Juni 2019 beginnen. Österreich hätte sich den Start schon im 2. Halbjahr 2018 gewünscht. Die Annäherung des Westbalkans ist eines von drei Schwerpunktthemen des EU-Vorsitzes.

Können die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei unter österreichischem Vorsitz abgebrochen werden?

Die österreichische Regierung fordert das als Nationalstaat, u.a. wegen der Verletzung von Menschenrechten, aber nicht in der Rolle des EU-Vorsitzenden.
Seit 2005 laufen Gespräche über einen Vollbeitritt der Türkei. Die EU-Kommission wird aber vorerst keine Verhandlungskapitel mehr in Angriff nehmen, diese Linie haben die Außen- und Europaminister im Juni in Luxemburg vorgegeben. Für einen Abbruch der Verhandlungen brauchte es eine einstimmige Entscheidung der Staats- und Regierungschefs, ein solcher Konsens zeichnet sich nicht ab.

Thema Subsidiarität: In welchen Bereichen könnten Kompetenzen von der EU-Ebene zurückverlagert werden?

Der österreichische Ratsvorsitz nennt hier keine möglichen Themen, eine Kompetenzverlagerung – ob von der EU- auf die nationale Ebene oder umgekehrt – wird im 2. Halbjahr nicht angestrebt. Betont wird aber, dass der EU-Vorsitz allgemein auf die EU-Kommission einwirken will, damit es statt Verordnungen mehr Richtlinien gibt: Sie geben den Mitgliedstaaten Spielraum bei der Umsetzung.

Ist Österreich allein Ratsvorsitzender?

Ja, für sechs Monate ist es immer ein Vorsitzland. Dieses arbeitet aber in einer „Trio-Präsidentschaft“ mit zwei anderen EU-Staaten zusammen, Österreich befindet sich hier turnusmäßig in einem Trio mit den beiden Vorgänger-Vorsitzländern Estland und Bulgarien. Ziel ist, für Kontinuität in der Arbeit des Rates zu sorgen, die jeweilige „Trio-Präsidentschaft“ definiert ein 18-Monate-Arbeitsprogramm mit Schwerpunkten, darunter aktuell der EU-Außengrenzschutz und die Reform des EU-Asylsystems.

Was ist der Unterschied zwischen EU-Vorsitz und EU-Ratspräsident Tusk?

Seit 2009 gibt es das Amt des EU-Ratspräsidenten, seit 2014 ist es der Pole Donald Tusk. Der EU-Ratspräsident koordiniert und bereitet die EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs vor - das höchste Gremium der (noch) 28 Mitgliedstaaten. Das war früher auch Aufgabe des rotierenden EU-Vorsitzes, inzwischen ist dieser noch für die informellen EU-Gipfel (keine formellen Beschlüsse), v.a. aber für diverse Fachministerräte und die vorbereitenden Arbeitsgruppen zuständig – als Vermittler und Koordinator.

Wie wird das Thema Brexit vorangetrieben?

Verhandelt wird der Austritt Großbritanniens von der EU-Kommission - Chefverhandler ist Michel Barnier. Der EU-Vorsitz sorgt für eine gemeinsame Linie unter den verbleibenden 27 EU-Staaten. Viele Fragen sind noch offen, z. B. zum Zoll und zur Grenze Nordirland/Irland. Bis Herbst soll der Austrittsvertrag stehen, sonst wird es mit der Ratifizierung knapp und es droht ein Austritt am 29. 3. 2019 ohne Vertrag - mit schweren Einschnitten für Großbritannien.

Was passiert nach dem Brexit mit den Mandaten der britischen EU-Parlamentarier?

Die Briten verlieren 73 Sitze. 46 davon werden vorerst nicht nachbesetzt, sie könnten später teilweise durch neue EU-Mitgliedsländer besetzt werden. Und die 27 anderen britischen Mandate werden auf 14 verbleibende EU-Staaten verteilt, die derzeit unterrepräsentiert ist. Davon profitiert auch Österreich: Nach der nächsten EU-Wahl im Mai 2019 hat es wieder 19 EU-Abgeordnete, derzeit sind es 18. Insgesamt sinkt die Zahl der EU-Mandatare durch den Brexit von 751 auf 705.

Wird sich der EU-Vorsitz gegen den "Wanderzirkus" des EU-Parlaments einsetzen?

Nein, das ist nicht Teil der Agenda des Vorsitzes. Laut Kanzleramt bleibt es aber eine Vision der Bundesregierung, dass es nur einen Standort des EU-Parlaments gibt - derzeit reisen die EU-Abgeordneten und ihre Teams für 12 Plenartagungen im Jahr (Mo – Do) von Brüssel nach Straßburg, ohne diesen "Wanderzirkus" könnten mehr als 100 Mio. €/Jahr gespart werden. Um den Sitz in Straßburg aufzulassen, müsste aber der EU-Vertrag geändert werden - mit Einstimmigkeit, Frankreich ist bisher dagegen.

Kann der EU-Vorsitz eigene Interessen verfolgen oder muss er Mediator sein?

Beim EU-Vorsitz geht es nicht um nationale Interessen. Der Ratsvorsitzende ist "ehrlicher und neutraler Vermittler“ unter den EU-Staaten. In der Geschäftsordnung des Rates ist vorgesehen, dass er die Agenden der EU fortsetzt und für "Kontinuität" sorgt. Der Vorsitz bringt aber mehr öffentliche Aufmerksamkeit – und 13 informelle Räte nach Österreich, darunter der informelle EU-Gipfel am 20. September in Salzburg zum Thema Migration.

Wird auch Umwelt ein Thema des Vorsitzes sein?

Ja, wenn auch kein zentrales. Z. B. schlägt die EU-Kommission neue CO2-Grenzwerte für Autos und Vans vor, der CO2-Ausstoß soll bis 2025 um 15% sinken. Außerdem verhandelt wird eine neue Trinkwasser-Richtlinie mit einheitlichen, höheren Standards. Beim Trinkwasser ist Österreich eigentlich für nationale Lösungen, als EU-Vorsitzender müssen aber Kompromisse vorgeschlagen werden. Lösungen sind noch offen.