Blick auf Wien

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Hochqualitatives Bauen für alle

Architekturkonferenz zum Thema Baukultur

Eine dreitägige europäische Konferenz für Architekturpolitik findet seit gestern im Rahmen des österreichischen EU-Ratsvorsitzes an der TU Wien statt. Der Titel: "High Quality Building for Everyone - Baukultur and the Common Good in Europe". Seit der Davos-Deklaration im Jänner 2018, in der sich die EU-Kulturminister einem übergeordneten Konzept der Baukultur verschrieben, ist die Baukultur in aller Munde - und ein Begriff, der offensichtlich im Deutschen so prägnant ist, dass er nicht in andere Sprachen übersetzt wird.

Ö1 Morgenjournal | 14 09 2018

Sabine Oppolzer

Was ist Baukultur?

Baukultur ist ein großer Begriff, er umfasst eher das Rundherum der Architektur als die Architektur selbst: Infrastrukturmaßnahmen ebenso wie das kulturelle Erbe, die Stärkung der Stadt- und Ortskerne ebenso wie eine Reduzierung des Flächenverbrauchs oder die Nachhaltigkeit.

Nicht nur in Davos hat man sich im Jänner darauf geeinigt, dass die Baukultur auf europäischer Ebene stärker verankert werden soll. 2020 will auch Deutschland bei seinem Ratsvorsitz die Baukultur zum zentralen Thema machen. Bereits jetzt sind an der TU Wien Gäste aus 24 EU-Ländern dabei, die Baukultur zu diskutieren.

"Der Reichtum ist der leere Raum"

Das Architekturbüro Lacaton/Vassal etwa gehört zu den international wichtigsten Vertretern einer pragmatischen und zugleich sozialen Architektur, die sowohl die ökonomischen als auch die ökologischen Grundlagen des Bauens hinterfragt. Jean-Philippe Vassal hielt gestern einen Vortrag. Seine Devise "Der Reichtum ist der leere Raum". Und: "Es besteht kein Zusammenhang zwischen Luxus und Geld." Er sagt, in schwierigen Situationen müsse man einfach intelligenter agieren, um ans Ziel zu gelangen.

Wohnraum in Städten sei nicht so teuer, weil das Bauen so kostspielig sei, so Jean-Philippe Vassal. Nein: Wohnraum gelte vielen als ein Finanzprodukt, dessen Preis von der Immobilienbranche und nicht von den Baukosten bestimmt werde. Das Ziel von Architektur müsse es sein, ein Maximum an Raum mit einem Minimum an Material zu schaffen und das zu möglichst niedrigen Kosten.

Ein Einfamilienhaus um 55.000 Euro

"Latapie" - das erste Einfamilienhaus von Lacaton/Vassal hatte 185 Quadratmeter und kostete 1993 nur 55.000 Euro. Es besteht aus einem einfachen Holzkörper, über den sich eine gewächshausähnliche Hülle stülpt. Seit damals ist das Konzept des Gewächshauses eine der zentralen Strategien, sagt Jean-Philippe Vassal.

Damals hätten diese Bauten noch gegen die Normen verstoßen, inzwischen hätten sich die Normen an seine Bauweise angepasst. Am meisten könne man über einfaches Bauen in Afrika lernen, so der Architekt. Dort würden mit ganz wenig Materialaufwand unglaublich poetische Gebäude geschaffen.

Klima einbeziehen, statt bekämpfen

Ob man nun in Afrika oder Europa baut: Wichtig ist es, das Klima zu berücksichtigen und es nicht zu bekämpfen, wie das heute meist geschehe. Am Samstag endet die Vortragsreihe mit einem Gespräch über neue Strategien der Architekturpolitik auf einem europäischen Level.

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