APA/HERBERT PFARRHOFER
Roman von Philipp Weiss
Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen
Das wohl bemerkenswerteste und ambitionierteste Debüt dieser Saison kommt von dem Wiener Autor Philipp Weiss. "Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen" ist ein Roman von mehr als 1.000 Seiten in fünf Bänden, der - ebenfalls bemerkenswert - bei einem renommierten Verlag herauskommt und der noch vor Erscheinen ausgezeichnet wurde und zwar mit dem mit 15.000 Euro dotierten Literaturpreis der Jürgen-Ponto-Stiftung.
11. Oktober 2018, 02:00
Morgenjournal | 10 09 2018
Der Mensch im Anthropozän
Vom Paris des 19. Jahrhunderts bis in das Japan unserer Gegenwart - der Bogen in diesem Roman ist weit gespannt und er reicht auch über fünf aufwändig gestaltete Bände und 1.050 Seiten. Soviel gleich vorweg: Philipp Weiss hat viel gewagt und wir Leser und Leserinnen können viel gewinnen.
"Bücher sind für mich Dialogpartner oder Schreibanlässe"
Philipp Weiss
Es geht um nichts weniger als die Suche nach Erkenntnis, um das Verhältnis des Menschen zu Natur und Technik im Anthropozän - also jener Epoche der Erdgeschichte, in der der Mensch zur zentralen gestaltenden Kraft geworden ist, erklärt Philipp Weiss. "Vor rund 250, 300 Jahren ist etwas passiert, das alles auf den Kopf gestellt hat, was menschliche Gesellschaft und Zivilisation bis dahin bedeutet haben. Es hat sich im Norden Europas abgespielt, in Großbritannien - da wurden die fossilen Brennstoffe entdeckt."
Kulturjournal | 10 09 2018 | Interview
"Ich bin selbst ein Leser, der kaum ein Buch zu Ende liest; nur wenn ich muss", sagt Philipp Weiss im Gespräch mit Ö1.
Ausgangspunkt Fukushima
Am Beginn des Romanprojekts stand die Katastrophe von Fukushima. 2011 habe er intuitiv gewusst, er müsse nach Japan reisen, erzählt Philipp Weiß, "um zu sehen wie so eine hoch industrialisierte und technisierte Gesellschaft mit so einer technischen Katastrophe umgeht, die bis dato nicht für möglich gehalten wurde".
Wir erleben jetzt diese Katastrophe aus der Perspektive eines japanischen Buben, der mit einem Diktiergerät durch das verwüstete Gebiet streift - die Transkription seines Gedankenstroms, "Akios Aufzeichnungen" ist einer der fünf Bände. Insgesamt sind es fünf verschiedene Geschichten, die von fünf verschiedenen Ich-Erzählern transportiert werden - in ihren jeweils eigenen Sprechweisen und Rhythmen.
Ein komplexer Bauplan
Audio-Transkription, klassische Erzählung, Graphic Novel, Reiseaufzeichnungen, philosophische Notizhefte samt einer Geschichte des Universums - so unterschiedlich wie die Genres sind auch die fiktiven Autoren dieses komplexen Romans. Neben dem kleinen Akio sind das: eine junge Japanerin mit zwei Prothesen, ein unglücklich verliebter Künstler, eine zynische Klimaforscherin und eine junge Frau im Paris des Jahres 1870er Jahre, die später als Gletscherleiche wieder auftaucht.
"Für mich sind die Bände in gewisser Weise wie ineinander verschachtelte russische Puppen", sagt Philipp Weiss, herkömmliches Erzählen könne die heutige Welt nicht mehr adäquat abbilden. - Und herkömmliches Lesen ist auch nicht die einzig mögliche Art und Weise, sich auf dieses Opus Magnum einzulassen. Die fünf Bände sind nicht nummeriert und der Roman "macht das Angebot, quer, parallel oder auch selektiv zu lesen", empfiehlt der Autor. Also: Auf ins Abenteuer.
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Philipp Weiss, "Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen", Roman, Suhrkamp