KG PRODUCTIONS
Ehedrama
Bittere Konsequenzen "Nach dem Urteil"
Häusliche Gewalt ist ein drängendes, aber oft unterschätztes Problem in der heutigen Gesellschaft. Und vor allem ein Problem, das auch juristisch schwer zu fassen ist. Welche fatalen Folgen ein Fehlurteil in einem Sorgerechtsstreit haben kann, zeigt der französische Film "Jusqu'à la garde" ("Nach dem Urteil").
7. Oktober 2018, 02:00
Mittagsjournal | 06 09 2018
Arnold Schnötzinger
Kulturjournal | 06 09 2018 | interview mit Regisseur Xavier Legrand
Arnold Schnötzinger
Ein Vater, eine Mutter, eine 17-jährige Tochter und ein zwölfjähriger Sohn - eine Durchschnittsfamilie in Frankreich. Auch dass sich die Eltern scheiden lassen wollen, ist an sich nichts Außergewöhnliches, und dennoch ist dieser Fall besonders: Denn die Kinder wollen nichts mehr mit dem Vater zu tun haben, vor allem der zwölfjährige Julien zeigt offen seine Ablehnung.
KG PRODUCTIONS
Gesetz und Wirklichkeit
Doch eine Richterin entscheidet anders: Der Vater darf jedes zweite Wochenende mit seinem Sohn verbringen. Eine folgenschwere Entscheidung, die der Film "Nach dem Urteil" in seinen bitteren Konsequenzen ausbuchstabiert. Stalking ist nur der Anfangsverdacht, zunehmend klafft eine Lücke zwischen Gesetz und Wirklichkeit. Er wollte, so der französische Regisseur Xavier Legrand zeigen, "wie schwierig es für ein Gericht sei, in 20 Minuten Gespräch mit den Beteiligten eine komplexe familiäre Situation zu beurteilen".
Eifersucht und Einschüchterung
Wie ein Panzer schiebt Antoine, der Vater (Denis Mènochet), allein schon wegen seiner Leibesfülle diese Geschichte an, bringt seine Noch-Ehefrau (Leá Drucker) mit Eifersucht und Einschüchterung in Bedrängnis, benutzt Julien rücksichtslos als Druckmittel. Dass Antoine in seinem Auto stets ein Jagdgewehr mitführt macht die Sache nicht vertrauenswürdiger. Die Rollenverhältnisse geraten durcheinander, denn Antoine missbraucht seine Rolle als Vater, um auch die des Ehemannes weiter ausüben zu können.
Keine simplen Opfer-Täter-Muster
Langsam aber sicher spitzt sich die Situation zu, wird aus einem Ehe- und Familiendrama ein Psychothriller, in dem auch die vielen Schattierungen zwischenmenschlicher Manipulation ausgespielt werden. Doch Regisseur Xavier Legrand bewahrt selbst in jenen Momenten, in denen konventionelle Genreproduktionen den Spannungsbogen ausreizen würden, kühlen Kopf, er hält das Erzähltempo niedrig und forciert auch keine simplen Opfer-Täter-Perspektiven und Identifikationsmuster. So bekommt man im Kino auch keine Lust, Partei zu ergreifen oder Schuld zu verteilen. Ein Gefühl nachhaltiger Beklemmung steht hier weit über derartiger Bedürfnisbefriedigung.
Gestaltung
- Arnold Schnötzinger