STADTKINO FILMVERLEIH
Chilly Gonzales
"Shut Up and Play the Piano" im Kino
Der Kanadier Chilly Gonzales gehört zur heute selten werdenden Gattung der extravaganten Pop-Paradiesvögel. Scheinbar uneingeschränkt vom eigenen Genius überzeugt, mit dramatischen Gesten auf der Bühne und einer glamourösen Persona wie einst Elton John oder auch Lady Gaga. Der deutsche Filmemacher Philipp Jedicke hat nun eine Dokumentation über den schrillen Sänger gestaltet: "Shut Up and Play the Piano" startet heute in den österreichischen Kinos.
10. April 2019, 11:23
Mittagsjournal | 21 09 2018
Gut möglich, dass Chilly Gonzales die Klavier-Aufnahmeprüfung an einer Musikuni nicht schaffen würde. Zumindest meint das Cornelius Meister, der Chef des ORF Radio-Symphonieorchesters (RSO Wien), mit dem Gonzales vor einigen Jahren gemeinsam aufgetreten ist. Doch mangelnde Meisterschaft war noch nie eine Hürde für Chilly Gonzales. Denn im Gegenzug hat er Persönlichkeit und den Drang auf die Bühnen dieser Welt im Überfluss.
Der extrovertierte Entertainer 2011 mit dem RSO Wien bei einer FM4 Radio Session im ORF RadioKulturhaus.
Berufswusch: Genialischer Wirbelwind
"Gonzales oszilliert stets zwischen Größenwahn und totalen Selbstzweifeln", sagt Regisseur Jedicke. "Je besser ich ihn kennenlernte, desto deutlicher hat sich diese Dynamik gezeigt", erinnert er sich an seine fünfjährige Arbeit mit dem Kanadier. Jedicke war kein Fan der Musik von Gonzales, den Journalisten hat etwas anderes viel mehr interessiert. "Ich wollte ihn definitiv kritisch reflektieren und dabei auch vermitteln, wie ich ihn erlebe. Zuerst hatte ich eine viel zu große Distanz, weil ich eben kein Fan war - ich fand seinen Charakter spannend."
Chilly und die Talking Heads
Dem 46-jährigen Meister der Selbstinszenierung näher zu kommen war der Anspruch des Regie-Debütanten Jedicke. Chilly Gonzalez, das Alter-Ego des Kanadiers Jason Beck, erfüllt den Archetypen des verrückten Genies. Wirres Haar, verschwitzte Hochleistungsperformances und exaltiertes Gehabe. Doch was steckt dahinter? Diese Frage trieb Jedicke um.
Die nötige Nähe herzustellen entpuppte sich allerdings rasch als große Herausforderung. "Es gab am Anfang eine Grundbedingung - er will nicht privat gefilmt werden", erinnert sich Jedicke. "Auf meinen Einwand, dass ein Dokumentarfilm nur möglich ist, wenn ich auch nah an ihn herankomme, meinte er nur: Das ist dann eben die Herausforderung!"
Jedicke nimmt die Herausforderung an, bleibt dabei aber formal auf der konventionellen Seite. Neben Konzertaufnahmen sind es meist statische "Talking Heads", die er abfilmt. Die Sängerin und Weggefährtin Feist ist ebenso mit dabei, wie die kanadische Landsfrau Peaches oder Pulp-Sänger Jarvis Cocker.
Dr. Beck und Mr. Gonzales
"Shut Up and Play the Piano" erzählt von einem gereiften Exzentriker, der auf ein Leben abseits des Mainstreams zurückblickt. Der Tonfall des Films ist durchwegs gütig und nur selten kritisch. Das Doppelleben des Chilly Gonzales, hier der schüchterne Privatmann Jason Beck, dort der maximal extrovertierte Entertainer, Dr. Beck und Mr. Gonzales, wird nur angedeutet.
Der Film ist kurzweilig montiert und zoomt heran an die Oberfläche dieses überlegt inszenierten Gesamtkunstwerks. Dass die Abgründe dahinter wohl mindestens ebenso erhaben sind wie die so plakativ zur Schau gestellte große Genie-Geste kann man dabei leider meist nur erahnen.
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YouTube - FM4 Radio Session mit Chilly Gonzales, ganzes Konzert