RUTH BECKERMANN FILMPRODUKTION
Kino
"Waldheims Walzer" - Tanz um die Wahrheit
Als "herausragendes Porträt eines politischen Lügners" beschrieb die Jury der heurigen Berlinale den Film "Waldheims Walzer", der dort als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet worden ist. Die Wiener Filmemacherin Ruth Beckermann zeichnet darin die Waldheim-Affäre nach, als der ehemalige UNO-Generalsekretär Kurt Waldheim im Bundespräsidentenwahlkampf 1986 von seiner verleugneten NS-Vergangenheit eingeholt wurde.
2. November 2018, 02:00
Morgenjournal | 02 10 2018
Die Waldheim-Affäre markiere für sie einen zentralen Wendepunkt in der österreichischen Nachkriegsgeschichte, so Ruth Beckermann: "Das Lügengebäude der Opferthese ist in sich zusammengebrochen und damit ging überhaupt eine Befreiung einher. Die österreichische Zivilgesellschaft begann sich zu formieren und allgemein wurden Themen freier diskutiert, so als wäre eine Glasglocke gelüftet worden, die über diesem Land gehangen hat."
Kulturjournal | 02 10 2018 | Ruth Beckermann im Interview
RUTH BECKERMANN FILMPRODUKTION
"Ich war ein anständiger Soldat"
Chronologisch zeichnet Beckermann die Ereignisse zwischen März 1986 und dem zweiten Wahlgang der Bundespräsidentenwahl im Juni als Waldheims titelgebenden Tanz um die Wahrheit nach: Die Aufdeckung der SA-Vergangenheit Waldheims, Demonstrationen gegen ihn als Bundespräsidentschaftskandidat und die sich formierende Zivilgesellschaft. Die Recherchen des Jüdischen Weltkongresses, Debatten im US-Kongress und die Lücken in Waldheims Kriegsbiografie. Schließlich die internationale Berichterstattung, die auch die mediale Dynamik in Österreich verändert hat.
Geschichte als Spiegel der Gegenwart
Dokumentieren oder demonstrieren, sei für sie damals die Frage gewesen, so Beckermann im Film, die ihre damalige Position als Aktivistin von Anfang an unterstreicht und selbstgedrehtes Material mit Archivmaterial des ORF und von internationalen Medien mischt.
Waldheim leugnet, rechtfertigt sich, streitet ab. Und wenn es nichts mehr abzustreiten gibt, wird unter dem Motto "Jetzt erst recht" der Schulterschluss der Patrioten geübt. Von einer "einmaligen Verleumdungskampagne in der österreichischen Geschichte" spricht Waldheim und kritisiert konkret auch die "New York Times" für deren Berichterstattung. Als Zuschauer wird man assoziativ immer wieder in die Gegenwart zurückgeworfen: Populismus, alternative Fakten, Antisemitismus.
Überholt vom politischen Alltag
Dem Film geht es nicht um ein plakatives an den Pranger stellen Waldheims, vielmehr arbeitet Ruth Beckermann die politische, gesellschaftliche und mediale Dynamik der Affäre heraus. Bereits 2013 hat sie mit der Arbeit an diesem Film begonnen, dann aber den Spielfilm "Die Geträumten" eingeschoben. In der Zwischenzeit habe sie der politische Alltag überholt: "2013 gab es noch keinen Trump. Strache, Kurz und die AfD waren noch nicht da, wo sie jetzt sind. Also: schlecht für die Politik und für uns, aber gut für den Film."
Vor allem hätten sie dabei auch die Mechanismen populistischer Parteien interessiert, so Beckermann weiter - wie mit dem Schüren von Ängsten, mit Rassismus und Antisemitismus Wahlen gewonnen werden können: "Ohne die ÖVP im Hintergrund, vor allem auch Mock und Graf, und die Art und Weise wie die die Menschen aufgehetzt haben, hätte Waldheim die Wahl 1986 nicht so leicht gewonnen. Und diese Mechanismen sind ja nach wie vor dieselben."
Österreichischer Oscar-Kandidat
Seit September steht fest: "Waldheims Walzer" ist der österreichische Kandidat im Rennen für den Oscar für den besten fremdsprachigen Film 2019. Über die Nominierung zeigt sich Ruth Beckermann zugleich amüsiert und erfreut: "Ich finde das sehr witzig, aber auch sehr schön. Und ich denke, das ist in der heutigen politischen Situation auch eine gute, vielleicht sogar mutige Entscheidung dieser Jury, die ich nicht kenne."
Am 22. Jänner 2019 wird bekanntgegeben, welche Werke es auf die finale Liste der für den Auslands-Oscar nominierten Filme geschafft haben. Ab Freitag dieser Woche ist "Waldheims Walzer" in den heimischen Kinos zu sehen.