
GEORG SOULEK/BURGTHEATER
Übermalung des politischen Kampfes
Carl Sternheims "Der Kandidat" am Akademietheater
Die Theaterstücke von Carl Sternheim sind heute eher selten auf den Spielplänen zu finden. Der Bürgerschreck der späten wilhelminischen Zeit regt heute nicht mehr auf. Sein expressionistischer, satirischer Sprachstil ist ein wenig vergessen. Nichtsdestotrotz hat sich das Wiener Burgtheater nun seiner besonnen: Im Akademietheater hat heute sein Drama "Der Kandidat" in einer aufgefrischten Fassung Premiere.
1. Dezember 2018, 02:00
Morgenjournal | 31 10 2018
Spektakulär ist das Bühnenbild von Volker Hintermeier am Akademietheater: Eine Drehscheibe, die sich heben und senken kann; darüber ein riesiger Spiegel, der ebenso beweglich, das Innere der Scheibe, dann wieder den Zuschauerraum zeigt. Was zu interessanten Überblendungen führt und die politischen Akteure des Stücks und auch das Publikum, also quasi das Volk, durch Spiegelungen verbindet.
Kulturjournal | 31 10 2018
Regisseur Georg Schmiedleitner im Interview

GEORG SOULEK/BURGTHEATER
Denn es geht in Carl Sternheims 1914 erschienener Komödie um einen Banker und Millionär, der sich politisch aufstellen lässt, für welche Partei, das ist ihm eigentlich egal. Politische Kandidaten von heute schimmern immer wieder durch.
Bloeb und Teichtmeister
Rund um Gregor Bloeb turnt und verrenkt sich das Personal des Theaterstückes, das in Kostüme der Entstehungszeit gekleidet ist. Die Sprache in der Fassung von Florian Hirsch ist durchaus heutig, Internet, vegan Essen etc. inklusive. Zwei Musiker auf den beiden Seiten der Drehscheibe sorgen außerdem für Pepp.

Florian Teichtmeister und Gregor Bloéb
GEORG SOULEK/BURGTHEATER
Den Gegenspieler von Bloeb spielt Florian Teichtmeister, den man wie Bloeb vor allem aus dem Theater in der Josefstadt kennt. Und sie geben es sich an der Burg. Denn zum Kandidaten gibt es dann auch Gegenkandidaten.
40 Prozent Sternheim
Alle treiben ihr Spiel - Lobbyisten, Journalisten, die Familie des Millionärs. Mit Sternheims Text wird es immer schneller. Wieviel ist von Sternheims Texteigentlich eigentlich noch übrig? Regisseur Georg Schmiedleitner spricht von ungefähr vierzig Prozent. Aber es sei legitim, schon Sternheim habe ein Stück von Flaubert überschrieben. "Wir übermalen jetzt Sternheim und zeigen, wie wenig sich die politischen Mechanismen seit 100 Jahren geändert haben. In Form einer schnellen, überzogenen Farce."
Sternheim-Renaissance fraglich
"Der Kandidat" ist von den Stücken des Carl Sternheim ein eher unbekanntes. Früher wurden seine Dramen, wie etwa jene aus dem Zyklus "Aus dem bürgerlichen Heldenleben", zum Beispiel "Die Hose" oder "Der Snob" manchmal am Theater gespielt. Ob "Der Kandidat", in unsere heutige Zeit gehoben, die Dramaturgen der Theater wieder des Öfteren an den bissigen Autor denken lassen wird, mag die heutige Premiere am Akademietheater entscheiden.