Kreuz und Priester

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Lebenskunst

Missbrauchs-Prävention in Priesterausbildung

Seit Bekanntwerden zahlreicher Fälle sexualisierter Gewalt in der römisch-katholischen Kirche wird auch der Ruf nach grundlegenden Reformen in der Priesterausbildung lauter. Strengere Auswahlkriterien für Priesteramtskandidaten gehören ebenso zu den Forderungen wie die verstärkte Auseinandersetzung mit Zölibat und Sexualität. Im Wiener Priesterseminar betont man, dass Missbrauchs-Prävention heute großgeschrieben werde.

Priesterseminar

ORF/ANDREAS MITTENDORFER

Das Wiener Priesterseminar befindet sich in der Strudlhofgasse im neunten Bezirk. Aktuell sind es 55 Männer, die hier ihre Ausbildung zum katholischen Priester absolvieren.

Der Leiter des Seminars, Regens Richard, Tatzreiter erklärt, dass Missbrauchs-Prävention heute Bestandteil der gesamten Priesterausbildung sei. Bereits bei der Aufnahme von Interessenten ins Seminar würden die Kandidaten ganz genau unter die Lupe genommen. Es gebe mehrere Aufnahmegespräche, einen psychologischen Test und auch bei der Polizei werde in der Sexualstraftäter-Datei nachgeschaut, so Tatzreiter.

Diese Filter seien in den letzten Jahren sehr verstärkt worden: „Gerade in Österreich kann ich bezeugen, dass in allen Seminaren – soweit ich mit den Kollegen darüber im Gespräch bin - alles getan wird, um schon von Vornherein die Aufnahme von Menschen in die Priesterausbildung zu verhindern, die potentiell missbräuchlich unterwegs sein könnten.“

Auch während der Ausbildung komme es vor, dass man sich bei Auffälligkeiten, wieder von Priesteramtskandidaten trenne, so Regens Tatzreiter.

Nähe und Distanz

Martina Greiner-Lebenbauer von der Präventionsstelle gegen Gewalt und Missbrauch in der Erzdiözese Wien hält bei den angehenden Priestern Kurseinheiten zum Thema. Zentral dabei seien etwa Fragen zu Nähe und Distanz und die Vermittlung wie Täter ticken: "Da können sie (die angehenden Priester, Anmk.) selber reflektieren, ob sie gute, stabile Freundschaften haben, wo sie ihre innersten Bedürfnisse abdecken können."

Es seien dies Bedürfnisse nach gesehen werden, nach Anerkennung oder nach Geborgenheit, so Greiner-Lebenbauer. Damit würden die Priesteramtskandidaten auch mit der Frage konfrontiert, ob sie diese Bedürfnisse vielleicht verdrängen: "Und die brechen dann einige Jahre nach der Priesterweihe hervor und fokussieren zum Beispiel auf Kinder."

"Kein hundertprozentiges Präventionskonzept"

Zugleich würden angehende Priester lernen, bei Missbrauchs-Verdachtsfällen zu intervieren, so Greiner-Lebenbauer. Der Tenor im Priesterseminar lautet, es werde alles Mögliche getan, um künftig Missbrauchsfälle durch Priester zu verhindern, ein 100 prozentiges Präventions-Konzept gebe es allerdings nicht.

Im Priesterseminar in Wien wird neben den angehenden Priestern aus der Erzdiözese Wien auch der Priesternachwuchs aus den Diözesen St. Pölten und Eisenstadt ausgebildet. Im Seminar wohnen die künftigen Priester, es gibt hier auch verschiedene Ausbildungsmodule, das Theologie-Studium erfolgt in der Regel an der Universität Wien.

Betroffenheit über Missbrauchsskandale

Einer der angehenden Priester, die im Wiener Priester Seminar ihre Ausbildung zum katholischen Priester absolvieren ist der gebürtige Oberösterreicher Richard Hansl. Im Mai 2018 ist er bereits zum Diakon geweiht worden, nächstes Jahr soll die Priesterweihe folgen. Über den Priesterberuf meint er: "Das Schöne ist sicher, den Glauben weiterzugeben und die Freude am Glauben zu vermitteln – die Leute von der Wiege bis zur Bahre zu begleiten."

Über die Vielzahl in jüngster Zeit bekanntgewordenen und oft Jahre zurückliegenden Fälle sexueller Gewalt zeigt sich der angehende Priester betroffen: "Ich bin jedes Mal zutiefst erschüttert, wenn ich so etwas höre und tue mir auch schwer es persönlich zu verstehen, weil ich aus einer wirklich kitschig heilen Familie komme, wo wir Kinder mit Liebe überschüttet wurden." Dass das auch noch in der Kirche passiere, wo es eigentlich ganz andere moralische Standards für das Personal gebe, sei eine Katastrophe und erschütternd.

Ehelosigkeit von Priestern sorgt wieder für Debatten

Im Zusammenhang mit den Missbrauchsskandalen in der römisch-katholischen Kirche ist auch der Zölibat, die Ehelosigkeit von Priestern, wieder zum Thema geworden. Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx forderte eine Debatte darüber. Er sieht den Zölibat zwar nicht eindeutig als Grund dafür, dass Priester Kinder und Jugendliche missbrauchten, meint aber: Kombiniert mit einer unreifen Persönlichkeit und einer unklaren sexuellen Identität erhöhe der Zölibat das Risiko dafür - eine Sichtweise, die der Regens des Wiener Priesterseminars teilt.

Ausbildung mit früher "nicht miteinander zu vergleichen"

Zugleich hält Richard Tatzreiter grundsätzlich am Zölibat fest. Für den Regens kommt es auf die Behandlung des Themas Sexualität und zölibatäre Lebensform in der Priesterausbildung an und meint: "Wenn ich an meine eigene Ausbildungszeit zwischen 1988 und 1995 zurückdenke und sehe, was jetzt hier zu diesen Themen in der Ausbildung inhaltlich geboten wird, auch an persönlicher Auseinandersetzung und Persönlichkeitsbildung, dann ist das gar nicht miteinander zu vergleichen." Hier habe man Gott sei Dank dazugelernt und auch dazugewonnen.

Der Schlüssel zu einem gelingenden zölibatären Leben liegt für Regens Tatzreiter in guten Freundschaften. Und, für seine Seminaristen legt er besonders Wert darauf, dass sie bei den Themen Sexualität und Zölibat durch Gespräche gut begleitet werden, in einem Klima der Offenheit, wie er betont - auch Psychotherapeuten seien dabei eingebunden.

Gestaltung: Andreas Mittendorfer

Service

Erzbischöfliches Priesterseminar Wien
Stabsstelle für Missbrauchs- und Gewaltprävention der Erzdiözese Wien
Rahmenordnung der Bischofskonferenz gegen Missbrauch und Gewalt