Bryan Ferry

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Pop

Bryan Ferry & His Orchestra: "Bitter-Sweet"

Er ist ohne Zweifel einer der größten und stilprägenden Dandies des Pop: der britische Sänger Bryan Ferry, der in den 1970er und 1980er Jahren mit seiner Band Roxy Music Glamour in die Hitparaden brachte. Auch solo war und ist Ferry höchst erfolgreich unterwegs. Heute erscheint das zweite Album, das der 73-Jährige als "Bryan Ferry Orchestra" herausbringt.

Gemeinsam mit britischen Jazzmusikern hat Ferry eine Zeitreise ins Berlin der 1920er Jahre unternommen. "Bitter-Sweet" heißt die neue Platte, auf der Ferry 13 Stücke seiner musikalischen Vergangenheit neu und im Stil der 1920er Jahre interpretiert. Ferrys Werkschau mag nostalgisch anmuten, die neuen Arrangements entpuppen sich aber als schwungvoll und frisch.

Morgenjournal | 30 11 2018

David Baldinger

Auf "Bitter-Sweet" klopft Bryan Ferry an die Pforten der verrauchten Berliner Clubs der 20er Jahre, um sich voller Verve ins schummrige Getümmel zu stürzen. Kurt Weill lässt grüßen und der mittlerweile 73-jährige Ferry singt im titelgebenden Song auf Deutsch "Nein, das ist nicht das Ende der Welt". Im Gegenteil, Ferry erkundet auf "Bitter-Sweet" neue musikalische Gefilde. "Wir haben manche meiner früheren Lieder so aufgenommen, als ob wir im Berlin der Goldenen 20er wären. Ich habe das Glück, wirklich großartige Jazz-Musiker zu kennen und so machten die Aufnahmen richtig viel Spaß", erklärt der Sänger.

Cover von Bryan Ferry

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Patina und Tiefgang

Saxofone und Streicher verleihen "Bitter-Sweet" die passende akustische Patina. Zusätzliche Textur und Tiefe kommt vom Maestro selbst; der klingt auf seinem 16. Solo-Album samtig aber auch reifer und fragiler als zuvor - eine Mischung, die viele der hier präsentierten Werke noch unmittelbarer und eindringlicher macht. Während "The Jazz Age", das Vorgänger-Werk des Bryan Ferry Orchestras gänzlich auf jeden Gesang verzichtete, gibt es auf "Bitter-Sweet" neben fünf Instrumentals auch acht Songs mit Gesang.

Vielen der Songs tut der Kostümwechsel tatsächlich überraschend gut. So arrangiert kann sich der melancholische Zauber von Roxy-Music-Klassikern wie "While My Heart is Still Beating" oder "Bitter Sweet" nämlich mindestens ebenso eindrucksvoll entfalten wie im Original.

Blues ist einfach gestrickte Leidenschaft

Inspiriert wurde "Bitter-Sweet" von "Babylon Berlin", der Netflix-Serie über das turbulente Berliner Treiben der Goldenen 20er Jahre. Für Ferry bringt das Album auch ein erneutes Wiedersehen mit seinen musikalischen Jugendlieben Jazz und Blues. An letzterem schätzt Ferry nach wie vor dessen Einfachheit. "Die Blues-Formel ist sehr einfach gestrickt. Da geht es um nur wenige Akkorde, dafür erlaubt diese Musik, dass die Leidenschaft und die Persönlichkeit des Interpreten mehr zur Geltung kommen."

Dandies forever!

Auch sein Modebewusstsein kommt aus dem Blues. Der Sänger aus dem wenig glamourösen nordenglischen County Durham jobbte schon als 16-Jähriger bei einem Schneider und inhalierte dort die Magie der feinen Seide, die den tristen Alltag in unwiderstehliche Eleganz zu hüllen vermochte. Abgeschaut habe er sich das auch beim Blues-Veteranen Leadbelly, der in Maßanzug und Fliege auftrat und den jungen Ferry nachhaltig beeindruckte. "Das war ein echter Dandy, so wie Miles Davis oder Duke Ellington auch. Sie nahmen sich selbst und ihren Job ernst. Leadbelly inspirierte mich sehr früh."

Gewohnt geschmeidig schlendert Bryan Ferry durch diese 13 Neudeutungen. Was in weniger begabten Händen zum Kostüm-Klamauk verkommen könnte, wird hier zum aufregenden musikalischen Rollenspiel, stilsicher inszeniert von einem, dessen Gespür für Eleganz zeitlos scheint. Ein lohnendes Vergnügen, nicht nur für eingefleischte Ferry-Enthusiasten.

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