Henry Fonda und Charles Bronson

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Filmkolumne

Wie der Italo-Western dem Tod ein Lied spielte

Eigentlich wollte der italienische Regisseur Sergio Leone 1968 keinen Western mehr drehen. Doch er ließ sich überreden und entwickelte gemeinsam mit dem kürzlich verstorbenen Bernardo Bertolucci und Dario Argento das Drehbuch zu "Spiel mir das Lied vom Tod".

Henry Fonda

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Henry Fonda

Mit seiner Trilogie "Für eine Handvoll Dollar", "Für ein paar Dollar mehr" und "Zwei glorreiche Halunken" hatte Sergio Leone das Western-Genre mit dem sogenannten Spaghetti-Western bereits ordentlich aufgemischt. Doch bevor die amerikanischen Geldgeber bereit waren, Leons Herzensprojekt, das erst viel später verwirklichte Mafia-Epos "Es war einmal in Amerika" zu finanzieren, verlangten sie noch einen Western. Und Leone ließ sich überreden: gemeinsam mit Bernardo Bertolucci und Dario Argento entwickelte er das Drehbuch zu "Spiel mir das Lied vom Tod".

Mit fast 15 Millionen Kinobesucher in Frankreich und mehr als 13 in Deutschland wurde der zweidreiviertel Stunden lange Film in Europa zu einem großen Erfolg, in den USA hingegen spielte er einst nur knapp mehr als zwei Millionen Dollar ein. Premiere war am 21. Dezember 1968 in Rom, also vor 50 Jahren.

Kulturjorunal | 21 12 2018

Arnold Schnötzinger

Duell der Worte

Dem Duell der Pistolen geht ein Duell der Worte voraus: "Scheint, wir haben da ein Pferd zu wenig?" Doch der Namenlose, ersatzweise Mundharmonika genannt, ist ja - bevor er zum Colt greift - auch nicht auf den Mund gefallen: "Nein, ihr habt zwei zu viel!" Schon mit der legendären Anfangsszene, der Ankunft von Charles Bronson auf einem Bahnhof hat Sergio Leone dem Western-Genre 1969 ein Brandzeichen der Sonderklasse aufgedrückt. Kurze prägnante Ein- und Zweizeiler hallten wie Pistolenschüsse durch goldgelben Staub, den zwielichtige Gestalten in wallenden Mänteln durchstreiften, Staubmäntel, die manchmal auch schon bessere Zeiten gesehen hatten: "Da waren drei Männer in Staubmänteln ... Und? ... In diesen drei Männern waren drei Kugeln."

Claudia Cardinale als Jill McBain

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Claudia Cardinale als Jill McBain

Materielle Gier

Stilistisch hatte Sergio Leone dem Western mit seiner Dollar-Trilogie schon zuvor Mitte der 1960er Jahre eine Rosskur verpasst, also mit dem Italo-Western ein Genre, das in seiner US-amerikanischen Prägung abgekämpft in den Seilen lag, wiederbelebt. Doch auch thematisch zog Leone andere Seiten auf. Die materielle Gier als Konfliktfeld - auch dem traditionellen Western nicht fremd - wurde mit dem Turbo dreister Gewalt beschleunigt, klassische Rollenmuster von Gut und Böse wurden in unterschiedlichsten Kapitalinteressen aufgelöst.

Skrupellose Gegner

Hatte Leone mit Clint Eastwood als "Il Monco" und Colonel Mortimer (Lee van Cleef) den Kopfgeldjäger, der zuvor nur sporadisch im Western aufgetreten war, salonfähig gemacht (oder besser: Saloon-fähig) so ebnete "Spiel mir das Lied vom Tod" dem Kapital umfassend den Weg. Selbst der harmlose Farmer McBain, dessen Familie ausgelöscht wird, wollte mit dem Kauf eines nur scheinbar wertlosen Grundstücks vor allem ein gutes Geschäft machen. Freilich hatte er mit der Skrupellosigkeit seiner Gegner nicht gerechnet, auch wenn der Auftraggeber, der Eisenbahnunternehmer Mr. Morton die rohe Gewalt vordergründig nicht goutierte.

Einzigartiger Soundtrack

Die Einmaligkeit seines Films hatte Leone nicht zuletzt dem Soundtrack seines einstigen Klassenkameraden Ennio Morricone zu verdanken, ein Soundtrack, der zum musikalischen Allgemeingut wurde. Der Tod hatte ab diesem Zeitpunkt seine eigene, unverwechselbare Melodie, wann und wo auch immer er audiovisuell in Erscheinung trat, oft in dokumentarischen Fernsehformaten.

Eine Frau im Zentrum

Leone betonte gerne den politischen Subtext seines Films gerade in den Umbruchszeiten der 60er Jahre mit ihren Emanzipationsbewegungen. Mit Claudia Cardinale als Jill McBain rückte etwa - unüblich für das Genre - eine Frau ins Zentrum der Geschichte, eine Frau, bereit, Männern die Stirn zu bieten. Alles drehte sich in "Once upon in the west", wie der Film im englischen Original hieß, um die Protagonistin Jill, so Sergio Leone, "während im US-Western Frauen oft nur als Objekte benutzt wurden".

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First look. #OnceUponATimeInHollywood

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Leone als Vorbild

Leones Inszenierung, diese Mischung aus Theatralik und Härte wurde für manchen Regisseur wegweisend. Robert Rodriguez verneigte sich etwa 2003 mit seinem Western "Once upon a time in Mexiko" vor Leone, "Breaking Bad"-Erfinder Vince Gilligan ließ sich genauso inspirieren wie Martin Scorsese und der bekennende Leone-Fan Quentin Tarantino, der vor allem Leones Detailgenauigkeit in Kostümen und Ausstattung schätzt. Kein Wunder also, dass Tarantino auch mit seinem nächsten Film seinem Vorbild huldigt. "Once upon a time in Hollywood", so der darauf hinweisende Filmtitel soll im Sommer 2019 in die Kinos kommen.

Gestaltung

  • Arnold Schnötzinger