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Die wohl berühmteste Ohrfeige der Welt
Die "Nazijägerin" Beate Klarsfeld
Beate Auguste Künzel kam am 13. Februar 1939 in Berlin zur Welt. Der Vater, Kurt Künzel, war im Zweiten Weltkrieg als Wehrmachtssoldat an der Ostfront eingesetzt und kam später in britische Kriegsgefangenschaft. Als Berlin bombardiert wurde, flohen Beate und ihre Mutter Helene zu Verwandten nach Sandau im damaligen Polen. Nachdem die Familie dort von polnischen Behörden enteignet wurde, kehrten die Künzels nach Berlin zurück. Beate begann, die politischen Entscheidungen und Einstellungen ihrer Eltern, die für Hitler gestimmt hatten, zu hinterfragen und zu kritisieren.
28. Februar 2019, 15:00
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Im Gespräch | 7 02 19
AP/JEAN JACQUES LEVY
1967 in Paris
1960 zog sie als Au-pair nach Paris. Denn auch die deutsch-französische Aussöhnung war ihr ein Anliegen. Dort lernte sie den jüdischen Rechtsanwalt und Historiker Serge Klarsfeld kennen. 1963 heirateten die beiden. Serge Klarsfelds Vater kam in Auschwitz ums Leben. Während man in Deutschland nicht über den Holocaust sprach, holte Beate versäumtes Wissen in Frankreich nach. Um finanziell unabhängig zu sein, nahm sie eine Anstellung als Sekretärin beim Deutsch-Französischen Jugendwerk an.
Die wohl berühmteste Ohrfeige der Welt
Als 1966 mit dem CDU-Politiker Kurt Georg Kiesinger ein ehemaliges NSDAP-Mitglied zum Bundeskanzler von Deutschland gewählt wurde, meldete sich Beate Klarsfeld in der unter anderem von Albert Camus und JeanPaul Sartre gegründeten Zeitung Combat erstmals gegen Kiesinger zu Wort. Daraufhin wurde sie vom Jugendwerk aus politischen Motiven entlassen. Von nun an stellte sie ihr Leben in den Dienst des Kampfes gegen den Faschismus.
Kiesinger war in der Nazi-Ära stellvertretender Leiter der "Rundfunkpolitischen Abteilung" gewesen. Gemeinsam mit dem Reichspropagandaministerium unter Joseph Goebbels hatte Kiesinger versucht, den ausländischen Rundfunk für Krieg und Antisemitismus zu begeistern.
2. April 1968: Beate Klarsfeld wird mit Gewalt aus dem Bundestag entfernt.
Am 2. April 1968 reiste Beate Klarsfeld nach Bonn, um von der Besuchertribüne des Bundestags aus ihre Meinung kundzutun. "Nazi, abtreten!", rief sie dem amtierenden Bundeskanzler Kiesinger zu, bevor sie abgeführt wurde. Am 7. November gelang es Klarsfeld am CDU-Parteitag, die Bühne zu erklimmen und Kiesinger die von ihr lang geplante Ohrfeige zu verpassen. Für die Aktion bekommt sie vom Gericht eine - wegen ihrer französischen Staatsbürgerschaft milde - viermonatige Haftstrafe auf Bewährung und vom Schriftsteller Heinrich Böll rote Rosen zugesandt.
Zwischen Gerechtigkeit und Gewalt
Die "Nazijägerin", so wird sie in den über sie gedrehten Dokumentationen und Spielfilmen genannt, war gemeinsam mit ihrem Mann Serge bestrebt, durch meist selbstaufopfernde Aktionen weitere NS-Kriegsverbrecher, wie den SS-Obersturmbannführer Kurt Lischka, den KZ-Mediziner Josef Mengele oder den Gestapo-Führer Klaus Barbie, vor Gericht zu bringen. So störte das Ehepaar auch Wahlkampfveranstaltungen des österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim.
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Mit Büchern wie "Die Kinder von Izieu" oder "Endstation Auschwitz" schufen Beate und Serge Klarsfeld Tausenden deportierten Kindern eine literarische Gedenkstätte. Für ihren Mut zur Gerechtigkeit wurde die Mutter zweier Kinder vielfach geehrt. So wurde sie 2015 UNESCO-Sonderbotschafterin für Bildung über den Holocaust und zuletzt 2016 mit der Verleihung der israelischen Staatsbürgerschaft gewürdigt.
Im Jahr 2012 kandidierte die in Paris lebende Beate Klarsfeld für die Partei DIE LINKE für das Amt der Bundespräsidentin, unterlag aber - wie nicht anders zu erwarten - dem ehemaligen Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU), Joachim Gauck.
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Renata Schmidtkunz spricht mit Beate Klarsfeld aus Anlass ihres 80. Geburtstages über den schmalen Grat zwischen Gerechtigkeit und Gewalt. "Das war die Ohrfeige unserer Generation an die Nazi-Generation", beteuert die Pazifistin, und somit ein Akt der Gerechtigkeit. An ein Ende ihres aktivistischen Einsatzes ist gar nicht zu denken. Noch heute beobachtet Klarsfeld die Entwicklungen in der Europäischen Union genau.
Dieser Artikel entstammt der aktuellen Ausgabe des Ö1 Magazins "gehört".