"Elias" mit dem RSO Wien

Ein donnernder Prophet

Calixto Bieito inszeniert Mendelssohns "Elias" im Theater an der Wien - u.a. mit Christian Gerhaher als Titelheld und Maria Bengtsson als Witwe. Unter der Leitung von Jukka-Pekka Saraste spielt das RSO Wien - Ö1 überträgt die Premiere.

Einen donnernden Propheten wünschte sich Felix Mendelssohn Bartholdy: "stark, eifrig, auch wohl bös und zornig und finster" (Brief an den Librettisten Julius Schubring). Die Wahl fiel auf Elias, dessen Geschichte im "Ersten Buch der Könige" den 27-jährigen, damals in Leipzig wirkenden Komponisten sehr bewegte. Es ist der Bericht eines Streiters, der im Rahmen einer Wette seinen Gott Jahwe gegen die Verfechter des Baalskultes verteidigt, der mit Gottes Hilfe eine dreijährige Dürreperiode beendet, der die Tötung seiner Widersacher befiehlt und schließlich am Ende vor einer aufgebrachten Königin und ihren Truppen fliehen muss.

Existenzielle Fragen

Was fand der sanftmütige, weit gereiste und feinsinnige Komponist an Elias? Mendelssohns Oratorium beantwortet diese Frage mit großer Klarheit: Dieser Prophet inspirierte ihn zu einer nachgerade aufwühlenden Partitur. Die religiösen Konflikte des "Alten Testaments" werden nicht mit dem Florett ausgetragen, sondern mit der Axt, sie streifen nicht Fragen der Kultur oder des Lebensstils, sondern sind existenziell. Mendelssohn spiegelt sie in waghalsiger Melodieführung - drei absteigende Tritoni (das Teufelsintervall) in den ersten Takten -, in nicht enden wollenden Crescendi und rasenden Streichern in der Ouvertüre wider, in mitreißenden Chören ("Aber der Herr sieht es nicht!") oder in der zauberhaften Arie "Es ist genug" des verzweifelten Propheten.

Das 1846 in Birmingham uraufgeführte Oratorium "Elias" wurde zu einem Welterfolg für den Komponisten. Für die Zweitaufführung in London hatte Mendelssohn die Partitur grundlegend überarbeitet, die danach folgenden deutschsprachigen Aufführungen in Leipzig, Berlin und Wien konnte er aufgrund seines frühen Todes nicht mehr erleben.

An den Ängsten rütteln

Einen donnernden Regisseur wünschte sich das Theater an der Wien und fand ihn in Calixto Bieito, der die europäische Opernlandschaft in den vergangenen zwei Jahrzehnten durch aufrüttelnde Lesarten von allzu bekannten Werken wie "Die Entführung aus dem Serail", "Fidelio" oder "Der Freischütz" aufgemischt hat. Dabei ist die Darstellung von physischer Gewalt in seinen Inszenierungen keinesfalls Selbstzweck, sondern rüttelt an den Ängsten der Zeitgenoss/innen - Ängsten, unter denen der Spanier zeitlebens selbst gelitten hat. "Ängste stecken in jedem von uns. Nicht nur in mir - in jedem." Inzwischen allerdings kämpft Bieito weniger gegen persönliche Ängste als gegen sein Image im internationalen Opernbetrieb: "Man verbindet meinen Namen vor allem mit Sex und Gewalt. Mein Horizont aber reicht viel weiter. Wie fast jede und jeder habe ich nicht nur ein Gesicht."

Calixto Bieito mit der katholischen Tradition seiner spanischen Heimat, Felix Mendelssohn Bartholdy aus jüdischem Elternhaus mit seiner für das protestantische England geschriebenen Partitur - das sind die Zutaten für ein aufregendes Bühnenmenü im Theater an der Wien.

Christian Gerhaher & Maria Bengtsson

Auch musikalisch verspricht diese Produktion ein Leckerbissen zu werden: Der Titelheld wird verkörpert von einem der aufregendsten Sänger unserer Tage, dem Bariton Christian Gerhaher. Ihm zur Seite steht die schwedische Sopranistin Maria Bengtsson, die bereits mit Bieito gearbeitet und zuletzt am Theater an der Wien die Solveig in Werner Egks "Peer Gynt" gesungen hat. Am Pult des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien steht der Finne Jukka-Pekka Saraste, Chefdirigent des WDR Sinfonieorchesters.

Text: Christoph Becher, Intendant des RSO Wien - Dieser Artikel enstammt der aktuellen Ausgabe des Ö1 Magazins "gehört".

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