Eva-Maria Schaller bei Proben für “Die Unbekannte aus der Seine“

EVA-MARIA SCHALLER

Diagonal stellt vor

Hanna Berger - Die Tänzerin als Kommunistin

Wien zählte in den 1920er und 1930er Jahren zu den Zentren der internationalen Tanzmoderne. Hanna Berger (1910-1962) blieb bis heute die große Unbekannte dieser Szene.

Hanna Berger, Anfang der 1930er Jahre

PRIVAT

Hanna Berger, Anfang der 1930er Jahre

Wien ist zu Beginn des 20. Jahrhunderts die sechstgrößte Stadt der Welt und ein Hotspot des modernen Tanzes. Über Isadora Duncans ersten Auftritt in Europa, der in Wien stattfindet, sind nicht nur Literaten und Künstler wie Gustav Klimt begeistert, im Zeichen der Emanzipation engagieren sich auch Frauenrechtlerinnen für die zeitgenössischen Ausdrucks- und Bewegungstechniken.

Hanna Berger tanzt am "Tag der Solidarität" (17.6.1945) das Solo "Kampfruf".

FRANZ FREMUTH

Hanna Berger tanzt am "Tag der Solidarität" (17.6.1945) das Solo "Kampfruf".

"Eine Frau, die ihresgleichen sucht"

Die Wiener Tanzszene der Ersten Republik umfasst drei- bis vierhundert Tänzer und Choreografinnen, die in Dutzenden Tanzstudios, Theatern und auf freien Bühnen auftreten. Namen wie Rosalia Chladek oder Grete Wiesenthal blieben hierzulande immer bekannt, andere wie Hanna Berger gerieten in Vergessenheit.

Andrea Amort, Historikerin Professorin am Konservatorium der Stadt Wien (dem heutigen MUK), Verfasserin einer Monografie mit dem bezeichnenden Titel: "Spuren einer Tänzerin im Widerstand", sagt über Hann Berger: "Ich bin auf eine Frau gestoßen, die ihresgleichen sucht - was Mut und Entschlossenheit in künstlerischen Belangen, aber auch, was das Politische betrifft. Es war klar, dass jemand, der so freizügig mit sich selbst und andern umgeht, immer wieder aneckt."

Tochter einer Arbeiterin aus Meidling

Hanna Berger (1910-1952), Tochter einer Arbeiterin aus Meidling und in beengten Verhältnissen aufgewachsen, absolviert ihre Tanzausbildung in Berlin und Dresden; früh tritt sie der Kommunistischen Partei bei. In den 1930er Jahren tourt sie mit dem Ensemble von Mary Wigman durch ganz Europa und Amerika. Mit ihrem zeitkritischen Solo "Krieger" gerät sie in Konflikt mit dem nationalsozialistischen Regime. Ob des engen Kontaktes, den sie (gemeinsam mit ihrem Partner, dem Bildhauer Fritz Cremer) mit dem kommunistischen Widerstand der "Roten Kapelle" pflegt, wird sie 1942 wegen "Ermöglichung staatsfeindlicher kommunistischer Zusammenkünfte in ihrer Wohnung" angeklagt. Unmittelbar nach Kriegsende kehrt Berger nach Wien zurück - ein Foto zeigt sie bei ihrem Auftritt mit ihrem Stück "Kampfruf" im Juni 1945.

Multitalent

Hanna Berger war ein Multitalent. Unter dem legendären Viktor Matejka beteiligt sie sich am Aufbau des "Amtes für Kultur und Volksbildung" der Stadt Wien; sie erhält das Referat für "Tanz und Gymnastik, Puppen- und Laienspiele, Kindertheater". In einem "Arbeitsbericht" aus dieser Zeit notiert sie: "Die erste ‚Stunde der Frau‘ im Radio war von mir zusammengestellt. Die erste Rede im Radio über das eben gegründete ‚Theater der Jugend‘ (…) wurde von mir gehalten." Berger unterrichtet einige Jahre lang Tanz, verliert ihren Job wieder und gründet sie eine Tanzgruppe für Kinder. Im Wien der Nachkriegszeit herrscht Nostalgie nach der guten alten Zeit, Walzer aller Art stehen wieder auf dem Plan. Für eine bekennende Kommunistin ist im heraufziehenden Kalten Krieg kein Platz mehr. Hanna Berger hätte ein Gesicht der Zweiten Republik werden können, eine weitere "große Tochter" des Landes, die es wiederzuentdecken gilt.

Eva-Maria Schaller bei Proben für “Die Unbekannte aus der Seine“

Eva-Maria Schaller bei Proben für “Die Unbekannte aus der Seine“

EVA-MARIA SCHALLER

Ausstellung im Theatermuseum

Eine Gelegenheit dazu bietet die Ausstellung "Alles tanzt. Kosmos Wiener Tanzmoderne" im Theatermuseum ab 21. März. Zu Eröffnung der Ausstellung zeigt die Choreografin und Tänzerin Eva-Maria Schaller ein Reenactment von Hanna Bergers Stück "Die Unbekannte aus der Seine".

Service

Theatermuseum - "Alles tanzt - Kosmos Wiener Tanzmoderne" ab 21. März 2019

Gestaltung

  • Erich Klein