Ambiente

Siebenbürgen revisited

Die Schauspielerin Mercedes Echerer reiste im Herbst 2018 nach Siebenbürgen. In "Ambiente" erzählt sie von dieser Reise.

Es fühlt sich sonderbar an, nach vielen Jahren wieder nach Hause zu fahren und zu wissen, keiner von der Familie ist mehr vor Ort ...

Die Sonne lädt zu einem Spaziergang durch die sorgfältig renovierte Altstadt von Sibiu/Hermannstadt ein. Unser Guide Mihai erzählt viel Historisches, noch mehr Aktuelles, und an jeder Hausecke finden sich Hinweise auf die gemeinsame Vergangenheit. Links vom Eingang zur Redaktion der "Hermannstädter Zeitung" steht ein Tuk-Tuk mit dem angeblich besten Bioeis der Stadt - ich kann das bestätigen, ich hab’s mehrfach überprüft.

Nur zwei Gassen weiter wurde der Maisgrieß ganz anders zubereitet.

Während wir über den Hauptplatz flanieren, überrascht uns Mihai mit einer ungarischen Spezialität: Kürtőskalács. Dieser Duft weckt in mir Kindheitserinnerungen: "Weißt du, mein Augenstern, deine Großtante macht die Krautwickler mit Rahm, Tante Rodica hingegen verwendet keinen." Es lebe der Unterschied! Meine Großtante Marika gehörte zur ungarischen Minderheit, Tante Rodica zum rumänischen Teil der Bevölkerung. Im selben Dorf, nur zwei Gassen weiter wurde zum Beispiel Mămăligă, der regionale Maisgrieß, schon wieder ganz anders zubereitet als in der Küche meiner Großtante oder in Tante Rodicas - es lebe die Vielfalt!

  • Mercedes Echerer

    CHRISTINE DE GRANCY

  • Mercedes Echerer

    Mercedes Echerer sucht in Siebenbürgen das Europa ihrer Kindheit.

    CHRISTINE DE GRANCY

  • Mercedes Echerer

    CHRISTINE DE GRANCY

  • Mercedes Echerer

    CHRISTINE DE GRANCY

  • Christus am Kreuz

    CHRISTINE DE GRANCY

  • Alte Frau in Siebenbürgen

    CHRISTINE DE GRANCY

  • Mercedes Echerer

    CHRISTINE DE GRANCY

  • Pferd auf der Wiese

    CHRISTINE DE GRANCY

  • Mercedes Echerer und Ursula Burkert

    CHRISTINE DE GRANCY

  • Mann mit wenigen Zähnen und Hut

    CHRISTINE DE GRANCY

  • Schafhirte und Schafe

    CHRISTINE DE GRANCY

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Toleranzedikt von Torda

Weiter geht's nach Sighișoara/Schäßburg über die alte Holzstiege mit mehr als 100 Stufen hinauf zur "Weisheit" - die Schule ist nämlich ganz oben auf dem Hügel der Stadt -, und Weitblick schadet bekanntlich auch nicht ... Apropos Weitblick: Das Toleranzedikt von Torda, erlassen 1568 vom siebenbürgischen Landtag unter König Johann Sigismund, gilt als ein frühes Zeugnis für Religionsfreiheit im konfessionell gespaltenen Europa. Eine weise Entscheidung, deren positive Konsequenz bis ins Heute reicht: Wenn in einem Dorf eines der Gotteshäuser verwaist, kümmern sich die restlichen Dorfbewohner/innen darum.

Parajd im Széklerland

Die Landschaft und die Kulturen verändern sich. Wir nähern uns Parajd im Széklerland - die Székler zählen zu den Magyaren, sind aber eine autochthone Gruppe - und besuchen die Salina Praid. Seit der Zeit Kaiser Franz Josephs wird hier Salz abgebaut, andererseits wird der unterirdische Palast wegen des ungewöhnlich hohen Salzgehalts für Heilzwecke genutzt. Meine Zwillinge verbrachten einige Sommer in der Saline. Sie schwärmen heute noch von der Erlebniswelt "unter Tage" - vom kleinen Schaukelpferd bis zur Kletterwand. Das alles gibt es noch.

Gastfreundschaft und gelebte Vielfalt sind unverändert geblieben.

Cluj/Klausenburg, Geburtsstadt meiner Mutter. Vom Hauptplatz aus suche ich jene Seitengasse, in der meine Großtante wohnte. Heute befindet sich dort eine Notariatskanzlei, aber jene Treppe im Stiegenhaus, auf der ich meinen ersten Kuss bekommen habe, hat immer noch diese leichte Schräge.

Mercedes Echerer in Cluj

CHRISTINE DE GRANCY

Auf dieser Reise werde ich an vieles erinnert, und gleichzeitig entdecke ich ein neues Siebenbürgen. Aber einiges ist unverändert geblieben: Gastfreundschaft und die gelebte Vielfalt. Im Juni bin ich mit meinem "Rumänischen Roulette" zum Internationalen Theaterfestival Sibiu eingeladen - vielleicht sieht man sich dort ...

Text: Mercedes Echerer, Schauspielerin und Moderatorin