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Literatur
McEwan-Roman bringt Sex mit Robotern
In seinem neuen Roman "Maschinen wie ich" lässt Ian McEwan seinen Ich-Erzähler in einen ungewöhnlichen Konflikt mit seinem brandneuen Roboter geraten und verhilft außerdem einem der großen Mathematikgenies des 20. Jahrhunderts zu einem langen Leben.
26. November 2019, 17:42
Morgenjournal | 21 05 2019
Wolfgang Popp
Charlie ist 32, eher Lebenskünstler als erfolgreich und ein Techniknarr. Deshalb schafft er sich auch um horrendes Geld einen Roboter an, Name Adam, Persönlichkeit programmierbar, mit breiten Schultern, dunklem Teint und - wie Charlie zu seinem Entsetzen bald feststellen muss -erstaunlichen erotischen Fähigkeiten. So erstaunlich, dass Charlies Freundin Miranda Adam statt seiner in ihr Bett holt.
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Liebe, Sex und Marktwirtschaft
Sexmachine
"Wenn Adam mit Charlies Freundin schläft, dann interessiert mich der Morgen danach, das Gespräch zwischen Charlie und Miranda. Fühlt er sich zurecht gehörnt und betrogen, oder ist das mit Adam, wie Miranda meint, etwas anderes, weil es sich bei ihm um eine Maschine handelt", sagt Ian McEwan, dem es in "Maschinen wie ich" wieder einmal gelungen ist, abstrakte Fragen hinunter auf den Boden, oder in diesem Fall wohl genauer, auf die Matratze zu holen.
Wer ist Mensch?
Wie wird sich unser Umgang mit Wesen gestalten, die zwar mit fixen Grundeinstellungen aus der Fabrik kommen, die sich danach aber, weil sie lernfähig sind, individuell entwickeln. Ian McEwan: "Unsere moralischen Vorstellungen werden sich ganz langsam und schleichend verändern. Denn wenn es da jemanden gibt, der aussieht wie ein Mensch, der spricht und zu empfinden scheint und darüber hinaus auch noch in der Lage ist, einen guten Roman zu schreiben, dann werden wir dieses Wesen wohl als menschlich akzeptieren müssen."
Alte, neue Welt
Ian McEwan hat "Maschinen wie ich" weder in einer fernen noch nahen Zukunft angesiedelt, sondern im Jahr 1982. Dass die technologische Entwicklung damals bereits derart fortgeschritten war, dafür sorgt McEwan, indem er einem in der Realität tragisch früh verstorbenem Wissenschaftler, ein langes Leben schenkt. Ian McEwan: "Die Graue Eminenz des Romans ist der siebzigjährige Alan Turing, der Kopf eines riesigen Konzerns ist und noch immer darüber nachdenkt, wie sich menschliche Intelligenz künstlich nachbauen ließe."
Die fiktive Auferstehung eines tragischen Genies
Alan Turing war das Mathematikgenie, das im Zweiten Weltkrieg den geheimen Enigma-Code der Nazis knackte, sich danach der Erforschung der Künstlichen Intelligenz widmete, bis er wegen seiner damals noch strafbaren Homosexualität, zur chemischen Kastration gezwungen wurde. Die stieß ihn in tiefe Depressionen, die schließlich zu Turings Suizid führten. "Bei mir entschließt sich Turing gegen die Hormonbehandlung, geht stattdessen ins Gefängnis und nimmt dann seine Forschungen zur künstlichen Intelligenz wieder auf, was zu ungeahnten technologischen Durchbrüchen führt.", sagt Ian McEwan.
Höflich zu Robotern
Schon seit den 1970er Jahren interessierte sich Ian McEwan für das Thema Künstliche Intelligenz, warum hat er ihr erst jetzt einen Roman gewidmet? Ian McEwan meint: "Künstliche Intelligenz ist sehr plötzlich in unseren Alltag eingedrungen. Vor kurzem hörte ich etwa Eltern diskutieren, ob die Kinder zu Siri und Alexa "bitte" und "danke" sagen sollten."
Bevor die Eltern eine Entscheidung treffen, sollten sie nach Möglichkeit "Maschinen wie ich" lesen, denn Ian McEwan stellt in seinem neuen Roman alle relevanten Fragen zum Thema, und das so witzig und voller überraschender Wendungen, dass man das Buch mit einer Akkuladung, soll heißen, auf einen Satz, ausgelesen hat.
Gestaltung
- Wolfgang Popp