ORF/URSULA HUMMEL-BERGER
Schwarz-blaue Medienpolitik
Zwischen Drohkulisse und Nebelwand
Schluss mit dem Klein-Klein in der Medienpolitik, hat Ex-Medienminister Gernot Blümel von der ÖVP als Devise ausgegeben. Blümel wollte nicht mehr und nicht weniger als den ganz großen Wurf im Kampf um die österreichische Identität im Zeitalter der Internet-Giganten. Es ist beim Wollen geblieben, und nicht nur deshalb, weil sich die Regierung nach Ibiza in die Luft gesprengt hat.
5. August 2019, 02:00
Am Anfang stand eine groß angetrommelte Medien-Enquete, und am Ende kam nicht viel Konkretes heraus. Ein Vorhalt, über den sich der damalige Medienminister Blümel schon im Umfeld der Enquete zu ärgern wusste. "Ich bin enttäuscht über Ihre Fragen", sagte er im Ö1-Interview, als es um Details zu ORF-Zukunft und Medienförderung ging. Lieber hat Blümel stets über Dinge geredet wie: nationaler Schulterschluss der Medienhäuser; Online-Allianzen, um Google und Facebook Paroli zu bieten; das nächste Facebook in Europa bauen.
APA/ROLAND SCHLAGER
"Ein bisschen Flickwerk, nicht mehr"
Vor diesem Hintergrund fällt die Bilanz des Medienberaters Peter Plaikner nüchtern aus: "Das was gemacht wurde, ist ein bisschen Flickwerk und nicht mehr." Flickwerk, das trifft vor allem auf die Versuche zu, das ORF-Gesetz neu zu schreiben. Die großen Linien wurden von einem gewissen Heinz-Christian Strache torpediert. Dessen Fixiertheit auf das Ende der GIS-Gebühr hat die Verhandlungen über eines neues ORF-Gesetz praktisch zum Erliegen gebracht, so Insider. Am Ende gab es einen ÖVP-Entwurf, der das Büro des Medienministers nie verlassen hat.
Strache torpedierte schon vor Ibiza
Zentrale Punkte darin wären gewesen: ein Kooperationsauftrag für den ORF gegenüber den Privaten, indem etwa Live-Signale zur Verfügung gestellt werden, die sich manche Privatsender zum Teil bisher schon genommen haben - einfach ohne zu fragen. Wenn etwa das Fellner-Fernsehen vom Opernball berichtet hat, lief auf der Videowand im Hintergrund die ORF-Übertragung. Aber auch der dringend notwendige Spielraum für neue Online-Aktivitäten des ORF war vorgesehen, der geplante ORF-Player mit neuen Channels und einem wegweisenden Empfehlungssystem braucht diese gesetzliche Grundlage dringend.
Zwei Schrauben unter FPÖ-Kontrolle
Der Fokus vor allem der FPÖ lag aber woanders. Peter Plaikner spricht von nie dagewesenen Drohgebärden: "Das hat keine Bundesregierung früher in dieser Form gewagt, insbesondere wie es die kleinere Regierungspartei FPÖ getan hat." Vier Vorstände statt dem alleinverantwortlichen Generaldirektor sollten das Unternehmen führen, das war der nicht umgesetzte Plan. Zwei Schwarze, zwei Blaue, das hat FPÖ-Mediensprecher Hans-Jörg Jenewein nach dem Koalitionsbruch in den "Salzburger Nachrichten" auch ganz offen ausgesprochen: "Das wären dann zwei von 2500. Wenn die ÖVP an einer Schraube dreht, drehen sich 250 andere mit. Bei mir gäbe es dann zwei Schrauben, die ich unter Kontrolle habe."
Verleger versus Zeitungszusteller
Die wenigen Beschlüsse, die es gab, waren mehr Klientelpolitik denn Medienpolitik. So sind Zeitungszusteller seit 1. Juli per Gesetz Selbstständige - obwohl sie nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs als Arbeitnehmer einzustufen wären. Sprich: es würden Sozialversicherungs-Beiträge fällig. Da haben Kosten von -zig Millionen Euro gedroht. Die Novelle gilt rückwirkend und bereinigt somit gleich alle anhängigen Fälle. Der Beschluss von ÖVP und FPÖ ist im Dezember in einer Nacht- und Nebelaktion beschlossen worden, der Protest der Arbeiterkammer wegen Beschneidung von Arbeitnehmerrechten verhallte ungehört. Die Interessen der Verleger gingen vor.
Mehr Geld für Boulevard-TV-Formate
Ebenfalls beschlossen wurde mehr Geld für den Privatrundfunkfonds und damit auch für die TV-Formate unter anderem der Boulevard-Medien. Statt 15 können jetzt 20 Millionen Euro verteilt werden, wer das Geld bekommt, soll noch im Juli veröffentlicht werden. Aus dem Fonds bekam oe24.TV von Wolfgang Fellner im Vorjahr 1,3 Millionen Euro, heuer bisher eine weitere Million. Erstmals dabei 2019 auch Krone-TV mit 600.000 Euro. Man wird sehen, wie viel mehr für den Boulevard nach der Aufstockung herausschaut.
Fellner verpasst Sprung nach vorne
Und beinahe wäre das Fellner-Fernsehen oe24.TV per Gesetz auf einen der vorderen Programmplätze gereiht worden, was reichweiten-technisch von Vorteil sein kann. Das ist sich zeitlich aber nicht mehr ausgegangen. Der Fellner-Sender findet sich in den Programmführern der TV-Geräte also weiter auf den hinteren Plätzen.
Eine Feder, die sich die Regierung an den Hut gesteckt hat, ist die Ausnahme für Redaktionen von der Datenschutz-Grundverordnung der EU. Sonst wären nämlich investigative Recherchen unmöglich geworden. Die Regierung hat da allerdings so wie andere Staaten auch nur eine Öffnungsklausel genützt, die diese EU-Verordnung vorsieht.