Simone Stribl, Tobias Pötzelsberger, Thomas Langpaul

ORF

Oppositions-Positionen

Die Semi-Utopie der Unabhängigkeit

Der ORF hat durch seine Berichterstattung über die Ibiza-Affäre und deren Folgen beim Publikum enorm gepunktet. Neun von zehn Österreichern haben via ORF verfolgt, wie die innenpolitische Geschichte neu geschrieben worden ist. Und sie waren sehr zufrieden mit dem, was geboten wurde. 77 Prozent gaben das bei einer Umfrage im Auftrag des ORF an. Die Opposition verlangt jetzt echte Schritte zur Verankerung der Unabhängigkeit des größten Medienhauses in Österreich.

Werner Kogler, der Bundessprecher der Grünen, nennt es eine "Semi-Utopie" für Österreich. Dass nämlich die Gremien des ORF so gestaltet werden, dass eine echte parteipolitische Unabhängigkeit garantiert ist. Eine Art gesamtgesellschaftlicher Konvent soll zusammentreten und dann in freier Mehrheitsentscheidung die Gremien des ORF konstituieren. "Das klingt für österreichische Begriffe semi-utopisch, aber selbst wenn man nur Teile davon kriegt, wäre etwas gewonnen", sagt Kogler.

NEOS möchte Stiftungsrat zerschlagen

Die Grünen treffen sich da mit den NEOS, die es nur anders ausdrücken. "Der einzige Weg, den ORF freier zu gestalten, wäre, den Stiftungsrat in der bestehenden Form zu zerschlagen", sagt NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Kommen solle eine Art Hauptversammlung der Eigentümer/innen - und das sind ja alle Gebührenzahlenden - ähnlich wie bei Aktiengesellschaften; durchaus mit Parteienvertreter/innen, aber vor allem mit Mitgliedern der Zivilgesellschaft und mit Bürgern und Bürgerinnen, die durch Los ermittelt werden. Dieser große Kreis soll dann einen Aufsichtsrat wählen, der den Vorstand bestellt.

Die Gremienreform und die Länder

Für die ÖVP ist so etwas undenkbar, ihre sechs Landeshauptleute haben mehrfach deponiert, dass man von einer Gremienreform lieber die Finger lassen möge. Derzeit hat jedes Land eine Vertretung im Stiftungsrat - und das ist auch den roten Landesfürsten wichtig. Der frühere Medienminister und aktuelle SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda kann sich denn auch nur eine Light-Variante in Sachen Gremienreform vorstellen.

SPÖ will Regierungsdominanz brechen

Konkret würde Drozda den Bestellungsmodus für die Mitglieder des Stiftungsrates ändern und die Dominanz der Regierung im wichtigen Aufsichtsgremium des ORF brechen. "Das sage ich für den Fall einer SPÖ-Regierungsbeteiligung genauso wie jetzt als Oppositions-Abgeordneter, das gehört geändert", so Drozda. Die Regierung bestimmt derzeit neun der 35 Stiftungsräte, das sollten besser die Parlamentsparteien machen, so die SPÖ-Linie. Also Nominierung entsprechend dem Stärkeverhältnis im Nationalrat, damit würden dann insgesamt 15 Stiftungsräte von den Parlamentsfraktionen namhaft gemacht.

Eine neue rot-blaue Achse?

Die FPÖ kann sich das übrigens auch vorstellen, es ist also in einem weiteren Punkt eine rot-blaue Achse gegeben. Der Hintergrund ist wohl der: Selbst wenn eine Partei in der Regierung sitzt, wie zuletzt eben auch die Freiheitlichen, hat in puncto Beschickung des ORF-Stiftungsrats vor allem das Kanzleramt das Sagen.

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