Pascal Dusapin

PHILIPPE GONTIER

Salzburger Festspiele

Pascal Dusapin - Komponist und Fotograf

Unter dem Titel "Zeit mit …" widmen die Salzburger Festspiele jeden Sommer zwei Komponistinnen oder Komponisten einen Programmschwerpunkt. Der ist heuer dem französischen Komponisten und Fotografen Pascal Dusapin gewidmet. Zu erleben sind Chor-, Kammer- und Orchestermusik und eine konzertant aufgeführte Oper aus seiner Feder. Zudem tritt Dusapin auch als Fotograf in Erscheinung: Die Leica Galerie in Salzburg präsentiert seine Fotoarbeiten, die immer in Schwarz-Weiß gehalten sind. Ö1 hat den Künstler getroffen.

Kulturjournal | 25 07 2019

Sebastian Fleischer

1955 in Nancy geboren, studierte Pascal Dusapin bei Olivier Messiaen und Iannis Xenakis, den er als seinen "musikalischen Vater" bezeichnet. Seine Ideen bezieht er mit Vorliebe aus der Literatur und der Philosophie.

"Musikalischer Großvater" Varèse

Manchmal ändert sich das Leben innerhalb weniger Augenblicke. Bei Pascal Dusapin waren es jene 19 Minuten, in denen er als Achtzehnjähriger das Orchesterstück "Arcana" des Avantgarde-Pioniers Edgard Varèse anhörte. Schon seit Jahren hatte Dusapin Klavier und Orgel gelernt, aber unter seinem, wie er sagt, mäßigen Talent gelitten. Dann aber kam die geradezu transzendente Erfahrung mit Varèse - und der Entschluss, Komponist zu werden.

Varèse wurde zu seinem "musikalischen Großvater", wie es Pascal Dusapin ausdrückt. Als Student am Pariser Konservatorium fand er später auch sein lebendes Vorbild: Iannis Xenakis, für Dusapin der einzig legitime Nachfolger von Varèse. Bei ihm besuchte der junge Student keine Kompositionsklasse, sondern ein Ästhetik-Seminar für Philosophen. Der Komponist und Architekt Iannis Xenakis war für Dusapin ein Erschaffer im wahrsten Sinne; stundenlang konnte er nur über griechische Musik oder Platon sprechen, und Dusapin hörte ihm zwei Jahre lang ausschließlich zu - wie einem echten Meister eben.

Xenakis - "Erschaffer im wahrsten Sinne"

Xenakis weckte Dusapins Interesse an Mathematik und Architektur, Literatur und Philosophie - eine geistige Offenheit, aus der sich auch seine Musik speist. Im Chorwerk "Granum sinapis" etwa hat Dusapin die Mystik des mittelalterlichen christlichen Denkers Meister Eckhart vertont; zusammen mit den Stücken "Umbrae mortis" und "Dona Eis" bildet es eine Art Requiem, zu hören im Rahmen der "Ouverture Spirituelle" in der Salzburger Kollegienkirche.

Jedem der Stücke liegen sehr persönliche Erfahrungen zugrunde, erzählt der Komponist - "Granum sinapis" wurde, ohne dass es ihm zunächst bewusst war, zum Requiem für seine eigene Mutter.

Zufällig Komponist

Musik ist für Pascal Dusapin nur ein mögliches Ergebnis geistiger Schaffenskraft. Dass er Komponist und nicht etwa Architekt wurde, betrachtet er als Zufall. Der Gedanke, dass Musik oft losgelöst von der Außenwelt im Elfenbeinturm entsteht, irritiert ihn.

Die Oper als Weg, Aussagen über die Welt zu treffen: Diese Möglichkeit ergriff Dusapin erstmals Ende der 1980er Jahre mit seiner Oper "Roméo et Juliette", und wenig später ein zweites Mal mit "Medeamaterial" - basierend auf einer Dramatisierung von Heiner Müller, die den antiken Stoff mit düsteren Zukunftsvisionen verbindet. Dusapin schrieb daraus eine Oper für Barockorchester. 1992 uraufgeführt, stand sie stark unter dem Eindruck der Balkankriege.

"Medeamaterial" ist vielfach aufgeführt worden; die Thematik habe sich als zeitlos erwiesen, berichtet Dusapin. In konzertanter Form wird die Oper am Sonntag - ebenfalls in der Kollegienkirche - zu erleben sein.

"Morning in Long Island" mit dem RSO Wien

In der Felsenreitschule wird dann nur wenige Tage später das ORF Radio-Symphonieorchester Wien ganz andere Stimmungsbilder zeichnen, wenn es Dusapins Orchesterstück "Morning in Long Island" aufführen wird. Ein Werk, das Jazzklänge mit bedrohlicher Polyphonie kombiniert und unmittelbaren, aber tiefgreifenden Eindrücken von einem New-York-Aufenthalt entsprungen ist.

"An einem Tag ging ich an den Strand in Long Island und erlebte einen fantastischen Moment: Alle Elemente der Natur flossen zu mir über - das war nicht nur inspirierend, ich war vollkommen überwältigt. Alles lebte in meinem Körper weiter: der Wind, die Bewegung der Wellen, das Geräusch der Bäume. Ich wollte das nicht mit meiner Musik beschreiben, sondern eine Form schaffen, die sich darauf bezieht", erzählt der Komponist.

Der Fotograf

Die Formen zufällig beobachteter Objekte, Meer, Wind und Bäume: All das findet sich auch in den Fotoarbeiten von Pascal Dusapin wieder. Zum Fotografieren hat ihn einst sein Vater gebracht, seitdem praktiziert es in einer Art Parallelleben, wie er sagt. Wie beim Komponieren gehe es hier darum, aus der Wirklichkeit - und sei es der nüchterne Büroraum, in dem wir gerade sitzen - einen interessanten Ausschnitt zu fokussieren und eine neue Form zu schaffen.

Zur intensiven Auseinandersetzung mit dem Bild- und Tonkomponisten Pascal Dusapin gibt es ab heute in Salzburg Gelegenheit.

Service

Leica Galerie Salzburg - Accords Photographiques. Pascal Dusapin, 26. Juli bis 2. Oktober 2019

Gestaltung