Kulturminister Alexander Schallenberg und der französische Schriftsteller Michel Houellebecq

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Literatur

Houellebecq erhält Staatspreis für europäische Literatur

Die einen nennen ihn einen Vordenker der Neuen Rechten, die anderen sehen in ihm einen Humanisten, der das Erbe der Aufklärung bewahrt. Einig ist sich die Kritik, dass Michel Houellebecq einer der größten Schriftsteller unserer Zeit ist. Im vergangenen Jänner ist Houellebecqs jüngster Roman "Serotonin" erschienen. Ein Text, der den Niedergang der französischen Provinz ausleuchtet und die Aporien einer individualisierten Gesellschaft in der Figur eines depressiven und impotenten Ich-Erzählers bündelt. Heute wird Michel Houellebecq in Salzburg mit dem Österreichischen Staatspreis für europäische Literatur ausgezeichnet.

Kulturjournal | 26 07 2019

Christine Scheucher

"Ich interessiere mich nicht dafür, was die Menschen über mich denken", sagt Michel Houellebecq in einem Interview im Jahre 1999, zieht an seiner Zigarette und schweigt. So kennt man ihn bis heute: Wortkarg, mit unfrisiertem schütterem Haar, eine Zigarette eingeklemmt zwischen Mittel- und Ringfinger.

Michel Houellebecq spielt souverän auf der Klaviatur der medialen Aufmerksamkeitsökonomie und wird seinem Ruf als skandalumwitterter Misanthrop immer wieder gerecht. Im Dezember 2018 gingen die Wogen hoch, als er die protektionistische Wirtschaftspolitik Donald Trumps lobte. Auch in Frankreich, so Michel Houellebecq, wünsche er sich politische Akzente, die dem globalen Freihandel, diesem Götzen einer liberalen Wirtschaftspolitik, etwas entgegensetzen. Die Aufregung war groß, der "neue Houellebecq" nicht nur in Frankreich in aller Munde.

Porträts eines skandalumwitterten Misanthropen

Heute erhält der französische Schriftsteller den mit 25.000 Euro dotierten Österreichischen Staatspreis für europäische Literatur. Dass man die rhetorischen Nebelwerfer, die Houellebecq im Vorfeld seiner Publikationen zündet, nicht mit dem literarischen Werk verwechseln dürfte, betonte Jurymitglied und Laudatorin Daniela Strigl: "Einen Schriftsteller findet man nicht in seinen gesammelten Interviews, sondern in seinen gesammelten Werken." Michel Houellebecq, so heißt es in der Jurybegründung, sei ein zeitgenössischer Übertreibungskünstler, ein Autor wie Thomas Bernhard, der die Grenze zwischen Biografie und Werk bewusst verwische.

Für viele ist der Prix-Goncourt-Preisträger mehr als ein Romancier. Houellebecq gilt als Visionär, der in seiner Literatur gesellschaftliche Stimmungen antizipiert. Mit seinem jüngsten Roman "Serotonin", in dessen Zentrum ein Angestellter des französischen Landwirtschaftsministeriums steht, habe Houellebecq erneut seine visionäre Gabe unter Beweis gestellt und die Protestbewegung der "Gilets jaunes", vorweggenommen, so eine weit verbreitete Meinung unter französischen Kritikern und Kritikerinnen. Houellebecqs Roman "Unterwerfung", in dem sich der Autor gewohnt polemisch mit dem viel zitierten Kampf der Kulturen auseinandersetzt, erscheint am 7. Jänner 2015. Am selben Tag töten islamistische Terroristen in der Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo elf Menschen.

"Einen Schriftsteller findet man nicht in seinen gesammelten Interviews"

Seit seinem Debüt "Die Ausweitung der Kampfzone", vor allem aber in seinem Erfolgsroman "Elementarteilchen" beschäftigt sich Michel Houellebecq mit den Aporien einer individualisierten säkularen Spaßgesellschaft, die den Menschen nicht als verletzliches Wesen wahrnimmt, sondern noch im Feld des Intimen die Gesetze des Marktes wirksam werden lässt. Michel Houellebecq zeigt uns die Welt aus der Perspektive des Losers, der nicht mitspielen darf oder kann. Seine Helden scheitern grandios und gerade deshalb - und dies ist die große Kunst dieses Autors - wecken sie unsere Empathie.

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