Götz Fritsch

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Götz Fritsch 1943-2018

Ein Zweig der Musik

Zum ersten Todestag des Hörspielregisseurs Götz Fritsch.

Wie Literatur via Theaterbühne in das Bewusstsein der Zuschauerin und des Zuschauers gelangen kann, steht auf einem anderen Blatt. Götz Fritsch hat es oft beschrieben. Noch mehr als die Bühne hat ihn das Radio interessiert. Das Wort, der Klang, der Atem eines Stückes kommen dort näher an das Empfinden, weil dieses ein paar Schritte entgegenkommen muss, wenn die Worte nicht in der Flüchtigkeit des Mediums verblasen werden sollen. Hören ist, vor allem hier, ein aktiver Vorgang.

Hören - ein aktiver Vorgang

Götz Fritsch war sich über diese Umstände im Klaren wie selten jemand. Das Hörspiel unter seiner Regie liefert nicht frei Haus. Es bietet sich nicht ab Hof an. Es kommt zum vereinbarten Zeitpunkt an den vereinbarten Ort: Raststation Hörfunk, Samstag, 14.00 Uhr. Man muss genau hinhören. Das Leben braust dahin, auch wenn der Asphalt flüstert. Hörspiele von Götz Fritsch biedern sich nicht an. Sie verweigern sich auch nicht. Sie haben eine merkwürdige, unspektakuläre Anmut. Wie er diese jeweils hergestellt hat, kann man einer Analyse unterziehen. Man kann sich auch einfach - als Hörerin und Hörer sowie, in allem gebotenen Respektabstand, als Kollege und Kollegin - dafür begeistern.

Er hat Werke von Peter Turrini, Wolfgang Bauer und Wolf Haas in das akustische Medium übertragen, von Friederike Mayröcker, Marie von Ebner-Eschenbach und, zuletzt, Teresa Präauer. Romane und Theaterstücke hat er für das Hörspiel bearbeitet und inszeniert. Da er auch zeitgenössischer Literatur angstfrei gegenüberstand, zählen etliche Original-Hörspiele zu seinem Werk. Diese Stief- und Findelkinder der deutschsprachigen Radiowelt kommen meist verroht und ungepflegt daher, präsentieren sich plappernd, sind manchmal gerade einmal heiße Luft. Aus dem Angebot an Texten hat Fritsch stets jene Perlen gefischt, die in seinen Augen glänzten. Das Publikum hat ihm dafür fast immer akklamiert.

Götz Fritsch

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Wahrhaftiger Kern der Worte

Seine Arbeit im Studio - als letzte Phase eines wochen-, mitunter monatelangen Prozesses - lief konzentriert, hingebungsvoll und nach den Gesetzen der "alten" Schule ab: Hospitanten, Regieassistenten, Komponisten und Musiker, Cutter und Tonmeister (alle Posten in zunehmender Häufigkeit auch weiblich besetzt). Und er, Götz, der Weißschopf. Das war das Team. Dazu kamen noch Schauspielerinnen und Schauspieler. Die Kunst, diese anzuleiten, hat Fritsch auf seine eigene, grandiose Weise zur Anwendung gebracht. Kein Wort sollte abseits der Darstellung, die der Regisseur sich wünschte, verkommen. Zehn, zwölf, 15 Takes für einen Satz waren keine Seltenheit.

Immer gilt es, den wahrhaftigen Kern der Worte zu suchen. Selten ist dieser in der Mitte, im Naheliegenden zu finden. Die Bedingungen für aktives Hören werden in der Sprachregie geschaffen, in der Technik, Bedeutung als Andeutung zu vermitteln. Reduktion ist keine Maßnahme zum Erreichen einer praktikablen Sendelänge, sondern genuine Struktur aller Künste.

Hörspiel als Zweig der Musik

Fritsch begriff, was manche verwundert, das Hörspiel als Zweig der Musik. Er hat damit einen Haufen Überlegungen, die wir immer wieder anstellen, auf einen Punkt gebracht; eine Losung, die vielleicht auf sämtliche Beschaffenheiten anwendbar ist: Alles ist Schwingung. Wer glaubt, irgendetwas, vielleicht gar das Hörspiel, könnte jemals tote Materie sein, wird von diesem Altmeister seiner Zunft in mehr als 300 Stücken widerlegt. Ö1 gedenkt Götz Fritsch mit einer Sendung aus dem Jahr 2004, in der er die Hörspielgeschichte Revue passieren lässt.

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