ANNA MARBOE

DANIELA MATEJSCHEK

Talentebörse

Anna Marboe, Regie

Anna Marboe, geboren 1996 in Wien, studierte Schauspielregie am Max Reinhard Seminar der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. In der Spielzeit 2019/20 wird sie am Wiener Volkstheater in den Bezirken, am Landestheater Niederösterreich, am Schauspielhaus Wien und am Landestheater Linz inszenieren. Außerdem ist sie unter dem Künstlernamen "Anna Mabo" als Musikerin tätig. Im Herbst 2019 folgt ihr erstes Album.

Was ist Kunst?

Wenn man nach anderen Substantiven fragt, steckt dahinter meistens eine begriffliche oder sprachliche Verwirrung, bei Kunst geht es da irgendwie immer mehr um eine Haltung als eine Definition. Weil es bei anderen Substantiven meistens klare Antworten gibt. Dass man das bei Kunst so fragen kann, und den Befragten immer ein bisschen in Verlegenheit bringt, liegt daran, dass man weiß, dass man mit dieser Antwort, vor allem als "Künstler" oder "Künstlerin" irgendwie Originalität oder eine Vision oder zumindest irgendeine Reflexion vermitteln wollen sollte. Man setzt also irgendwie voraus, dass der Begriff eh ein flexibler ist und freut sich auf neue Antworten. Ich leite also daraus, dass diese Frage überhaupt mit so philosophisch anspruchsvollen Erwartungen gestellt werden kann, ab, dass Kunst alles ist, von dem man nicht so genau weiß, was es kann und wozu es dient, und warum es genau so da ist wo es ist und was es da tut, aber man irgendwie spürt, dass man es trotzdem oder grad deshalb braucht. Das klingt vielleicht kryptisch, aber als Beispiel.

Mein Freund ist bildender Künstler, und er wollte mir einen Schreibtisch bauen. Irgendwann war der Schreibtisch fertig und ich durfte schauen kommen ins Atelier. Und dann stand ich vor einem drei Meter langen, zwei Meter hohen Einhorn aus Holz. Und er hat gemeint: "Ja, es is doch kein Schreibtisch geworden." Jedenfalls kam das Einhorn dann in mein Zimmer und stand da rum und hat das ganze Zimmer ausgefüllt, ohne einem ersichtlichen Zweck zu dienen. Es war einfach riesig und da. Später musste mein Bruder das Zimmer übernehmen, und hatte aber für nichts Platz weil da eben dieses riesige Holzpferd stand und kein Schreibtisch und kein Schrank mehr reingepasst haben. Und das hat er als unpraktisch empfunden, anfänglich. Manchmal hat sich jemand draufgesetzt, immer wieder haben sich Leute drüber geärgert, die nicht mehr ins Zimmer konnten, das Pferd wurde manchmal verflucht und manchmal stolz Gästen vorgeführt, manchmal wurde Wäsche darauf aufgehängt. Und es war wunderschön und störend und zweckentfremdet und wurde neu interpretiert und akzeptiert und diskutiert und Horst genannt. Und das ist für mich Kunst. Denke ich.

Also oft oder meistens, wirft Kunst an sich, also zumindest für mich, doch viel eher Fragen auf, als dass sie Antworten bietet, also wäre es doch ohnehin paradox, auf die Frage eine Antwort zu haben.

Wie sind Sie zur Kunst gekommen?

Meistens mit dem Fahrrad.

Kommt Kunst von können, müssen oder wollen?

Mein Vater hat immer gesagt: "Was man gern macht, macht man gut." Das spräche für eine Mischung aus wollen und können, ich weiß aber nicht, ob das stimmt, es gibt so vieles, das ich gern mach, aber trotzdem nicht besser werd darin. Und das macht ja nichts, ich finde ja, dass man Dinge auch gern machen kann, in denen man richtig schlecht ist. Das wäre ja sonst wieder so schrecklich leistungsorientiert, wenn man nur Spaß haben kann an Dingen, die man richtig gut kann. Ich fahr zum Beispiel richtig gern Auto.
Und dann gibt’s ja auch dieses Kunst "kommt von können, nicht von wollen", sonst hieße sie ja Wunst, aber was heißt denn eigentlich Kunst können? Also wie weiß ich, dass jemand gut Kunst machen kann. Das ist ja eine andere Frage, ob man sagt, kann jemand gut malen oder ist jemand ein Künstler, oder bei Bob Dylan sag ich ja, das ist ein guter Künstler. Aber da frag ich ja nicht in erster Linie: kann der singen, kann der Gitarre spielen, kann der dichten. Und müssen, ja was is denn mit müssen gemeint. Wenn müssen im Sinne von, ich MUSS Kunst machen, weil ich kann nicht anders, aus mir heraus MUSS ich das machen, ja dann vielleicht. Also so als innere Pflicht. Aber müssen klingt immer mehr wie eine fremdauferlegte Pflicht, also ich musste meine Hausaufgaben machen und musste früh aufstehen und musste manche Bücher lesen und muss tanken und muss mir was anziehen wenn ich rausgeh und so. Und das ist dann glaub ich keine künstlerische Kategorie.. Also im Endeffekt alles von denen. Oder keins. Einfach machen wahrscheinlich am ehesten. Also Kunst kommt in erster Linie davon, dass sie stattfindet.

Wo würden Sie am liebsten inszenieren?

Immer am liebsten da, wo die Menschen sind, und gerne mal da wo die Menschen nicht zur Kunst kommen müssen sondern umgekehrt. In Ubahnen, auf Parkplätzen, in Wohnzimmern, auf Bushaltestellen, in der Lugner City.

Mit wem würden Sie gerne zusammenarbeiten?

Mit Menschen, und mit echten auch. Also im Sinne von solche, die nicht aufstehen, um Kunst zu machen, sondern aufstehen, und dann Kunst machen. Kinder, alte Menschen, MathestudentInnen. Ich hab auch schon mit vielen Menschen zusammengearbeitet, von denen ich künstlerisch, aber auch menschlich viel lernen konnte, zuletzt Doris Weiner, mit der ich das Glück habe bald wieder eine Produktion zu machen, Thomas Schrenk, der eigentlich bildener Künstler ist, aber genau diese Kommunikation der „Sparten“ interessiert mich sehr. Thilo Remini, ein großartiger Fotograf, der in Jordanien tätig ist, Ernst Molden, durch den ich zur Musik gekommen bin, um nur ein paar wenige zu nennen. Man ist ja nie nur man selber, Theater ist ja vor allem Kommunikation. Außerdem glaub ich, jeder braucht mal eine Band und ich hatte noch nie eine, also ich würde gerne mal mit einer Band arbeiten, und mit oder bei Christoph Marthaler, das sag ich jetz einfach so lange bis er es hört.

Wie viel Markt verträgt die Kunst?

Puh.

Und wie viel Kunst verträgt der Markt?

Viel.

Wofür würden Sie Ihr letztes Geld ausgeben?

Ich würde gerne sagen: alte Platten, Tagebücher meiner Idole, den Regenwald, an die Caritas spenden oder Amnesty, einmal noch ins Theater gehen oder eine neue Gitarre.
Aber wahrscheinlich wärs Benzin, Bier, Pizza und Kaffee.

Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

Immer noch im Spiegel.

Haben Sie einen Plan B?

Dafür bräuchte man einen Plan A.

Wann und wo sind Sie das letzte Mal unangenehm aufgefallen?

Gestern, da bin ich ohne zu blinken blöd abgebogen.

Wollen Sie die Welt verändern?

Wollen, können oder müssen.

Service

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