Mephisto (Bibiana Beglau) und Faust (Werner Wölbern)

APA/BURGTHEATER/MATTHIAS HORN

Theater

Kusej inszeniert "Faust" am Burgtheater

Den Premierenreigen im ersten Monat seiner Direktionszeit am Wiener Burgtheater setzt Martin Kusej heute Abend mit seiner Inszenierung von Goethes Tragödie "Faust" fort. Es ist eine Übernahme aus dem Münchner Residenztheater, wo Kusej das Stück schon vor fünf Jahren erarbeitet hat. Es ist eine neue Fassung, in die auch Teile von "Faust II" gewoben sind, mit Werner Wölbern als Faust, Andrea Wenzl als Gretchen und Bibiana Beglau als Mephisto.

"Habe nun, ach, …" - auf die Anfangsworte des Fausts wartet der Zuschauer im Burgtheater vergeblich. Sie kommen ebenso wenig, wie die dem Stück vorangestellte Zueignung, das Vorspiel auf dem Theater oder den Prolog im Himmel.

Morgenjournal | 27 09 2019

Katharina Menhofer

Faust auf der Suche nach dem Kick

"Ich tu das sehr gerne: Das, worauf die Menschen warten, wegzulassen, eine Leerstelle zu lassen - ganz gerne mit dem Wissen des Publikums spielen", sagt Regisseur Martin Kusej, der das Publikum aus der verstaubten Studierstube heraus und an gänzlich neue Orte führt: in schäbige Bordelle und dröhnende Technodiscos, zu Drogendealern und Selbstmordattentätern, in Kampfarenen und zu Sexorgien.

Intermezzo | 29 09 2019 | Bibiana Beglau im Gespräch

Katharina Menhofer

Mephisto (Bibiana Beglau), Faust (Werner Wölbern) und Margarete (Andrea Wenzl)

Mephisto (Bibiana Beglau), Faust (Werner Wölbern) und Margarete (Andrea Wenzl)

APA/BURGTHEATER/MATTHIAS HORN

Ein Osterspaziergang wird das keiner - eher eine lange Walpurgisnacht, Den alten Mann, der die Sexualität entdeckt, hält Kusej für wenig zeitgemäß und etwas lächerlich: "Wenn man versucht, das zu aktualisieren, dann kommt man, wenn man vor allem ‚Faust II‘ liest, zu einem Mann, der die Welt beherrscht, der keinen Gott mehr nötig hat. Er ist so mächtig geworden, dass Gott obsolet ist."

Margarete (Andrea Wenzl) und Faust (Werner WWölbern)

APA/BURGTHEATER/MATTHIAS HORN

Dieser weiße, reiche Mann, ist sein eigener Gott und strebt nicht nach Erkenntnis, sondern nach dem ultimativen Kick. "Wo ist der Kick, was ist besser als eine Walpurgisnacht, besser als eine Nutte oder besser als Kokain? - Dabei sind wir an Grenzbereiche gestoßen, Narcos Szene in Mexiko, der Kitzel des Terrors, oder Drogensituationen, und in diese Grenzbereiche führt Mephisto diesen Faust."

Wo kein Gott, da kein Teufel

Der Mephisto - ein androgynes schwarzes Wesen -, an dessen Rücken, die Narben der ausgerissenen Engelsflügel schmerzen, ist selbst in der Sinnkrise, denn wo kein Gott, da kein Teufel. Bibiana Beglau, wurde für ihre facettenreiche Darstellung in München zu Recht mit dem Theaterpreis "Faust" ausgezeichnet.

Wie Popcorn stopft sie Hostien in sich hinein und zeigt ihre blutige Zunge, lässt sich von der Hexe melken oder macht sich mit Fleischerschürze daran, Faust die Kugel aus dem Leib zu ziehen. Die Gretchentragödie, die erst nach der Pause des dreistündigen Abends verhandelt wird, bietet auch keinen Hoffnungsschimmer. Das von Faust verführte Mädchen, dass schließlich dem Wahnsinn verfällt, spielt Andrea Wenzel.

Kusejs "Faust III"

"Ich finde das sehr bedenklich, weil es keine Kategorie mehr gibt, die hier eine Art von Wertigkeit gibt oder eine Kontrolle. Da ist eine Ratlosigkeit. Ich würde mir wünschen, dass Goethe noch einen Teil III geschrieben hätte, vielleicht hätte er da eine Antwort gehabt", so Kusej.

So eine Art dritten, dystopischen Teil dieses "Faust" liefert Kusej jetzt - mit der aktualisierten Mischfassung aus Teil eins und zwei selbst ab. Ganz nach dem Motto: Ich bin mein eigener Goethe. Und wer starke Nerven, ein sonniges Gemüt und einen guten Magen hat, sollte sich das nicht entgehen lassen.

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