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ORF-Digitalstrategie

Die Neu-Erfindung der blauen Seite

Der ORF ist dank der berühmten blauen Seite auch online Marktführer. Fast 1,1 Millionen Nutzer und Nutzerinnen informieren sich jeden Tag auf ORF.at, wie die brandaktuelle Reichweitenstudie ÖWA plus ergeben hat. Ein neuer Rekordwert, und es ist bereits das dritte Mal, dass die Millionengrenze überschritten worden ist. Vater der "blauen Seite" ist Franz Manola, Unternehmensstratege des ORF. Und der steckt mitten in einem wichtigen Projekt: der Entwicklung des ORF-Players, dem Herzstück der öffentlich-rechtlichen Digitalstrategie.

Der Player, das wird der Dreh- und Angelpunkt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Netz. Eine Plattform, die man via App auf dem Handy, aber auch auf jedem Computer und Smart-TV ansteuern kann. Dafür hätte ORF-Chef Alexander Wrabetz gern eine rasche Novelle des ORF-Gesetzes von der nächsten Regierung, der ORF soll Inhalte auch vorrangig und ausschließlich fürs Netz produzieren dürfen. "Online first" und "Online only", das was alle machen - das ist dem ORF derzeit verboten. Dass Inhalte nach sieben Tagen depubliziert werden - also aus dem Netz verschwinden müssen, soll jedenfalls fallen. Darüber herrscht politischer Konsens, darüber hinaus gibt es positive Signale.

Franz Manola

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Franz Manola über den geplanten ORF-Player

"Da wir mindestens so sehr ein Radio- wie ein Fernsehunternehmen sind, unserem ganzen genetischen Code nach, lege ich viel Wert darauf, zu sagen: das ist ein Video- und Audioangebot - ich habe auch nichts dagegen, wenn jemand sagt, das ist ein Audio- und Videozusatzangebot zur 'Blauen Seite'".

Politik muss digitalen Spielraum geben

Laut Wrabetz immer mit dem Nachsatz der politischen Gesprächspartner: "Wenn es nach Möglichkeit nicht allzu großen Wirbel mit den anderen Marktteilnehmern auslöst." Und das könnte leicht sein, denn der Verband der Österreichischen Privatsender (VÖP) hat gerade erst ein Forderungspapier mit dem Titel "Medienzukunft Österreich" vorgelegt, das ORF-Programme wie Ö3 bei einer Umsetzung massiv beschädigen würde: indem etwa Österreich-Quoten bei der Musik vorgeschrieben werden sollen oder fixe Vorgaben für Information und Unterhaltung, auf die einzelnen ORF-Medien bezogen statt auf das Gesamtprogramm. Gefordert werden auch noch strengere Regelungen für die ohnehin limitierten Werbezeiten.

Private wollen beim ORF-Player mitreden

In dem Papier der Privatsender, das der Sprecher der FPÖ-Stiftungsräte, Franz Maurer, schlicht als "Schmarrn" bezeichnet hat, steht auch der Satz: "Zusätzliche Freiheiten für den ORF im digitalen Raum müssen von der Zusammenarbeit mit privaten Medien abhängig gemacht werden." Sprich: die Privaten wollen bei der ORF-Digitalstrategie mitreden – und einer, der im VÖP viel zu sagen hat, lässt keinen Zweifel daran, was er nicht will. Nämlich Markus Breitenecker, Österreich-Chef der deutschen Medien-Gruppe ProSieben.Sat1, an der auch Silvio Berlusconi zu zehn Prozent beteiligt ist. Breitenecker sagt, der ORF brauche keinen eigenen Player. Der ORF solle seine Inhalte besser über die Streaming-Plattformen "Zappn" und "Joyn" ausspielen, die dem deutschen Konzern gehören.

Viel mehr als nur eine Streaming-Plattform

Abgesehen davon, dass der ORF seine Zukunft schwerlich in die Hände des größten privaten Mitbewerbers am Fernsehsektor legen kann – Breiteneckers Gruppe lukriert mehr als 40 Prozent der TV-Werbeeinnahmen in Österreich, der ORF liegt bei rund 30 Prozent – abgesehen davon baut Franz Manola mit seinem Team an etwas, das viel mehr sein wird als eine Streaming-Plattform, wo man zeitungebunden TV- und Radio-Formate konsumieren kann. Der ORF-Player wird die Weiterentwicklung von ORF.at sein, quasi die "blaue Seite" 2.0, wie es Manola beschreibt: "Der blauen Seite fehlt die Audio- und Video-Dimension, die wird durch den Player jetzt ergänzt werden. Das ist ein Zusatzangebot zur blauen Seite."

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"ORF ON" - TV-Guide mit Feedback-Schleife

Mit Jahresende soll die Radiothek online gehen, sie wird wie die TVthek fixer Bestandteil des künftigen ORF-Players sein. Und im Laufe des nächsten Jahres kommt der Social Program Guide, für Franz Manola ist das der entscheidende Teil des Players. Heißen wird das Ding "ORF on" von "On air", und man wird über diese App alle vier ORF-Fernsehkanäle erstmals rund um die Uhr streamen können. Die Sendungsmacher selber präsentieren dort topaktuell ihre Inhalte, die User können über die App direkt Feedback geben. Etwas völlig Neues, ein Dialog auf Augenhöhe, befindet Manola: "Rund um die Sendungen wird ein Forum entstehen. Das Fernsehen ist wahrscheinlich der größte Stichwortgeber für soziale Interaktionen im Netz. Die Feedback-Schleife wird unsere Produktionen deutlich relevanter machen."

Die E-Mobilität des Medienkonsums

Der ORF-Player wird ein eigenes Medium mit Channels für Information, Kinder, Sport und Kultur sein – dazu das ganze ORF-Angebot komplett anders aufbereitet, zusätzlich zu den bisherigen Ausspielkanälen. Franz Manola verwendet ein Bild aus der Automobilbranche: "Die traditionellen Broadcast-Kanäle sind wie die Schlote von Verbrennungsmotoren, die 24 Stunden Inhalte ausstoßen, die sehr oft an mir vorbeirauchen, weil ich sie nicht in meinen Lebensabläufen unterbringe. Der Player ist verglichen damit die E-Mobilität, er wird die Nutzung des jetzigen Inhalts ausweiten."

Neue Herausforderung für die Redaktionen

Bespielen sollen den Player die bestehenden Redaktionen, mit neuen - also eigens für den Player produzierten Formaten. Eine Herausforderung, räumt ORF-Chef Alexander Wrabetz ein: "Das wird schon noch eine große Umstellung sein für die Redaktionen, aber auch eine Chance, weil der Player so viele neue Möglichkeiten bietet." Wrabetz sagt etwa über den Info-Kanal auf dem Player, dass dieser sinnvoller sei als ein Nachrichtensender, der rund um die Uhr läuft und moderiert wird. "Da wird es 24 Stunden durchgehend aktuelle Videos geben, das ist die Zukunft." Und fallweise, also ereignisbezogen, könnte es auf dem Info-Channel dann auch längere moderierte Strecken geben, so der ORF-Chef.

Im ORF soll das Podcast-Zeitalter anbrechen

Dem Player-Entwickler Franz Manola ist der Audio-Bereich mindestens so wichtig wie das Bewegtbild. "Sound Park" soll der heißen, und dort soll es neben einer entsprechenden Aufbereitung der Radio-Programme des ORF auch zusätzliche Angebote geben. Manola will dort vor allem Podcasts präsentieren, die sollen von ORF-Leuten kommen, aber auch von außen. Der Player soll eine Bühne sein "für die unabhängige Podcast-Szene, die sich schon entwickelt hat, aber von der ich erwarte, dass sie sich noch viel größer und pluralistischer weiter herausbilden wird“, prognostiziert Manola. Podcasts seien die Zukunft, weil man damit viel engere Interessensgruppen ansprechen könne als mit einem klassischen Radio-Programm, das ausgestrahlt wird.

Der Player soll also offen sein für Inhalte der Nutzerinnen und Nutzer des ORF-Angebots, auch was Videos und Kurzfilme betrifft, für die das Fernsehen eine Nummer zu groß ist. Dafür wird es den "Open Space geben", wo Bewegtbilder von Usern hochgeladen werden können.

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