AP/MICHAEL GRUBER
FPÖ
Die blaue Medienmacht schwächelt
Rauer Wind aus der "Kronen Zeitung" und das Wegbrechen der Facebook-Supermacht: Das über zehn Jahre aufgebaute blaue Medienimperium ist schwer beschädigt, wie die FPÖ bei der Wahl deutlich zu spüren bekommen hat. Ob es wieder zu alter Größe gelangen kann, ist fraglich.
4. November 2019, 02:00
Ein Absturz um zehn Prozent. Die Stimmenverluste für die FPÖ bei der Nationalratswahl waren unerwartet hoch. Mit knapp mehr als 16 Prozent fahren die Freiheitlichen vier Monate nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos am 17. Mai das schlechteste Ergebnis bei einer Nationalratswahl seit 2006 ein.
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#doublecheck | 04 10 2019
Letztlich war es nicht die Ibiza-Affäre, die das Fass nach Meinung vieler Beobachterinnen und Beobachter zum Überlaufen brachte, sondern die Spesen-Causa rund um Ex-FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache, die nur sechs Tage vor der Wahl aufpoppte. Dem ehemaligen Vizekanzler wird vorgeworfen, exzessiv Spesen kassiert und seiner Partei auch jahrelang falsche Spesen verrechnet zu haben. Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt deswegen gegen Strache, seinen ehemaligen Leibwächter und eine ehemalige FPÖ-Mitarbeiterin.
Wahlkampf-Finale im Spesen-Strudel
Der Vorwurf der persönlichen Bereicherung wiegt für die Partei-Sympathisanten offenbar besonders schwer. Die FPÖ konnte wenige Tage vor der Wahl nicht mehr dagegenhalten, auch wenn sie es sichtlich probiert hat. So veröffentlichte FPÖ-Spitzenkandidat Norbert Hofer auf Facebook und YouTube nur zwei Tage nach Bekanntwerden der Spesen-Affäre ein Video, in dem einerseits versprochen wird, alle Vorwürfe gegen Strache zu überprüfen, gleichzeitig aber auch vor dem "verbrecherischen Anschlag der Ibiza-Produzenten" auf die Demokratie gewarnt wird.
Das Video wird insgesamt über eine Million Mal geklickt, auch deshalb, weil die FPÖ den Clip kräftig bewirbt, wie die Transparenzberichte von Google und Facebook zeigen. Allein auf Facebook hat die FPÖ in den letzten sieben Tagen vor der Wahl 100.000 Euro für Werbung ausgegeben, hat Digitalexpertin Ingrid Brodnig beobachtet. Das sei besonders viel.
Noch eine volle Ladung Werbung
Auffallend an der Last-minute-Werbe-Aktion der Freiheitlichen: Auf den Google-Werbe-Bannern, die täglich geschalten wurden und zu dem Video führten, sind weder Parteilogo noch die blaue Parteifarbe zu sehen. Auf gelbem oder rotem Hintergrund steht unter anderem "FPÖ-Spesen: Die Fakten" oder "Die Wahrheit über die FPÖ". Nur klein in der Ecke und in zarter Schrift findet sich der Hinweis, wer die Werbung bezahlt hat.
Handwerkliches Detail zur Krisenkommunikatiom der FPÖ: Sogar am Wahltag haben die noch (hier z. B. auf oe24, optisch daran angepasst) Online-Werbung zum Thema FPÖ-Spesen platziert, um Leute auf die Hofer-Videobotschaft umzulenken. Nicht doof, aber der Skandal war halt zu groß. pic.twitter.com/qGoAT6aCPh
—">https://t.co/qGoAT6aCPh">pic.twitter.com/qGoAT6aCPh— Stefan A. Sengl (@stefansengl) September">https://twitter.com/stefansengl/status/1178628246340079616?ref_src=twsrc%5Etfw">September 30, 2019
Die viele Werbung deutet darauf hin, dass die Gefahr, die von den Spesen-Vorwürfen ausgegangen ist, erkannt worden ist. Der Absturz um zehn Prozentpunkte konnte dennoch nicht mehr gestoppt werden. Geschuldet ist der massive Stimmenverlust auch der Implosion des blauen Medienimperiums, glaubt Digitalexpertin und Autorin Ingrid Brodnig. Die Strache-Facebook-Seite als Dreh- und Angelpunkt der Macht der FPÖ im Netz, das war einmal. Aus Sicht der FPÖ eine Tragödie: "Die FPÖ hat zehn Jahre lang den stärksten Account der Politik auf Facebook aufgebaut und jetzt können sie den nicht mehr richtig nutzen." Immerhin hat Strache knapp 800.000 Facebook-Fans, mehr als jede andere Politik-Seite in Österreich.
Wenn dich die "Krone" tief fallen lässt
Die Präsenz in den sozialen Netzwerken war eine bewusst gesetzte Strategie der FPÖ, weiß Wahlforscher Christoph Hofinger vom SORA-Institut. "Die FPÖ hat immer danach getrachtet, nicht von den klassischen Medien abhängig zu sein und deswegen stark auf Facebook gesetzt." Darüber hinaus habe sich die „Kronen Zeitung“ nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos gegen die FPÖ gewandt, so Hofinger: "Diese mediale Umgebung war die schwierigste für die FPÖ seit vielen Jahren."
Sorry. pic.twitter.com/Zc133LurnZ
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Mit Schlagzeilen wie "Strache: Verleumdung, Verrat, verschwitzte Wäsche" oder "Wie viele Strache-Skandale verträgt die FPÖ noch?" machte es das größte Boulevardblatt der FPÖ wahrlich nicht leicht. Ein letztes Refugium fand die FPÖ noch in der oe24-Gruppe von Wolfgang Fellner, wo sich auch Richard Schmitt hin geflüchtet hat. Online-Chefredakteur Schmitt war bei der "Krone" in Ungnade gefallen, nachdem ihn Strache auf dem Ibiza-Video lobend erwähnt hatte.
Kein Kanal für die alternative Erzählung
Dennoch fehlte der FPÖ ein Kanal, um die ganz eigene Sicht der Dinge zu verbreiten. Genau das sei nämlich bis vor kurzem gegangen, weiß Brodnig. "Eine Stärke der Freiheitlichen war immer, dass sie auf Facebook die alternative Erzählung liefern konnten." Stand die Partei in der Kritik, gab es im Netz ausreichend Platz und vor allem Reichweite für die große Gegenerzählung. Dort konnte etwa der Finger auf die "böse berichtenden Medien oder das fiese Establishment" gerichtet werden.
Dass dieses Spiel just dann nicht gespielt werden kann, wenn die eigene Glaubwürdigkeit angezweifelt wird, wirkte sich fatal aus. Generell gilt es in Krisen schnell, transparent und proaktiv, also ohne Drängen anderer, zu handeln, weiß die Expertin für Krisenkommunikation und Medientrainerin Regina Jankowitsch. Nichts davon sei aber passiert, Strache sei nicht vor die Tür gesetzt worden, so Jankowitsch.
Eine Bombe ist bis zum Wahltag scharf
Mit den Verlusten der Freiheitlichen hat sich auch die immer noch verbreitete Ansicht als Märchen herausgestellt, dass Ereignisse knapper als zwei Wochen vor einer Wahl keinen Einfluss mehr auf den Ausgang hätten. Regina Jankowitsch verweist diesbezüglich auf eine neue US-Studie und auch auf ein prominentes Beispiel aus den USA. Die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton sei durch die E-Mail-Affäre ebenfalls nur wenige Tage vor der Wahl zu Fall gebracht worden. Die Vorwürfe, mit Staatsgeheimnissen zu locker umgegangen zu sein, gingen auch deshalb tief ins Mark, weil Clinton ähnlich wie Strache zum Zeitpunkt der Anwürfe bereits schlechte Imagewerte gehabt habe. "Beide waren schon im Sinkflug", so Jankowitsch - und dadurch noch leichter angreifbar.
"Strache" ist jetzt vorsorglich eine Marke
Spannend bleibt, wie die FPÖ mit Straches Facebook-Seite künftig umgehen wird. Im Parteivorstand am Dienstag war das laut einem Sitzungsteilnehmer noch kein Thema. Faktum ist, dass es schwer sein wird, eine ähnlich mächtige Seite aufzubauen. Straches Seite wurden von der Partei mittlerweile als Marke deklariert - wohl um in einem möglichen Rechtsstreit mit Facebook um die Seite bessere Karten zu haben.