ORF/URSULA HUMMEL-BERGER
Schwarz-grüne Medienpolitik
Duell statt Duett in der Medienpolitik
Würden die Grünen tatsächlich mit der ÖVP in eine Regierung gehen, dann ist es mit der Harmonie in Sachen Medien wohl vorbei. Die beiden Parteien haben völlig gegensätzliche Vorstellungen in ziemlich vielen Punkten der Medienpolitik. Von ORF, über Presseförderung bis hin zum digitalen Vermummungsverbot.
4. November 2019, 02:00
"Ich finde, wir waren schon auf einem guten Weg, weil da ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat", sprach ÖVP-Mediensprecher Karl Nehammer in der traditionellen medienpolitischen Diskussion zum Abschluss der Österreichischen Medientage. Statt dem Match Private gegen ORF habe man auf Kooperation gesetzt, und die brauche es im Kampf gegen die weltweit dominierenden Internet-Konzerne aus den USA.
Die gescheiterten Koalitionspartner ÖVP und FPÖ waren sich in Sachen Medienpolitik ziemlich einig. Die ÖVP will die kommerziellen Privatsender fördern, ein digitales Vermummungsverbot, keine Haushaltsabgabe für den ORF und den Boulevard bei der Presseförderung nicht vergrämen.
APA/HANS PUNZ
"Es wäre alles nur verbösert worden"
Eine Agenda, die der Neo-Abgeordneten der Grünen und früheren Rektoren-Chefin Eva Blimlinger gründlich gegen den Strich geht. "Ich bin froh, dass eineinhalb Jahre nichts passiert ist, denn es wäre alles nur verbösert worden", sagt sie in der Diskussion. "Sonst wären wir schon am Gängelband des Budgets." Ein Seitenhieb auf die FPÖ-Forderung, die GIS-Gebühr abzuschaffen. Die Freiheitlichen sagen, man sei mit dem damaligen Kanzler Sebastian Kurz und dem damaligen Medienminister Gernot Blümel in der Frage der Gebühr schon handelseins gewesen. Doch die ÖVP-Landeshauptleute hatten auch schon den Aufstand geprobt, fix war noch nichts.
Weit auseinander, was den ORF betrifft
Eva Blimlinger ist mit den Themen vertraut, sie war bis 2017 zehn Jahre lang ORF-Publikumsrätin, entsandt von der Grünen Bildungswerkstatt. Sie gilt als aussichtsreiche Anwärterin auf den Job der grünen Mediensprecherin im Parlament. Blimlinger fordert die Sicherstellung des öffentlich-rechtlichen Auftrags für den ORF und eine radikale Neuordnung des Stiftungsrats quasi per Neugründung, um die Abhängigkeit von der Politik zu reduzieren. Als Sofortmaßnahme schlägt sie vor, dem ORF wieder die 60 Millionen Euro zu ersetzen, die dem öffentlich-rechtlichen Medienhaus jährlich durch die Gebührenbefreiungen entgehen.
Gremienreform auf der Agenda der Grünen
ÖVP-Mann Karl Nehammer will über den öffentlich-rechtlichen Auftrag diskutieren, der ORF soll per Gesetz zur Kooperation mit den Privaten verpflichtet werden. Von einer Gremienreform möchte die ÖVP am liebsten die Finger lassen, weil sie den Zorn der Länder fürchtet, sollte deren Einfluss im ORF-Stiftungsrat geschmälert werden. Der Verband Österreichischer Privatsender VÖP – für den die ÖVP immer ein offenes Ohr hatte – fordert aktuell, dass der ORF für jeden einzelnen Sender fixe Programmvorgaben kriegen soll. Die Privatsender argumentieren, dass nur "Public Value" öffentlich gefördert werden solle und dass auch sie diesen Mehrwert mit vielen Sendungen lieferten.
Privatrundfunk-Förderung neu gewichten
Die Förderungen für Privatsender – zuletzt ist der Topf von 15 auf 20 Millionen Euro aufgestockt worden, eine der wenigen konkreten schwarz-blauen Maßnahmen in der Medienpolitik - will die Grüne Blimlinger anders gewichten, ihr Motto: "Nicht-Kommerzielle rauf, Kommerzielle runter." Die Grünen haben sich zum Beispiel in Wien, wo Blimlinger auf der grünen Landesliste für den Nationalrat kandidiert hat, dafür stark gemacht, dass der Community-Sender Okto von der Stadt subventioniert wird - mit einer Million Euro pro Jahr. Was den Grünen einmal eine massive Kampagne aus dem Hause Wolfgang Fellner eingebracht hat. Der Gründer der Gratiszeitung "Österreich" hat damit auf Aussagen von Seiten der Grünen geantwortet, wonach der Fluss öffentlicher Gelder in Richtung Boulevard gebremst werden soll.
Eva Blimlinger lässt sich dadurch nicht schrecken. Sie hält Förderungen für reichweitenstarke und profitable Boulevardzeitungen für nicht notwendig und sagt das auch. Ihre Worte: "Medienunternehmen, die hohe Gewinne machen, auch noch zu subventionieren, weil sie eine hohe Auflage haben – das ist ja vollkommen widersinnig."
Klarnamen-Pflicht für Grüne nicht sinnvoll
Und noch zwei Punkte, die zeigen, wie weit Schwarz und Grün auseinander liegen. Karl Nehammer betont, dass Privatmedien durch die Kooperation mit dem ORF auf dem Werbemarkt profitieren sollen, um sich besser gegen die digitale Welt-Konkurrenz zu behaupten. Blimlinger sagt dazu nur: "Österreich gegen Google und Facebook - Auftrag haben wir da keinen." Auch im Kampf gegen Hass im Netz sind ÖVP und Grüne völlig uneins. Die ÖVP will die Klarnamenpflicht, die durch den Koalitionsbruch nicht mehr beschlossen wurde und mittlerweile auch von der FPÖ abgelehnt wird, die damals noch mitgemacht hätte.
Für jemanden, der im Netz angegriffen werde, müsse die Chance der rechtlichen Verfolgung gegeben sein, beharrt Nehammer auf dem "Gesetz für Sorgfalt und Verantwortung im Netz", das im Entwurf ja vorliegt. Blimlinger kontert, so ein Gesetz bringe nichts, weil diejenigen, die Hass im Netz posten, "das auch unter Klarnamen machen. Deshalb ist das, glaube ich, nicht sinnvoll".