Ade Darmawan - AP/Ryohei Moriya
Künstlerkollektiv
Vor documenta: Ruangrupa in Wien
Künstlerkollektive sind in der internationalen Kunstszene ein neuer Trend - seit zu Jahresbeginn die Leitung der documenta 15 dem indonesischen Künstlerkollektiv Ruangrupa anvertraut wurde. Ist sie doch die renommierteste Kunstschau der Welt, die alle fünf Jahre in Kassel über die Bühne geht; das nächste Mal 2022. Gestern waren Vertreter von Ruangrupa in der Wiener Secession zu Gast, um ihre Ideen für die nächste documenta zu präsentieren.
23. November 2019, 02:00
Morgenjournal | 22 10 2019
Etwa zehn Personen umfasst das Kollektiv Ruangrupa - Männer und Frauen. Nur einer von ihnen habe schon einmal eine documenta besucht. Die Medienresonanz schon bei der Bestellung im Feber zwiegespalten: Während sich die einen auf einen frischen, nicht-europäischen Wind für Kassel freuten, hielten andere die Bestellung eher für einen Witz. So wenig entspricht das Kollektiv den gängigen Vorstellungen der internationalen Kunstwelt. Obwohl Ruangrupa in den letzten Jahren bei den größten Kunstbiennalen der Welt mit Projekten vertreten war.
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Neue Formen der Kunstproduktion
Seit 2015 arbeitet Ruangrupa in Jakarta in einem Lagerhaus in einem interdisziplinären Künstlernetzwerk. Die Ergebnisse der Zusammenarbeit werden mit Ausstellungen, Filmvorführungen, Musikkonzerten oder Zeitschriftenveröffentlichungen vorgestellt. Für die documenta 2022 gehe es darum, möglichst viele solcher sozialen Organismen und Ideen auf der ganzen Welt zu finden und davon zu lernen, sagt Ade Darmawan vom Kollektiv.
Muslimische Leitung und die Frauen
Aus einem Land kommend, das mit über 191 Millionen Muslimen der Staat mit der größten muslimischen Bevölkerung weltweit ist, merkt Ade Darmawan kritisch an: "Bisher habe der muslimische Glaube vor allem die männliche Seite Gottes gezeigt - mit Aggressivität, Strafe und Rache." Ein Ziel der documenta werde es sein, "verstärkt die weibliche Seite Gottes zur Geltung zu bringen".
Daher sei es wichtig, Künstlerinnen bei der documenta zu präsentieren, von denen es auch in der muslimischen Welt viele gäbe, wie er beteuert. Als Beispiel nennt er die indonesische Frauenband Nasida Rida, die seit den 1970er Jahren in der muslimischen Welt sehr bekannt ist. Ade Darmawan ist mit ihren Liedern aufgewachsen. Die Überlebensstrategien und der Wissenstransfer innerhalb der Band könnten beispielgebend für die Documenta sein.
Abfallfrei und geringe CO2-Bilanz
Außerdem denke man über eine abfallfreie Ausstellung nach, bei der künstlerische Arbeiten zum Thema Ernährung und Politik präsentiert werden oder Künstler, die ökologische Landwirtschaft als eine Art politisches Statement betreiben. Weiters sieht es Ruangrupa als große Herausforderung, wie die CO2-Bilanz einer Weltkunstschau möglichst niedrig zu halten ist, zu der etwa eine Million Besucher nach Kassel reisen wird.
Keine kleinen Ambitionen also, die Ruangrupa für die documenta 2022 hat. Man darf gespannt sein, wie ein kleines Kollektiv - von der Peripherie an die Spitze des Weltkunstzirkus katapultiert - diesen verändern wird. Zweieinhalb Jahre sind ja noch Zeit.