Eine virtuelle Nachstellung von brennenden Panzern

AP/TED S.WARREN

Matrix

Virtual Bundesheer

Virtual Reality assoziieren viele Menschen vorrangig mit Spielen. Man setzt sich eine Brille auf, die einen akustisch und visuell von der Außenwelt abschirmt, und kann so komplett ins Spiel eintauchen. Beim Bundesheer macht man sich die Technologie zunutze, um heikle, mitunter lebensbedrohliche Szenarien durchspielen zu können.

Sebastian, ein Rekrut, der vor vier Monaten eingerückt ist, steht am Übungsplatz der Pioniere in Melk und starrt auf den leeren Übungsplatz. Vor dem Mischwäldchen, dass das Trainingsgelände umgibt, steht ein Panzer. Gleich neben Sebastian, auf der rechten Seite befindet sich eine Baracke.

"ich kann ein Kind erkennen. Es weint. Soll ich mich auf das Kind zu bewegen? Ich sehe eine Verletzung am rechten Unterarm, es sieht aus, als ob es während einer Kampfhandlung verletzt worden ist. Es ist ein bisschen furchteinflößend."

Die übrigen Rekruten sitzen hinter ihm, ein wenig abseits, auf Holzbänken und beobachten Sebastian, der scheinbar ins Nichts starrt. Denn das verletzte Kind hört und sieht nur er. Es ist ein Hologramm, das über einen Computer in seine modifizierte Virtual Reality-Brille eingespielt wird. Das simulierte Szenario ist eines von vielen, die in der Führungskräfte-Ausbildung des Bundesheeres zum Einsatz kommen sollen.

Prototyp Ende 2020

Anders als im Virtual Reality-Szenario, wo man durch die Brillen von der Außenwelt abgeschirmt wird und in eine computergenerierte Welt eintaucht, sieht man in diesem Mixed-Reality-Szenario sein reales Umfeld.

In den eigens entwickelten Übungsszenarien, werden Hologramme, die an die Landschaft angepasst sind, in die Brille eingespielt. Trifft Sebastian die richtigen Entscheidungen, startet eine neue Sequenz und er wird in seiner Brille einen Hubschrauber kommen sehen, der auf der Lichtung landet, um das Kind zu retten.

Noch ist es allerdings das Hologramm vom Kind, das mitunter einen halben Meter über dem Boden schwebt. Denn das Projekt befindet sich noch in der Testphase. Derzeit dreht sich alles darum, die passenden Szenarien zu entwickeln, das System zu verbessern und Brille und Sensoren robust genug zu gestalten, dass sie die Feldübungen auch unbeschadet überstehen.

Läuft alles nach Plan könnten die ersten Feldübungen im nächsten Jahr beginnen. Bis zu acht Personen sollen sich dann gleichzeitig, ausgestattet mit entsprechenden Brillen und Sensoren, im Mixed-Reality-Szenario Tummeln.

Mobile GPS-Einheiten und eine modifizierte Hololens

Projektpartner des Bundesheeres ist die Firma RealSim, die auf den Ausbildungs- und Trainingsbereich spezialisiert ist. Auch Philipp Eichinger, Student an der FH Hagenberg arbeitet an der Entwicklung mit. Er kümmert sich um die technischen Abläufe. Denn außer den Brillen selbst braucht es auch kleine Sendemasten, die über das Übungsfeld verteilt sind.

Sie erfassen, wo sich die Übungs-Teilnehmerinnen und Teilnehmer gerade befinden. Sie ermöglichen es auch, die passenden Trainingsszenarien in die Brillen einzuspielen, beziehungsweise die virtuellen Situationen vorab einzuspeisen und zu automatisieren.

Passieren die Soldatinnen und Soldaten den Senderadius, lösen sie ein Hologramm aus, das dann als Übungsszenario in der Brille erscheint. Wie man es von Computerspielen kennt, zieht auch eine Fehlentscheidung eine entsprechende Konsequenz und ein neues Szenario nach sich, dem sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dann stellen müssen.

Mixed Reality bei der ABC-Abwehr

Nicht nur gefährliche und kostspielige Übungsszenarien, wie etwa Hubschrauber- oder Flugzeugeinsätze soll das Heer künftig weitaus günstiger mit der Hilfe von Mixed-Reality trainieren können, sondern auch Szenarien, die man in der Realität schlicht nicht nachstellen kann, wie etwa in der ABC-Abwehr.

Im Trainingslabor der Projektpartners, der Technischen Universität Wien, wird derzeit der Demonstrator, der Vorläufer vom Prototypen, getestet und weiterentwickelt. In dieser Vorstufe der Entwicklung und dem Erproben von Konzepten ist die Ausrüstung noch nicht komfortabel, aber erfüllt ihren Zweck.

Neben der obligaten Brille, in die Szenarien oder Hologramme eingespielt werden, ist über der Kampfweste auch ein sogenannter Motion-Capture-Anzug montiert. Jede Menge Kabel und Sensoren verbinden die Teilnehmer untereinander und mit dem Operator, damit sie sich abstimmen können. In dazugehörigen Rucksack befindet sich ein Computer, der die Daten des Teilnehmers verarbeitet und an den Hauptserver des Operators sendet, beziehungsweise Befehle empfängt. Bestimmte Geräte, wie etwa einen Feldstecher, gibt es nur Virtuell. Ein roter Knopf auf der Brust öffnet ein Options-Menü. Drückt man mit der Hand drauf, bekommt man, wie in einem Computerspiel, eine Menü-Auswahl und Gegenstände, auf die man zugreifen kann.

Ein eigener kleiner Begleit-Roboter soll dafür sorgen, dass die Szenarien nicht nur realistisch aussehen, sondern sich auch so anfühlen, erklärt Hannes Kaufmann Leiter der Arbeitsgruppe Virtual und Augmented Reality an der TU-Wien. "Der Roboter begleitet eine Person quasi als persönlicher Assistent. Wenn ich Dinge angreifen möchte, kann er mir Gegenstände reichen oder kann auch Widerstand liefern. Ich kann zum Beispiel eine Wand berühren und der Roboter hält ein Holzbrett hin und ich denke ich berühre eine Wand."

Weltweiter Vorreiter

Damit mehrere Personen im Team trainieren können, war es wichtig, das System stabil und robust zu gestalten. 16 Gigabyte Ram und die neuesten Grafikkarten sind dafür die Mindestvoraussetzung. Die High End - Rechner sorgen dafür, dass es während der Simulationen zu keinen Störungen oder einem Ruckeln im Bild kommt, damit die Szenarien für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer so realistisch wie möglich bleiben. Eine weitere Finesse des Systems ist die Möglichkeit, reale Instrumente und Geräte in die virtuelle Welt zu integrieren.

Das Mixed-Reality-Projekt für die ABC-Abwehr ist vor fünf Jahren mit einer Machbarkeits-Studie gestartet und wurde Anfang des Jahres mit der Entwicklung des Demonstrators abgeschlossen. Es sucht im Bereich der ABC-Abwehr seinesgleichen, so der Leiter des Referats Wissensmanagements an der Landesverteidigungsakademie des Bundesheeres, Johannes Göllner. "Seitdem wir das entwickeln, sind wir nach wie vor in der Front-Runner-Position in der ABC-Abwehr weltweit. Das wird nicht nur in Österreich, sondern auch international so gesehen. Das heißt, das existiert in dieser Form bei den NATO-Streitkräften nicht als Trainingsinstrument. Also bis hierher haben wir es mal geschafft, als Front-Runner präsent zu sein."

Ein funktionierender Prototyp soll die Führungsposition festigen.

Gestaltung

  • Sarah Kriesche