Szene aus Effi Briest

APA/ROLAND SCHLAGER

Neuerscheinungen

Bücherreigen zum Fontane-Jubiläum

Am 30. Dezember wäre der Verfasser von Romanen wie "Effi Briest" und von Balladen-Klassikern wie "John Maynard" 200 Jahre alt geworden. Zu Fontanes Jubiläum sind gleich mehrere große Biografien erschienen, man gedenkt des humorvollen Preußen aber auch in zahlreichen Tagungen, Kongressen und Symposien - ein Schriftsteller, der auch heute noch polarisiert.

Er ist, auch fernab seiner preußischen Heimat, einer der meistgelesenen deutschen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, übersetzt unter anderem ins Arabische, Türkische, Japanische und Koreanische: Theodor Fontane. Romane wie "Der Stechlin" und "Effi Briest" gehören bis heute zum unverrückbaren Kanon deutscher Erzählkunst.

"Man muss die Musik des Lebens hören.
Die meisten hören nur die Dissonanzen." Fontane

Mittagsjournal | 12 12 2019

Günter Kaindlstorfer

Buchumschlag

HANSER VERLAG

Die Zürcher Literaturwissenschaftlerin Regina Dieterle räumt in ihrer 800-seitigen Fontane-Biografie (Hanser) mit manch einem Missverständnis auf: "Ich habe in der Schule - wie viele - gelernt: Theodor Fontane ist das leuchtende Beispiel dafür, dass man nicht sofort etwas werden muss, sondern auch mit 60 noch Weltliteratur schreiben kann. Das stimmt einfach nicht. Das ist wirklich ein Mythos. Er lebt mit der Feder in der Hand eigentlich von Jugend auf."

Lyriker und Journalist

In jungen Jahren, als Lyriker und Journalist, war Fontane ein entschiedener Gegner der Metternichschen Vormärz-Restauration. Der junge Preuße setzte sich für ein geeinigtes und vor allem demokratisches Deutschland ein. Nach der 1848er Revolution wechselte Fontane die Seiten. Nicht zuletzt, um seine Familie ernähren zu können, stellte er seine Schreibkünste und seine kreative Intelligenz in den Dienst des preußischen Staates und der konservativen Presse. Er habe sich "der Reaktion für 30 Silberlinge verkauft", urteilte Fontane damals über sich selbst.

"Fontane hatte ein sehr bewegtes Leben geführt", sagt Iwan-Michelangelo D’Aprile. "Sehr widersprüchlich - mit vielen Brüchen, Berufswechseln, privaten Katastrophen, finanziellen Sorgen."

Antisemit?

Der in Potsdam lehrende Germanist Iwan-Michelangelo D’Aprile hat zum Zweihunderter des Schriftstellers ebenfalls eine gewichtige Fontane-Biografie vorgelegt (Rowohlt). D’Aprile hebt mehr als Dieterle die Modernität des "Effi Briest"-Autors hervor. Auch die immer wieder aufflammende Diskussion über einen gewissen Alters-Antisemitismus, der sich in manchen Fontaneschen Briefen - niemals in seinem Werk - ausdrückt, greift D’Aprile auf:

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ROWOHLT VERLAG

"Was auch die Auseinandersetzung, aus heutiger Sicht, mit Fontanes Antisemitismus nicht erübrigt, aber was auch dazugehört: Seine ganzen jüdischen Freunde haben ihn überhaupt nicht als Antisemiten gesehen, sondern im Gegenteil, noch darauf hingewiesen, dass man das nicht machen könne."

Theodor Fontane, der große Allesversteher, war keineswegs der gemütliche, etwas konservative Erzählonkel, als der er gern dargestellt wird, auf diese Feststellung legt Regina Dieterle Wert. Sie hält den hugenottischen Preußen - neben Jane Austen, Flaubert und einigen anderen - für einen der großen europäischen Romanciers des 19. Jahrhunderts. "Fontane ist ein wirklich bewegender, humaner Erzähler: Das ist unübertroffen, finde ich", so Dieterle.

Service

Regina Dieterle, "Theodor Fontane - Biografie", Hanser-Verlag, München, 832 Seiten
Iwan-Michelangelo D'Aprile, "Fontane - Ein Jahrhundert in Bewegung", Rowohlt-Verlag, Hamburg, 568 Seiten

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