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Ö1 Konzerte

We Are The World

Was steckt hinter dem Video des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien?

Es begann mit der Absage einer Asientournee, doch wenige Wochen später traf es das RSO Wien wie die Kulturszene weltweit: Am Ende der Jubiläumssaison zum 50. Geburtstag sind alle RSO-Konzerte abgesagt, auch jene, die im Juni hätten stattfinden und in Ö1 übertragen werden sollen. Zahlreiche Aktivitäten übersiedeln nun ins Internet, Konzerte werden ohne Publikum und in Quartettbesetzung gestreamt - unter anderem die "Wir spielen für Österreich"-Reihe des ORF mit einem Streichquartett des RSO Wien -, und manchmal fügen sich unzählige Handyvideos zu einem kompletten Orchester. Wie bei "We Are The World".

Die Musiker erhielten zwei Tonspuren, dann brachten sie die Handykameras in Stellung

Die Idee zu der Neuinterpretation des 1980er Klassikers "We Are the World" kam Claudia Teissig, Sendungsverantwortliche für den "Kulturmontag" in ORF 2, als sie die Nachricht hörte, Songautor Lionel Richie plane eine Neuaufnahme anlässlich der Coronakrise. "Warum ihm nicht zuvorkommen, und zwar mit einer österreichischen Version?", fragte sich Teissig und versicherte sich der Mitwirkung des hauseigenen Orchesters sowie eines Quartetts aus Österreichs ESC-Pool: Paenda, Vincent Bueno, Nathan Trent und Cesár Sampson sagten spontan zu. Die symphonische Fassung lieferte der norwegische Komponist und Posaunist Jens Wendelboe; RSO-Fagottist Leonard Eröd machte daraus ein Arrangement, das für alle RSO-Musiker/innen passte, die im "Home-Office" ihre Handykameras in Stellung brachten. Chefin Marin Alsop hob im fernen Baltimore den Dirigentinnenstab.

Aber wie garantiert man, dass ein Orchester, dessen Mitglieder einander weder sehen noch hören, im Takt bleibt? Aufnahmeleiter Erich Hofmann betreut einen Großteil aller RSO-Aufnahmen und realisierte auch "We Are the World": "Wir haben den Musikern zwei Tonspuren geschickt. Auf einer ist ein 'Click', ähnlich einem Metronom, auf dem anderen das am Computer simulierte Arrangement. Das hören die Musiker, während sie ihre eigene Stimme aufnehmen, und weil das RSO Wien in vielen Jahren 'Hollywood in Vienna' reichlich Erfahrungen mit Click-Tracks gesammelt hat, war das Ergebnis sehr präzise. Ich habe dann mit Tonmeister Robert Pavlecka alle Instrumentalstimmen klanglich einander angepasst und zusammengemischt. Dabei haben wir eine klassische Orchesteraufstellung imitiert." Das eigentliche Video, der Zusammenschnitt aller Aufnahmen aus Wohnzimmern und Privatstudios, lag schließlich in den Händen von Dietmar Petschl und Katharina Huemer aus der ORF-Kulturredaktion.

Der Songtext passt in eine Zeit, in der wir zusammenhalten müssen

Seit dem Staffellauf des Videos im "Kulturmontag" vom 20. April hat sich das neue "We Are the World" als Aufmunterung in der Coronakrise bewährt. Claudia Teissig hatte genau dies im Sinn: "Der Songtext passt in eine Zeit, in der wir zusammenhalten müssen. Das Virus unterscheidet nicht zwischen Arm und Reich, Schwarz und Weiß, Ost und West, Nord und Süd." Und sobald das RSO Wien wieder ein Studio betreten darf, liegt Eröds Arrangement noch einmal auf den Notenpulten. Denn das Label Universal möchte den Song veröffentlichen, Austrovinyl übernimmt die Pressung. Die Erlöse kommen dem Kultur-Katastrophenfonds der AKM/austro mechana zugute. "Wenn", so Teissig, "sich eine Tür schließt, geht irgendwo eine andere wieder auf".

Text: Christoph Becher, Intendant des RSO Wien

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