Doppelgefäß aus Holz

VOLKSKUNDEMUSEUM WIEN

Das Objekt der Begierde

Volkskundemuseum Wien

Ein „Doppelgefäß aus Holz“ haben Gesine Stern und Magdalena Puchberger, die beiden Mitarbeiterinnen des Volkskundemuseums Wien, ausgesucht. Hergestellt wurde es etwa um 1900 im Gebiet der heutigen Ukraine. Es handelt sich um traditionelle Handwerkskunst von den Huzulen, einer Gruppe, die in den Karpaten lebt, in den waldreichen Tälern im Grenzgebiet zwischen der Ukraine, Rumänien und Polen. Holz gab und gibt es dort also zur Genüge.

Volkstümliche Brandmalereien verzieren die zwei Mini-Holzfässchen samt Tragegriff und Deckel. Was der praktische Nutzen dieser Handwerkskunst war, ist bis heute nicht geklärt. Vermutlich handelt es sich um eine traditionelle Tupperdose, in der die Huzulen ihr Essen mit aufs Feld nahmen, wenn sie Landarbeit verrichteten.

1911 gelangte das Gefäß ins Volkskundemuseum Wien. Ein Händler namens Luki Jakibiuk verkaufte dem Volkskundler Michael Haberlandt das gute Stück, erzählt Gesine Stern.

Doppelgefäß aus Holz

VOLKSKUNDEMUSEUM WIEN

Erst 16 Jahre zuvor, 1895, hatte Haberlandt das Volkskundemuseum gegründet, „mit dem Anliegen, die Geschichte der Habsburgermonarchie zu dokumentieren und diese als randständig bezeichneten Gebiete, die irgendwie den Reiz des Exotischen hatten, darzustellen durch solche traditionellen Objekte“, so Magdalena Puchberger. „Das Volkskundemuseum in Wien hat sich als eine Art Monarchie-Kompetenzstelle verstanden“, erzählt sie weiter. Man wollte Völker, Ethnien und Nationen über Objekte bestimmen. Aus der Erforschung der „Anderen“ wollte man auch mehr über sich selbst erfahren.

Mehr als ein Gebrauchsgegenstand

Ob das Gefäß tatsächlich jemals in Gebrauch war, ist nicht ganz klar. Es könnte auch sein, dass es einfach nur von Volkskunsterzeugern aus dem Gebiet der Huzulen über einen Händler an das Museum vermittelt wurde, meint Gesine Stern.

Es könnte also sein, dass das Doppelgefäß extra hergestellt wurde, um es gewinnbringend an sammelwütige Ethnologen zu verkaufen. Die akademische Welt suchte das Ursprüngliche in der Kultur - und ignorierte dabei lange Zeit, dass sie selbst Einfluss nahm auf die Kultur jener Menschen, die sie da ausstellten. Die Selbstreflexion der Ethnologen passt eher ins heutige, moderne Museum.

„Es gibt hier im Haus Archivmaterial und Korrespondenzen mit dem Sammler dieses Holzgefäßes, der dann schreibt, er kann die Dinge jetzt nicht mehr zu dem ursprünglichen Preis anbieten, da die Preise einfach steigen“, erzählt Gesine Stern. Die Huzulen mischten das Geschäft mit ihrer Volkskunst also auch mit auf.

Erste Ausstellung ab 1920

Den Huzulen wurde in der ersten Dauerausstellung ab 1920 jedenfalls gleich ein ganzer Raum gewidmet. Das Museum hat sich seit seiner Gründung 1895 zuständig gefühlt für den Cisleithanischen Monarchieteil und wollte auch eine Datenbank der Bevölkerungsgruppen sein. Im Ausstellungsraum über die Huzulen aus Ostgalizien heißt es damals, diese Gruppe sei besonders volkskünstlerisch begabt.

Politik und Volkskunde

Nach dem Ersten Weltkrieg sammelte man nur noch Kulturobjekte aus Österreich. Das Doppelgefäß wurde ausgelagert, zunächst in eine Spezial-Ausstellung nach Kittsee, und wanderte schließlich ins Depot nach Wien.

Das Volkskundemuseum entwickelte sich weiter. Heute geht es weniger um voneinander abgegrenzte Kulturen, es geht eher um das große interkulturelle Miteinander und um Themen, die sowohl gegenwärtig als auch kulturübergreifend sind. Aktuell kommen junge Musliminnen in Wien in einer Onlineausstellung zu Wort. Erforscht, präsentiert und diskutiert wird auch die Vergangenheit und Zukunft des Trend-Foods Sojabohne in Österreich.

„Wir versuchen, in erster Linie die gesellschaftlichen und kulturellen Auswirkungen und auch Gegenbewegungen miteinzufangen“, so Gesine Stern.

Letztes Jahr war auch das hölzerne Doppelgefäß von den Huzulen wieder in einer Ausstellung zu sehen. Der Titel war „Take Away - Genuss ohne Müll“. Da ging es um nachhaltige Verpackungen. Das Volkskundemuseum mit seinen Tupperware- Objekten aus der Vor-Plastikzeit ist hier nämlich eine wahre Goldgrube.

„Wir versuchen jetzt noch viel offensiver, unsere Sammlungen und Objekte an aktuelle Relevanz anschließen und aktuelle Diskurse miteinzubeziehen. Um eben darauf hinzuweisen, dass gewisse Fragstellungen gesellschaftlicher Bewegungen, die es jetzt gibt, wo es um Müllvermeidung und Klimafragen und Nachhaltigkeit geht, aus unseren Sammlungen auch abgeleitet werden können“, sagt Gesine Stern.

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