Gemälde des Malers Jakob Schlesingers, Porträt von Georg Wilhelm Friedrich Hegel

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Freiheit denken - Hegel zum 250. Geburtstag

"Philosophieren heißt, frei leben zu lernen" - so lautet die Grundthese von Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Die Freiheit ist ein Grundpfeiler seines Denkens. Der Autor der klassischen Studien "Phänomenologie des Geistes" und "Wissenschaft der Logik" entwarf das Projekt eines verantwortlichen Lebens in Freiheit. Hegel als Philosoph der Freiheit? Das entspricht nicht unbedingt der Einschätzung, die von Kritiker/innen seiner Philosophie vorgenommen wurde.

Für Georg Lukács war Hegel ein "Vordenker des Totalitarismus", eine Station auf dem Weg zu Hitler. Der französische Philosoph André Glucksmann machte ihn unter anderem für den Gulag verantwortlich, und Karl Popper betrachtete Hegel als einen "falschen Propheten", als "einen Feind der offenen Gesellschaft". Diesen massiven Vorwürfen widerspricht der an der Universität Jena lehrende Philosoph Klaus Vieweg in der umfangreichen Biografie "Hegel - Der Philosoph der Freiheit". Darin korrigiert er das Klischee vom reaktionären Apologeten des preußischen Staates, der sich jenem als duckmäuserischer Opportunist andiente.

Klischeekorrektur

Vieweg skizziert vielmehr die facettenreichen Gedanken Hegels zum Thema Freiheit, von seinen Studienjahren in Tübingen über eine Tätigkeit als Gymnasiallehrer ("Nur der gebildete Mensch ist frei") bis zu seinen Vorlesungen zur Rechtsphilosophie. Besonders aktuell sind Hegels Ausführungen über die Bedeutung der Freiheit, weil er für eine vernünftige Freiheit eintritt. Im konkreten Fall der Coronapandemie bedeutet das, nicht auf die Willkürlichkeit individueller Rechte zu bestehen, sondern die Einschränkungen der Mobilität und die Maskenpflicht zu akzeptieren - unter dem Aspekt des allgemeinen Rechts auf Leben und Gesundheit.

Hegel verstand Freiheit nicht als willkürliches Agieren des Individuums, als Überzeugung, tun und lassen zu können, was es will, sondern als ein sittliches Handeln, das in Übereinstimmung mit einem politischen Gemeinwesen und seinen Institutionen erfolgt. Dabei meint sittliches Handeln mehr als die bürgerliche Freiheit, wie sie sich im Recht auf Eigentum, in der Möglichkeit, eine Regierung zu wählen, oder in der Meinungsfreiheit manifestiert.

Das Vernünftige am Bestehenden akzentuieren

Die Idee der Sittlichkeit nimmt dann im Staat Gestalt an. Während die bürgerliche Gesellschaft aus "Privatpersonen besteht, die ihr eigenes Interesse zu ihrem Zwecke haben", durchdringen einander im Staat Einzelinteressen und der Allgemeinwille. Der Staat bildet eine organische Einheit, "eine allumfassende gemeinschaftliche Sphäre", die es dem Individuum ermöglicht, darin aufzugehen. Hegel distanziert sich von der Staatstheorie von Thomas Hobbes, die den Vertragscharakter des Staates betont, der damit den Naturzustand beendet, in dem "der Mensch des Menschen Wolf" sei.

"Der Staat wird zum vernünftigen Selbstzweck, an welchem die Freiheit zu ihrem höchsten Recht kommt", heißt es in Hegels Rechtsphilosophie. Die vernünftige Verfasstheit ist die Voraussetzung für dieses Gemeinwesen. Erst dann erweist Hegels berühmte Formulierung ihre Berechtigung: "Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig." Wobei der Nachsatz wichtig ist: "Aber nicht alles ist wirklich, was existiert." Somit besteht das Anliegen Hegels darin, das Vernünftige am Bestehenden zu akzentuieren, und eben nicht darin, das Bestehende - wie im Fall des reaktionären preußischen Staates - zu rechtfertigen.