MAMUZ-Außengelände

MAMUZ

Das Objekt der Begierde

MAMUZ

Im MAMUZ, dem Mistelbach Asparn Museumszentrum im Schloss Asparn an der Zaya in Niederösterreich, könnte man vieles als „Objekt der Begierde“ auswählen.

Neben dem archäologischen Freigelände, in dem zum Beispiel ein jungsteinzeitliches Langhaus im lebensgroßen Modell steht, gibt es drei Stockwerke mit zahlreichen spannenden Artefakten und Installationen zur Schriftzeit, zur Metallzeit und zur Steinzeit.

Knochenflöte

Knochenflöte

LANDESSAMMLUNGEN NORBERT WEIGL

Franz Pieler, er ist wissenschaftlicher Leiter des MAMUZ, führt uns für sein liebstes Objekt bis ins Dachgeschoß des Schlosses, wo die Steinzeiten ausgestellt sind. Tausende Objekte aus 40.000 Jahren Menschheitsgeschichte sind hier zu sehen.

Schöne Schmuckstücke, Werkzeuge, Tontöpfe, Waffen... Franz Pieler steuert jedoch zielgerichtet auf eine Vitrine zu, in der sich ein zirka 16 Zentimeter langer Knochen mit Löchern befindet, und erklärt, was das ist: „Diese Knochenflöte ist in den 1980er Jahren entdeckt worden, und zwar auf der Fundstelle Grubgraben, das ist in der Nähe von Kammern bei Langenlois. Die Auffindung war durchaus ungewöhnlich. Der Ausgräber hat ein größeres Geweihstück gefunden und hat eine Blockbergung vorgenommen, damit er nichts zerstört. Als er das Geweih im Labor feinsäuberlich freigelegt hat, ist diese Knochenflöte aufgetaucht, die an der Unterseite des Geweihstücks angehaftet ist.“

Ausstellungsansicht

MAMUZ

Die Flöte war aus dem Schienbein eines Rentiers gefertigt worden. Sie hat drei Grifflöcher mit etwa fünf Millimeter Durchmesser, man konnte damit also komplexere Melodien spielen. Vielleicht gab es sogar noch ein viertes Griffloch, das Mundstück und der vordere Teil fehlen jedoch.

Vermutlich hat der Besitzer die Flöte auf den Müll geworfen, weil er damit nicht mehr spielen konnte. Der Fundort war ein altsteinzeitlicher Jagd-Lager-Platz, der vor rund 19.000 Jahren benutzt worden war. Die Knochenflöte von Grubgraben ist somit eines der ältesten Musikinstrumente Österreichs.

Lieder über das Leben

Zwar kenne man ähnliche Flöten aus anderen altsteinzeitlichen Lagerplätzen, sagt Franz Pieler. Aber in der Archäologie gehe es darum, nicht nur die Objekte stilistisch zu behandeln, sondern zu klären, wofür sie gedient haben.
Dazu hat der Leiter der niederösterreichischen Landessammlungen für Urgeschichte und historische Archäologie ein paar Ideen: „Wir müssen uns ja vorstellen, dass man in der Urgeschichte nichts aufgezeichnet hat, es gab ja keine Schrift. Das heißt, Informationen wurden vorwiegend mündlich weitergegeben. Und man kann sich gut vorstellen, dass man Überlebenstricks und soziale Verhaltensweisen in Geschichten und Liedern verpackt hat. Und man kann sich gut vorstellen, dass diese Flöten dabei einen gewissen Anteil hatten, dass man diese Lieder mit Musik untermalt hat.“

Noch dazu war damals, im letzten glazialen Maximum der Kaltzeit, das Leben der Menschen sehr schwierig. Informationen merkbar weiterzugeben, war also sicherlich für das Überleben der Gruppe wichtig

Für Franz Pieler ist die Knochenflöte eine Möglichkeit, den Besucherinnen und Besuchern des MAMUZ zu zeigen, dass die Menschen in der Altsteinzeit sich nicht „durch Grunzen verständigt haben und dicht behaart in gebückter Haltung durch die Landschaft geschlichen sind“, wie es oft in populären Filmen oder Büchern dargestellt wird. Vielmehr hätten die Menschen damals genauso wie wir heute gedacht und gefühlt und seien mit ihrer Umwelt meisterhaft zurechtgekommen, sagt der Archäologe.
Die Knochenflöte ist für ihn deshalb ein sehr wichtiges Objekt im MAMUZ in Asparn an der Zaya, wo es wahrlich nicht an interessanten Objekten mangelt:

„Es gibt unzählige spannende und interessante Dinge hier. Wir stellen ja 40.000 Jahre Menschheitsgeschichte dar. Die Flöte finde ich deswegen ganz interessant, weil sie ein Objekt ist, das man heute in ähnlicher Form immer noch kennt. Jeder der Blockflöte lernen musste, wird sich damit ein bisschen identifizieren können. Ich finde es sehr spannend, Objekte herzunehmen, wo man Geschichten dazu erzählen kann, die vielleicht ein bisschen über das Offensichtliche hinausgehen. Bei Schmuck zum Beispiel ist klar, das diente zur Zier. Aber bei diesen Flöten kann man ein bisschen mehr dazu erzählen. Das finde ich sehr charmant und sehr interessant.“

Service

Fundstelle Grubgraben

Gestaltung

  • Sonja Bettel

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