Schmiedefeuer mit Messer

APA/AFP/CHAIDEER MAHYUDDIN

Mediengesetz

Schmieden an einem scharfen Schwert

In der Schweiz hat die Aktivistin Jolanda Spiess-Hegglin einen weiteren Erfolg in ihrem einsamen Kampf gegen den Boulevard-Riesen „Blick“ erzielt. Das Obergericht im Kanton Zug hat in zweiter Instanz bestätigt, dass die Zeitung die Persönlichkeitsrechte von Spiess verletzt. Jetzt geht es mit einer Klage auf Gewinnherausgabe weiter, das wäre ein Riesensprung in Sachen Persönlichkeitsschutz. In Österreich dürfte hier gerade ein kleinerer Schritt gelingen.

"Das wäre ein scharfes Schwert." Mit diesen Worten hat der Chefredakteur der "Neuen Zürcher Zeitung" gegenüber #doublecheck den Versuch von Spiess-Hegglin kommentiert, die Gewinne für sich zu beanspruchen, die die Boulevardzeitung "Blick" mit Artikeln über sie gemacht hat. Die Zeitung weiß, dass das teuer werden könnte. Eigentümer ist der Ringier-Verlag, und dessen Chef hat sich jetzt sogar öffentlich bei Spiess entschuldigt. Die wiederum lässt sich nicht von der Klage auf Gewinnherausgabe abbringen, auch wenn die Vergleichsangebote von Ringier wohl immer attraktiver werden dürften.

Jolanda Spiess-Hegglin

GIAN MARCO CASTELBERG

Jolanda Spiess-Hegglin

Klage auf Gewinnherausgabe läuft

Es geht um sexuellen Missbrauch, der Spiess-Hegglin vor sechs Jahren unter ungeklärten Umständen angetan worden ist. Die Artikel, die unter Verletzung ihrer Intimsphäre darüber geschrieben worden sind, können dank Online-Archiven sehr gut dokumentiert werden. Der Ausgang der spektakulären Klage ist dennoch ungewiss, obwohl die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür in der Schweiz besser sind als in Österreich, wie Medienrechtsexperten sagen.

Bloßstellung wird doppelt so teuer

Für österreichische Verhältnisse ist aber schon fast eine Sensation, was die grüne Justizministerin Alma Zadic mit Klubchefin Sigrid Maurer im Windschatten des Kommunikations-Plattformen-Gesetzes gegen Hass im Netz jetzt durchbringen konnte. Die Entschädigungssummen im Mediengesetz für die ungerechtfertigte Preisgabe der Identität von Opfern oder Tätern - also wo kein öffentliches Interesse daran besteht - sollen von 20.000 auf 40.000 Euro verdoppelt werden und auf 100.000 Euro in besonders krassen Fällen. Das Maximum lag bisher bei 50.000 Euro und zwar seit 2005. Nicht einmal die 20.000 Euro sind laut Medienanwälten mehr als einmal ausgeschöpft worden.

Auch Angehörige und Zeugen bekommen Schutz

Dazu kommen noch zwei Neuerungen. Nicht nur Opfer und Täter, sondern auch deren Angehörige sowie Zeugen sollen Persönlichkeitsschutz nach dem Mediengesetz bekommen und Anspruch auf die dann höheren Entschädigungen haben. Und auch Arbeitgeber sollen künftig gegen Übergriffe in der Berichterstattung vorgehen können, wenn Beschäftigte Ziel von entsprechenden Attacken sind und in ihrer Arbeitsfähigkeit dadurch eingeschränkt sind.

Hinter den Kulissen die Drohgebärden

Dem Boulevard, der in Österreich ja eine sehr dominierende Stellung hat, schmeckt das gar nicht. Das konnten Redaktionen spüren, die dieser Tage über die geplanten Verschärfungen berichtet haben und von Rechtsvertretern von Boulevardzeitungen freundliche Briefe mit Warnhinweisen bekommen haben. Und die Politik hat es auch gespürt und letztlich nachgegeben: Es waren viel höhere Summen geplant – nämlich 75.000 Euro und 150.000 bei besonders schwerwiegenden Verletzungen von Persönlichkeitsrechten. Aber man muss das wohl im größeren Zusammenhang sehen: Zuletzt hat es 2008 - nach dem Fall Fritzl in Amstetten und der ausufernden Berichterstattung darüber - den Versuch gegeben, die Entschädigungssätze anzuheben. Dieser Versuch ist damals gescheitert, und seither war in der Sache absolute Funkstille.

Übersicht