Still

CD PROJEKT RED

matrix

Der harte Weg zum erfolgreichen Videospiel

Am 10. Dezember kommt (wahrscheinlich) mit „Cyberpunk 2077“ - gerade noch rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft - ein von den Fans heißersehntes Spiel auf den Markt. Seine Entstehungsgeschichte könnte turbulenter nicht sein und verrät viel über den Druck der auf der Spiele-Entwicklung lastet, um einen Titel zum Erfolg zu führen.

Bereits 2013 veröffentlichte die polnische Spiele-Entwicklerfirma „CD Projekt Red“ einen ersten Trailer, der „Cyberpunk 2077“ ankündigte. Diese erste Vorschau sollte allerdings weniger eine baldige Veröffentlichung verkünden, als Genre-Begeisterte zum Mitwirken anzuwerben, erinnert sich Miles Tost, einer der Level-Designer von CD Projekt Red.

„Es gab natürlich schon ein Team, das sich hauptsächlich mit Konzeptionierung beschäftigt hatte. Der Trailer ging mit der Idee raus, Leute dafür zu interessieren mit uns an dem Spiel zu arbeiten. Als dann die Entwicklung von Witcher3 in die heiße Phase kam, haben wir die Leute abgezogen, um daran zu arbeiten. Das Projekt war quasi für eine Zeit auf Eis.“

The Witcher

The Witcher - Wild Hunt

CD PROJEKT RED

Das Spiel zum Buch, der Film zum Spiel

Die „Witcher“-Reihe, die auf den populären Fantasy-Romanen des polnischen Autors Andrzej Sapkowski basiert, entwickelte sich zum Welterfolg und half, dass das seinerzeit kleine unabhängige Studio im Jahr 2019 zum wertvollsten Videospielunternehmen Europas avancierte.

Seit der Veröffentlichung des ersten Teils, 2007, hat sich die Witcher-Reihe 50 Millionen Mal verkauft. Aber nicht nur in wirtschaftlicher, auch in kultureller Hinsicht, sollte dem Spiel zum Buch große Aufmerksamkeit zuteil werden.

„Assassins of Kings“, der zweite Teil, der 2011 erschien, sorgte für Schlagzeilen, als der seinerzeitige polnische Ministerpräsident, Donald Tusk, dem damaligen Präsidenten der USA, Barack Obama, das Spiel gemeinsam mit den Romanen, während eines Amtsbesuchs überreichte.

“The last time I was here, Donald gave me a gift."

Poland's place in the new global economy. And it's a tribute to the talents and work ethic of the Polish people as well as the wise stewardship of Polish leaders like prime minister Tusk.“

Dass das Streaming-Portal “Netflix“ im Dezember 2019 eine Verfilmung der erfolgreichen Witcher-Serie rund um die Abenteuer von Geralt of Riva veröffentlichte, wirkt Anbetracht der Erfolgsgeschichte kaum verwunderlich.

Neben dem Handlungsstrang, der so manchem Film um nichts nachsteht, lässt vor allem die cineastische Aufbereitung von manch Videospiel die Grenzen zum Film-Genre schon längst verschmelzen. Mehrere hundert Menschen arbeiten an der Umsetzung eines vielversprechenden Blockbuster-Spiels, Drehbücher, Autorinnen und Autoren für Dialoge und Zwischensequenzen verstehen sich von selbst.

Keanu Reeves

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"Es nützt uns relativ wenig, Keanu Reeves im Spiel zu haben und dann ist er aufgrund der schlechten Grafik kaum erkennbar."

Was eine neue Sparte für Schauspielerinnen und Schauspieler mit sich bringt. Beim Spiel Cyberpunk 2077 steht Spielerinnen und Spielern der Charakter „Johnny Silverhand“ zur Seite, gespielt von Keanu Reeves, oder besser gesagt, seinem virtuellen Zwilling.

Dass Schauspielerinnen und Schauspieler das Genre für sich entdecken ist auch den avancierten technischen Möglichkeiten zu verdanken, um die Akteure entsprechend zu visualisieren, so Miles Tost: „Es nützt uns relativ wenig, Keanu Reeves im Spiel zu haben und dann ist er aufgrund der schlechten Grafik kaum erkennbar weil sein Gesicht aus drei Polygonen mit zwei Punkten drin besteht und er von der Stimme getragen wird. Dass wir Schauspielerinnen und Schauspieler in Spielen finden, stellt quasi eine natürliche Entwicklung dar. Die Qualität des Storytellings hat sich entwickelt, alleine wenn man sich die Cut Scenes und die Art der Erzählung ansieht, sind Spiele ihrerseits sehr filmisch geworden.“

Entwürfe

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Gut Ding braucht Weile. Der lange Weg zur Veröffentlichung

Ein Wermutstropfen für Fans, der auf dem besten Weg ist ein Markenzeichen des Unternehmens zu werden: Release-Verschiebungen. Bis Witcher3, wild hunt, tatsächlich veröffentlicht wurde, gab es zwei Verschiebungen. Auch im Fall von Cyberpunk2077 müssen sich Spielerinnen und Spieler gedulden.

Letztes Jahr intensivierte sich die Bewerbung für die Veröffentlichung im April 2020. Zu Jahresanfang wurde der Termin schließlich auf September, dann auf November, später auf Dezember verschoben. Hinter derartigen Entscheidungen steht, so Tost, die Liebe zum Detail, die erst ermöglicht, dass ein Spiel ein wirklicher Erfolg werden kann.

Besonders beim Gestalten von Quests sei es für Entwicklerinnen und Entwicklern verführerisch, einen einfachen Weg zu wählen, das entspreche aber nicht den Qualitätsansprüchen die man habe: „Wir haben zum Beispiel mal über einer Quest gebrütet, wo der Spieler aus einem Gebäude rauskommt, wo vor ihm ein Event beginnt, wo er die Quest abschließen muss. Dieser Bereich ist allerdings recht offen. Nichts würde den Spieler hindern, die ganze Szene zu umgehen, wenn er beim Hinausgehen aus dem Gebäude einfach nach rechts abbiegt. Also würde er die Quest nicht abschließen. Was passiert dann? Warten die NPC (anm: „Non playable characters“, nicht spielbare Charaktere, quasi computergenerierte Statisten) auf ihn und stehen herum? Das würde die Immersion brechen. Die einfache Lösung: Den offenen Bereich so dicht machen, dass man keine andere Möglichkeit hat, als direkt zum gewünschten Punkt zu gehen. So etwas fühlt sich aber einfach falsch an und entspricht nicht unserem Verständnis einer offenen Welt, wo Spielerinnen und Spieler Freiheiten haben sollen. Eine Lösungsansatz wäre also, dass die NPC den Ort auch verlassen, wenn man die Quest nicht abschließt und einen später anrufen, um ein Briefing durch zugeben. Solche Kleinigkeiten addieren sich letztendlich zu dem Unterschied, der ein Spiel schlussendlich ausmacht.“

Still aus dem Videospiel, Auto

CD PROJEKT RED

Game-Design zwischen Erpressungsversuchen und treuen Fans

Die Erwartungshaltung, die mittlerweile auf Cyberpunk2077 lastet, ist nicht nur bei Fans gewaltig. Die reinen Entwicklungskosten betragen kolportiert 121 Millionen US Dollar, Marketing und Merchandising nicht mit eingerechnet. Das macht Cyberpunk zu einem der teuersten Spiele, die je produziert wurden. Floppt ein derartiger Titel, kann das für Studios das Ende bedeuten.

Entsprechend wichtig ist eine loyale Fangemeinschaft die, Werbung hin oder her, eine gewisse Sicherheit darstellt, Ausgaben wieder einspielen zu können. Aber auch, Erpressungsversuche nicht weiter beachten zu müssen. Unbekannte hatten dem Spieleentwickler 2017 gedroht, gestohlene Firmeninterna zum Spiel zu veröffentlichen.

Statt Lösegeld zu bezahlen wandte sich CD Projekt Red via Twitter an die Öffentlichkeit und bat darum, Informationen zum Spiel einfach zu ignorieren, wenn sie nicht aus offizieller Quelle kämen. Die geklauten Informationen seien zudem ohnehin veraltet.

Eigene Veranstaltungen oder auch Community-Parties in den Entwicklerstudios und ein transparenter, direkter Austausch mit den Fans, gehören zu CD Projekt Red, wie die Spiel-Entwicklung, so Miles Tost. Im Gegenzug verzeihen Fans auch Release-Verschiebungen.

„Es ist uns wichtig, was zurückzugeben und zu zeigen „hey, wir sind zusammen in einem Boot“, und das ist CD Projekts Philosophie: Wenn man nett zu den Gamern ist und ihnen gibt, was man auch selber haben möchte, und sie fair behandelt, gewinnt man auch loyale Kunden über Dauer.“

Gestalterin: Sarah Kriesche