THEO MILLER AYEDUASE-KUMASI
Maria-Lassnig-Preis
Atta Kwami: Von der Fläche in den Raum
Er verbindet die Ornamentik afrikanischer Textilien mit der Formensprache der klassischen Moderne und hat eine Malerei entwickelt, die die Grenzen der Leinwand sprengt. Der 1956 in Ghana geborene Künstler Atta Kwami wurde in diesem Jahr mit dem Maria-Lassnig-Preis ausgezeichnet.
12. Dezember 2020, 02:00
Mittagsjournal | 11 11 2020
Auf den ersten Blick erinnert seine Malerei an Farbfeldbilder wie man sie aus der klassischen Moderne kennt. Es sind Hoch- und Querformate, auf denen Farbrechtecke - teils mit gleichförmigem, teil mit expressivem Pinselstrich aufgetragen - zu sehen sind. Dass Atta Kwamis Kunst aus unterschiedlichen Quellen schöpft, erschließt sich jedoch bei näherer Betrachtung.
Der in Großbritannien lebende Künstler verbindet in seinen Bildern das visuelle Vokabular seiner Heimat Ghana mit dem Erbe der Moderne. Als Kunststudent ist Kwami von Piet Mondrian beeindruckt. Später entdeckt er in den geometrischen Motiven der westafrikanischen Textilkunst eine Vielfalt, die ihn fasziniert. "Die Ornamente, die auf westafrikanischen Stoffen abgedruckt sind, beflügeln meine Formensprache. Außerdem finde ich Städte wie Accra, die völlig anders sind als europäische Städte, aufregend. Wo auch immer ich gelebt habe, habe ich Inspiration gefunden", so der Preisträger.
PAMELA CLARKSON
Moderner Nomade
Man darf Atta Kwami getrost als modernen Nomaden bezeichnen. Er fühlt sich in den Metropolen dieser Welt zu Hause. Sei es New York, London oder die ghanaische Hauptstadt Accra. Nicht zuletzt die Art und Weise wie Kwami diesen Kosmopolitismus künstlerisch produktiv macht, hat die Lassnig-Preis-Jury - darunter Albert Oehlen und Hans Ulrich Obrist - überzeugt.
2021 erhält Kwami den mit 50.000 dotierten Maria-Lassnig-Preis. Eine würdige Wahl wie Peter Pakesch, Vorsitzender der Lassnig-Stiftung findet: "Atta Kwami kommt aus einem sehr speziellen afrikanischen Kontext. Er kommt aus einer Umgebung, die sich Gedanken über die Moderne und ihre Auswirkungen auf andere Kulturen gemacht hat. Gleichzeitig reflektiert er eine sehr prägnante Kultur abstrakten Gestaltens, die sich in der westafrikanischen Textilkunst entfaltet hat", so Peter Pakesch. "Dadurch entsteht eine Verbindung, die sehr speziell und für uns auch sehr interessant ist, weil man nachvollziehen kann, wie sich Formen in der Malerei weiterentwickeln und über verschiedene Kontinente hinwegbewegen."
Er trägt die Malerei in den öffentlichen Raum
Ö1 Archiv: Positionen der Kunst - Maria Lassnig
Der Maria-Lassnig-Preis, der von der Lassnig-Stiftung ausgelobt wird, wird alle zwei Jahre gemeinsam mit einer Partnerinstitution vergeben. Diesmal ist es die renommierte Londoner Serpentine Gallery, wo Kwami 2022 eine große Ausstellung realisieren wird. Hans Ulrich Obrist, Direktor der Serpentine Gallery, freut sich auf die Zusammenarbeit: "Atta Kwami ist nicht zuletzt deshalb interessant, weil er die Malerei in den öffentlichen Raum trägt. Er arbeitet auch an öffentlichen Gebäuden - unter anderem in Zusammenarbeit mit dem preisgekrönten Architekten David Adjaye. Kwami freut sich ganz besonders, über den Maria-Lassnig-Preis, da er das Werk Lassnigs sehr schätzt. Er findet, dass man von Lassnig lernen kann, Grenzen zu überschreiten."
MODERN PAINTERS NEW DECORATORS
Tatsächlich verbindet den Preisträger einiges mit der verstorbenen Kärntner Malerin: "Sie ist eine Künstlerin, die wirklich mit ihrem Körper gemalt hat, ihre Pinselführung ist beeindruckend", sagt Kwami. "Es ist faszinierend zu sehen, wie sie die visuelle Poesie der Malerei erweitert, indem sie ihren Körper eingesetzt hat."
Atta Kwami, der in seiner Malerei längst den Schritt von der Fläche in den Raum gewagt hat, und unter anderem für seine bemalten Kiosk-Skulpturen und Torbögen bekannt ist, will 2022 eine Ausstellung schaffen, die von der Serpentine Gallery in die Kennsington Gardens ausstrahlt. Wann genau diese ambitionierten Pläne in die Tat umgesetzt werden können, ist aufgrund der aktuellen Covid-Krise allerdings unklar.