Max Weber

APA/AKG/AKG-IMAGES

Salzburger Nachtstudio

Zum 100. Todestag des Soziologen Max Weber

Max Weber zählt zu den Klassikern der Soziologie, die er als "Wirklichkeitswissenschaft" verstand. Weber ortete den entfesselten Kapitalismus als zentralen Faktor, der an der Schwelle des 20. Jahrhunderts die Lebenswirklichkeit der Menschen bestimmte.

„Soziologie soll heißen: eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will.“

Diese Definition der Soziologie drückt die Grundintention von Max Weber aus. Er verstand diese Wissenschaft - im Gegensatz zur abstrakten Philosophie - als eine "Wirklichkeitswissenschaft, die die uns umgebende Wirklichkeit des Lebens, in welches wir hineingestellt sind, in ihrer Eigenart verstehen will“.

Ein "stahlhartes Gehäuse der Hörigkeit."

Max Weber

APA/AKG/AKG-IMAGES

Max Weber

Der Mitbegründer der Soziologie ortete den entfesselten Kapitalismus als zentralen Faktor, der an der Schwelle des 20. Jahrhunderts die Lebenswirklichkeit der Menschen bestimmte.

Verbunden war diese Form des Kapitalismus mit einer universalen Rationalisierung, die ein "stahlhartes Gehäuse der Hörigkeit" schuf, in dem der Einzelne in die Zwangsjacke der Zweckrationalität gesteckt wurde. Unter Rationalisierung verstand er den Modernisierungsprozess, der in den vielfältigen Gestalten von Bürokratisierung, Spezialisierung Säkularisierung, Entzauberung und kapitalistischer Produktionsweise alle gesellschaftlichen Bereiche durchdrang.

Im Unterschied von Karl Marx sah er sich nicht in der Rolle eines Revolutionärs, der die kapitalistische Formation umstürzen und in eine klassenlose Gesellschaft umwandeln wollte, sondern als durchaus kritischer Analytiker, der sich der bürgerlichen Klasse, ihren Anschauungen und Idealen zugehörig fühlte.

Obsessiv betriebene wissenschaftliche Arbeit

Geboren wurde Max Weber am 21. April 1864 als Sohn einer großbürgerlichen Familie in Erfurt. Schon früh nahm er eine rasante Entwicklung. Mit 15 Jahren hatte er Schopenhauer, Spinoza, Kant und Goethe gelesen. Nach dem Abitur studierte Weber in Heidelberg, Göttingen und Berlin Rechtswissenschaften, Nationalökonomie, Geschichte, Philosophie und Theologie. 1889 promovierte er und habilitierte sich 1891 in Berlin.

Zwei Jahre später erfolgte die Heirat mit seiner bedeutend jüngeren Cousine Marianne Schnitger, die später als Feministin und Soziologin tätig war. Mit ihr führte er eine asexuelle „Gefährtenehe“, die seine obsessive betriebene wissenschaftliche Arbeit begünstigte und ihm eine Professur für Nationalökonomie an der Universität Heidelberg eintrug.

Die Höllenfahrt

Durch die ungeheure intellektuelle Belastung erlitt der Gelehrte einen körperlichen und psychischen Zusammenbruch. Weber verharrte in einem anhaltenden psychischen Stillstand; er saß am Fenster und betrachtete die Bäume. Auf die Frage, was er denke, antwortete er: "An nichts, wenn es geht". Diese von ihm später so bezeichnete „Höllenfahrt“, die einen Abbruch der akademischen Laufbahn bewirkte, dauerte mehrere Jahre und bedeutete einen tiefen Einschnitt.

Erst allmählich erlangte der Gelehrte wieder eine gewisse psychische Stabilität, die ihn zu eigenständiger wissenschaftlicher Arbeit außerhalb der Universität befähigte.

Die Entstehungsbedingungen des Kapitalismus

Weber befasste sich verstärkt mit den Entstehungsbedingungen des Kapitalismus, die er in der Studie "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus" analysierte. Den Ausgangspunkt bildet die Frage, wie es gelingen konnte, dass verschiedene traditionelle Gesellschaften ihre eigenen Wertmaßstäbe zugunsten eines universellen Strebens nach Profitmaximierung aufgaben.

Unter Traditionalismus verstand Weber die Einstellung, "dass der Mensch von Natur aus nicht Geld und mehr Geld verdienen will, sondern einfach so leben mag, wie er es gewöhnt ist, und nur so viel erwerben muss, wie dazu erforderlich ist".

Die entscheidende Bruchstelle ortete Weber in der Prädestinationslehre des Genfer Reformators Calvin. Diese Lehre ging davon aus, dass jeder Einzelne von Gott zur Seligkeit oder zur Verdammnis bestimmt ist, wobei sich die Auserwähltheit des zur Seligkeit bestimmten Individuums in einem erfolgreichen Berufsleben zeigt. Erfolgreich ist ein Berufsleben nur dann, wenn man auf den Konsum des erarbeiteten Reichtums verzichtet und immer weiter effizient und zielstrebig arbeitet.

"Ein Berufsmensch ohne Geist, Genussmensch ohne Herz, dieses Nichts bildet sich ein, die Krone der Schöpfung zu sein."

Die asketische Berufsarbeit und die fixe Idee, Gewinn als Kapital wieder zu investieren, sind laut Weber die beiden Grundvoraussetzungen des Kapitalismus. Dazu kam noch der Bürokratismus, der für den Soziologen zu jener ,,mechanisierten Versteinerung" führt, die zunehmend den Alltag beherrscht.

Diese Faktoren sind für eine Entwicklung verantwortlich, die "ein Gehäuse der Hörigkeit der Zukunft herstelle, in welche dereinst die Menschen sich, wie die Fellachen im altägyptischen Staat, ohnmächtig zu fügen gezwungen sein werden". Dieses Gehäuse verwandelte die traditionellen Gesellschaftsordnungen bis in ihre Fundamente. An die Stelle des Kulturmenschen trat der Spezialist - "Ein Berufsmensch ohne Geist, Genussmensch ohne Herz, dieses Nichts bildet sich ein, die Krone der Schöpfung zu sein."

„Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich.“

Neben den Kapitalismusanalysen verfasste der Soziologe umfangreiche Werke zur Wirtschaftsethik und Abhandlungen über den Konfuzianismus, Taoismus, Hinduismus, Buddhismus und das antike Judentum. 1918 kehrte er wieder in den Universitätsbetrieb zurück. Zunächst lehrte er in Wien, ab 1919 in München, wo er den Lehrstuhl für Nationalökonomie übernahm.

In diesem Jahr hielt Weber den Vortrag „Politik als Beruf“, dessen gedruckte Fassung heute von besonderer Aktualität ist. Darin nahm er eine Charakteristik der Politik vor, die häufig zitiert wird: „Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich“. Die Leidenschaft ist eine der Qualitäten, die einen guten Politiker auszeichnet, wobei Weber zwischen einer kontrollierten und einer maßlosen Leidenschaft unterscheidet. Augenmaß und Verantwortungsgefühl sind die beiden anderen Qualitäten, deren Koexistenz dazu verhelfen soll, die Todsünde jedes Politikers - die Eitelkeit - zu domestizieren.

Politiker sollen eine Verantwortungsethik entwickeln

Weber zeichnet kein Ideal des Politikers, wie es Philosophen wie Platon entworfen haben, aber er lehnt es auch ab, den Politiker als Verkörperung eines hemmungslosen Willens zur Macht zu bezeichnen, wie es Machiavelli getan hat. Der Politiker solle auch keineswegs gemäß seiner Gesinnung handeln, so lautete die Forderung Webers, da sie meist von irrationalen Motiven geleitet werde und der Gesinnungsethiker oft „zum chiliastischen Propheten“ mutiere.

Vielmehr solle der Politiker eine Verantwortungsethik entfalten, in der er die Konsequenzen seiner Entscheidungen bedenke und dafür einstehe. Dieses verantwortliche Handeln könne durchaus mit Leidenschaft verbunden sein. Leidenschaft bestimmte auch das Leben und das wissenschaftliche Werk des Soziologen. „Nichts ist für den Menschen als Menschen etwas wert, was er nicht mit Leidenschaft tun kann“, notierte er. Am 14. Juni 1920 verstarb Max Weber in München an den Folgen einer Lungenentzündung.

Service

Die protestantische Ethik und der "Geist" des Kapitalismus, Autor: Max Weber, Verlag: Reclam 2017
Politik als Beruf, Autor: Max Weber, Verlag: Reclam
Max Weber Handbuch Leben-Werk-Wirkung, Hrsg. Hans-Peter Müller/Steffen Sigmund, Verlag: J.B. Metzler 2014