Mann hält Weißrussland-Fahne

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Minsk

Künstler gegen Lukaschenko

Trotz der brutalen Polizeigewalt reißt die Protestwelle in Weißrussland nicht ab. Eine wichtige Stütze der bisher größten Demokratiebewegung sind Kunstschaffende, die die Proteste inspirieren und prägen. Ö1 hat mit Künstlern aus Minsk gesprochen.

Das 15. Wochenende in Folge protestierten Tausende in Weißrussland gegen Staatschef Alexander Lukaschenko. Wieder wurden Hunderte friedliche Demonstranten festgenommen. Seit der von massiven Fälschungsvorwürfen umstrittenen Wiederwahl von Lukaschenko im August gehen immer wieder Zehntausende auf die Straße, um Neuwahlen und die Freilassung der politischen Gefangenen zu fordern. Bisher wurden mehr als 30.000 Menschen festgenommen, einige Demonstranten kamen bei Zusammenstößen mit der Polizei ums Leben, Hunderte wurden verletzt.

Polizei in Minsk

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Bereits vor zehn Jahren demonstrierten die Weißrussen friedlich gegen die von Manipulationen überschattete Wiederwahl des autoritären Staatschefs. Doch damals gelang es Lukaschenko binnen kurzer Zeit, die Proteste niederzuschlagen. Nicht so 2020.

Die Erde ist eine Scheibe

Das Lied "Drei Schildkröten" von Ljawon Wolski, einem der bekanntesten Rockmusiker des Landes, ist längst zur Hymne der Protestbewegung in Weißrussland geworden. Der Erfolg dieses schon 20 Jahre alten Lieds sei kein Zufall, meint Ljawon Wolski: "Es enthält einen verborgenen politischen Protest. Und beschreibt, dass in Weißrussland die Erde nicht um die Sonne kreist, sondern eine Scheibe ist und auf Walen und Schildkröten liegt!" Eine ironische Kritik am verkrusteten politischen System, das derzeit von den größten und längsten Massenprotesten in der Geschichte Weißrusslands herausgefordert wird.

"Die Bevölkerung war viel zu lange in einer Art Schlafzustand. Jetzt ist sie aber aufgewacht, und das lässt sich auch mit Polizeigewalt nicht mehr rückgängig machen. Die Mehrheit will nicht länger mit diesen Lügen und der Propaganda leben, die nichts mit einem normalen Land im 21.Jahrhundert zu tun haben."

Widerstand in den Innenhöfen

Ljawon Wolski weiß, wovon er spricht: Er stand jahrzehntelang auf einer schwarzen Liste und durfte in seiner Heimat kaum öffentlich auftreten. Nun unterstützt der Rockmusiker wie viele andere weißrussische Kulturschaffende die Protestbewegung - ob auf Massenkundgebungen oder auf sogenannten Innenhof-Treffen. Diese sind ein neues Format des zivilgesellschaftlichen Widerstands, wobei Hausbewohner spontan Künstler in ihre Innenhöfe einladen.

"Jegliche wirtschaftliche Zusammenarbeit muss beendet werden" Dmitri Strozew

Auch Dmitri Strozew ist zu Gast in den Minsker Innenhöfen. Der Dichter kritisiert seit Jahren mit seiner Lyrik das Regime Lukaschenko. In seinen jüngsten Gedichten beschreibt er dessen rohe Gewalt gegen die friedliche Bevölkerung. Seine Aufgabe als Künstler sieht Dmitri Strozew darin, an der Protestbewegung teilzunehmen, mit Haut und Haar. "Ich muss sie emotional und physisch miterleben. Und alle damit verbundenen Risiken auf mich nehmen. So wie das alle anderen Berufsgruppen auch tun."

Folterkammern für Widerspenstige

Ein großes Risiko. Wie schon Tausende vor ihm wurde Dmitri Strozew vor kurzem festgenommen und wegen Teilnahme an unerlaubten Demonstrationen zu 13 Tagen Haft verurteilt. Diese hat er zeitweise in einer Arrestzelle verbracht, ohne Wasser und ohne Bett. In solchen Folterkammern würden widerspenstige politische Gefangene gequält und oft auch umgebracht, so Dmitri Strozew.

Dieses Regime ist eine Terrororganisation und muss vom Westen auch so behandelt werden

Der Dichter appelliert an den Westen, die weißrussische Bevölkerung stärker zu unterstützen. Am besten, in dem Alexander Lukaschenko der Geldhahn zugedreht werde. "Dieses Regime ist eine Terrororganisation und muss vom Westen auch so behandelt werden. Das heißt, dass jegliche wirtschaftliche Zusammenarbeit mit ihm beendet werden muss."

Der künstlerische Widerstand gegen Alexander Lukaschenko lässt unterdessen trotz aller Schikanen nicht nach. So sagt Rocksänger Ljawon Wolski in seinem neuesten Lied dem Regime Alexander Lukaschenkos eine üble Zukunft voraus: "Es werde eines Tages in der Hölle schmoren."

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