
LEOPOLD MUSEUM/LISA RASTL
Zwei Ausstellungen
Wiener Moderne im Leopold Museum
Anlässlich der Wiedereröffnung nach der temporären Corona-Schließung präsentiert das Leopold Museum gleich zwei neue Ausstellungen zur Wiener Moderne: Neben "Inspiration Beethoven - Eine Symphonie in Bildern" widmet es sich dem Architekten und Designer Emil Pirchan, einem Wegbegleiter von Josef Hoffmann, Otto Wagner und Gutav Klimt.
10. Jänner 2021, 02:00
Mit diesen insgesamt fast 300 Objekte umfassenden Präsentationen erweitert Leopold Museum-Direktor Hans-Peter Wipplinger den Radius der großen permanenten Ausstellung "Wien 1900 - Aufbruch in die Moderne" und legt den Fokus auf die Erneuerungsbestrebungen der Secessionisten im Sinne eines Gesamtkunstwerkes.

LEOPOLD MUSEUM/MANFRED THUMBERGER
Das Ludwig van Beethoven gewidmete Musikzimmer in der Villa des Wiener Schmuckfabrikanten Scheid wurde für diese Ausstellung rekonstruiert - ein Gesamtkunstwerk: Fünf Gemälde von zweieinhalb Metern Höhe und neun Metern Gesamtlänge zieren seine Wände, gemalt von Josef Maria Auchentaller und inspiriert von Beethovens VI. Symphonie, der "Pastorale".
Idee des Gesamtkunstwerks
Einer der Protagonisten der damaligen Kunstbewegung und Anhänger der Idee des Gesamtkunstwerkes war Emil Pirchan, der danach völlig in Vergessenheit geriet. Kürzlich wurde sein Nachlass entdeckt, der 60 Jahre auf einem Dachboden in der Schweiz lag, wie Hans Peter Wipplinger, der Direktor des Leopold Museums erklärt: "Für mich sind diese beiden Ausstellungen wichtige Ergänzungen, zwei Focus-Ausstellungen, die die verschiedenartigen Netzwerke dieser Zeit beleuchten."
Pirchan verfolgte die Idee des Gesamtkunstwerks bis zu seinem Tod in den 1950er Jahren. Wirklich bekannt wurde er in den 1910er Jahren, als er nach München ging und dort eine Plakatschule gründete. Er entwarf Plakate für Ausstellungen und Theater, aber auch sehr erfolgreich Werbeplakate für die Wirtschaft. 1919 erfolgte die erste Zusammenarbeit mit Leopold Jessner.

NACHLASS EMIL PIRCHAN/SAMMLUNG STEFFAN
Emil Pirchan, Plakatentwurf
Die Jessner-Treppe von Emil Pirchan
Hans-Peter Wipplinger: "Die beiden waren ein kongeniales Team, sie haben den ‚Wilhelm Tell' in Berlin herausgebracht, der ein totaler Skandal wurde, weil das Publikum sich ein naturalistisches Bühnenbild und Kostüme erwartet hatte. Stattdessen ließen sie den ‚Wilhelm Tell‘ in sehr expressionistischem Spiel in einem Bühnenbild mit ganz minimalistisch reduzierter Formensprache auftreten und natürlich mit der typischen sogenannten Jessner-Treppe, die in Wahrheit eine Erfindung von Pirchan war. Auch die Erzählung war alles andere als patriotisch - das führte zu diesem Skandal."
Pirchan gestaltete 50 Bühnenbilder in Prag, Berlin und Wien, wo er an der Staatsoper und am Burgtheater arbeitete. Hans Peter Wipplinger bezeichnet Emil Pirchan als "Homo Ludens", einen spielerisch tänzelnden Künstler, der sich all diese Kunstformen aneignete, als eine große Denkmaschine, einen Ideengenerator.
Opernhaus für den brasilianischen Urwald
Emil Pirchan hat sogar ein Opernhaus für den Brasilianischen Urwald entworfen, das nie gebaut wurde, aber in seiner futuristischen Formensprache in dieser Ausstellung als Modell zu sehen ist. Es nahm die Idee von Werner Herzogs Fitzcarraldo vorweg. Wäre es jemals errichtet worden, wäre es wohl eine Ikone der Architekturgeschichte der 1930er Jahre.