Buchumschlag, Ausschnitt

VERLAG KLETT-COTTA

NIcholas Blake & Alex Lepic

Zwei Weihnachtskrimis

Kurz vor Weihnachten treibt uns die Frage nach Gerechtigkeit um. Für Krimiautoren ist das sowieso ein Heimspiel, die Gerechtigkeit, beziehungsweise der Spalt zwischen ihr und dem Recht. Denn das Drama der Menschheit lässt sich, literarisch zumindest, herunterkürzen auf die Unerreichbarkeit gerechter Verhältnisse. Zwei Kriminalromane handeln das Thema im weihnachtlichen Umfeld ab.

Buchumschlag

VERLAG KLETT-COTTA

In "Das Geheimnis von Dower House" aus dem Jahr 1936 erzählt Nicholas Blake, der in Wirklichkeit Cecil Day-Lewis hieß, im Agatha-Christie-Verfahren von einem Mord und vielen Verdächtigen, die allesamt gute Gründe haben, Ferguson O’Brien aus dem Weg zu räumen. Dieser O’Brien ist ein ehemaliger Royal Airforce-Pilot, der sich in ein Landhaus zurückgezogen hat und dort an militärtechnologischen Projekten arbeitet.

Eines Tages erhält er einen anonymen Brief, wonach ihm sein Tod zu Weihnachten angekündigt wird. Stratege, der er ist, lädt er alle in Frage kommenden Personen zu den Feiertagen in sein Haus ein - offiziell um mit ihnen zu feiern und zu plaudern. Inoffiziell, um mit Hilfe des Privatdetektivs Nigel Strangeways die Tat zu verhindern und, wenn möglich, den potentiellen Täter oder die Täterin zu entlarven.

Meister der falschen Fährte

Dieses Setting ist natürlich reichlich altmodisch, es ist die klassische Whodunit-Dramaturgie, die verlangt, dass unter den Verdächtigen sich allmählich die Reihen lichten und der Kreis der Täter immer kleiner wird. Nicholas Blakes Kunst besteht darin, das hat er auch in seinen anderen Krimis bewiesen, dass er überzeugend falsche Spuren legen kann und die Leser in alle möglichen Richtungen führt, die allesamt logisch und am Ende doch falsch sind. Die Auflösung ergibt sich aus der Verwerfung sämtlicher Gewissheiten und natürlich aus der Intuition des Privatdetektivs. Und dass ein gelöster Fall noch lange nicht für Gerechtigkeit sorgt - auch das lehrt uns Nicholas Blake.

Der zweite Weihnachtskrimi ist ein zeitgenössischer, auch wenn man ihm das nur an einigen Stellen anmerkt. Das liegt daran, das Alex Lepic - auch das ist ein Pseudonym - seinen Pariser Commissaire Lacroix als Wiedergänger des legendären Maigret auftreten lässt, als gut genährter, glücklich verheirateter, Pfeife rauchender, mittelalterlicher Mann, der wenig von Kriminal- und Kommunikationstechnik, dafür viel von seiner Intuition hält.

Buchumschlag

KAMPA VERLAG

Lacroix' dritter Fall

"Lacroix und die stille Nacht von Montmartre" nennt sich der neue Krimi von Alex Lepic, und auch in ihm geht es die längste Zeit um falsche Spuren. Es beginnt mit Vandalismus im Touristenhotspot Montmartre, und es hat den Anschein, als ginge es um antikapitalistische Vergeltungsmaßnahmen. Was Lacroix, der offensichtlich in ganz Paris bekannte Spezialist für die großen Fische, hier aufklären soll, erschließt sich nicht gleich, auch für ihn selbst nicht. Aber seine Nase, die sagt ihm, dass etwas Größeres dahintersteckt.

Und in der Tat geht es bald um Entführung, Körperverletzung, Betrug und vertuschte Verbrechen in der Vergangenheit. Lacroix, den seine Vorgesetzten in Pension schicken wollen, weil er nicht mehr ins neue Sicherheitskonzept der Stadt passt, erledigt seinen Job maigretmäßig unbeeindruckt von diversen Stressfaktoren und weiß darüberhinaus in Ermittlungspausen stets gut zu essen und zu trinken. Am Ende gibt es so etwas wie Gerechtigkeit, aber auch die Einsicht, dass, wie man so sagt, eine Schwalbe noch keinen Sommer macht und ein gelöster Fall all dem Bösen unter der Sonne nicht einmal ein Gähnen entlockt.

Service

Nicholas Blake, "Das Geheimnis von Dower House", Übersetzung von Jobst Christian Rojahn, Klett Cotta
Alex Lepic, "Lacroix und die stille Nacht von Montmartre", Kampa Verlag

Gestaltung

  • Peter Zimmermann

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