Briefe von Stefan Zweig

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Salzburger Nachtstudio

Friderike Zweig - Die Hüterin der Arbeitsruhe

"Salzburger Nachtstudio" zum 50. Todestag.

Sie war die geschiedene Frau von Stefan Zweig, und doch stilisierte sie sich als seine "Witwe". Sie wollte vom Glanz des berühmten Schriftstellers profitieren und verschwieg die zweite Frau, Lotte, mit der er sich in Brasilien das Leben genommen hatte. Friderike trat als alleinige Verwalterin des schriftstellerischen Erbes auf.

Friderike Zweig

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Friderike Zweig

Das ist das Bild, das lange Zeit von Friderike Zweig gezeichnet wurde. Nun beginnt das Bild allerdings zu bröckeln, und zum Vorschein kommt eine interessante Intellektuelle. Friderike Zweig war Übersetzerin, Romanautorin, Journalistin, Friedensaktivistin und Frauenrechtlerin. "Friderike hat ein beachtliches Oeuvre hinterlassen, das kaum bekannt ist", sagt Martina Wörgötter-Peck vom Stefan Zweig Centre in Salzburg. Bekannter ist Friderike Zweig aber vor allem für ihre Schriften über Stefan Zweig und ihre Memoiren "Spiegelungen des Lebens". Sie schrieb aber auch Erzählungen, Romane und Biografien.

Begegnung auf Augenhöhe

Friderike von Winternitz - geborene Burger - war schon lang Schriftstellerin, bevor sie Zweig kennenlernte. Ab 1902 publizierte die Ehefrau eines Finanzbeamten in diversen Zeitungen, erst zehn Jahre später traf sie den berühmten Schriftsteller. Sie lässt sich mit engagierten Schriftstellerinnen wie Bertha von Suttner, Lou Andreas-Salomé oder Veza Canetti vergleichen. Das Interesse galt bis jetzt vor allem ihrer Beziehung mit Stefan Zweig: Das Kennenlernen, das "sehr unschicklich" auf ihre Initiative hin erfolgte. Seine Geliebte in Paris. Die Schwierigkeiten beim Zusammenleben auf dem Kapuzinerberg in Salzburg.

"Die Arbeitsbeziehung ist vernachlässigt worden", meint Wörgötter-Peck, die nun an der Edition des gesamten Briefwechsels arbeitet. "Die gegenseitige Unterstützung, die gegenseitige Mitarbeit und möglicherweise auch Koautorschaft. Stefan Zweig war zu Beginn sicher ein wichtiger Förderer von Friderike von Winternitz’ Werken; und umgekehrt hat sie auch großen Anteil an seinem Erfolg in verschiedenen Rollen - als Hüterin seiner Arbeitsruhe, wie sie sagt, als seine Sekretärin, als Gesprächspartnerin, als Leserin, auch als Kritikerin, sie war einfach sehr beständig involviert in diese Arbeitsprozesse, in diesen literarischen Betrieb auf dem Kapuzinerberg."

"Das würde man Dir überall zurückschicken"

Apropos Kritikerin, in einem Brief bezeichnete sie Zweigs Gedicht "Der Krüppel" als schlecht: "Ich glaube, dass man es Dir überall zurückschicken würde, wenn Du es anonym einsenden würdest." Die beiden begegneten sich auf Augenhöhe, auch wenn Zweig das nicht zulassen wollte. Er war der Meister, sie machte nur "dilettantische Spielereien". 1920 heirateten die Beiden. Friderike Zweigs Tag war nun ihrem Ehemann gewidmet. Dem Haus, dem Garten, den Kindern, der Sekretariatsarbeit. Sie versuchte in den frühen Morgenstunden ihren Projekten nachzugehen, mit der Zeit verlegte sie sich auf Übersetzungen. Ab 1914 war die Friedensarbeit für sie ein zentrales Anliegen. Sie engagierte sich in der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit und organisierte Kongresse mit, eine Sommerschule holte sie sogar nach Salzburg.

Die bisher unveröffentlichten Briefe werden wohl mehr Einblick in dieses Netzwerk geben und den Blick auf die Frau eines großen Mannes freilegen. Sie kommt nur zweimal kurz ins Scheinwerferlicht. Zweig widmete ihr das Theaterstück "Jeremias" und würdigte damit ihren Anteil. Und noch einmal bekannte er sich zu ihrem Einfluss: Als er "Die Welt von Gestern" schrieb und sie längst getrennt waren, holte er sie zu sich, um ihre Erinnerungen anzuzapfen. Die Erinnerung war also ein Geschäft, von dem sie beide profitierten.

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