THE BASE/MARIJA KANIZAJ
Radiokolleg
Lexikon der österreichischen Popmusik
Im Januar 2017 hat das "Radiokolleg" das Lexikon der österreichischen Popmusik gestartet. Von Ambros bis Qualtinger, von Danzer bis Wanda wird das Leben und Werk einzelner Künstler, Musiker/innen und Bands dokumentiert, ihre Bedeutung für die österreichische Musiklandschaft reflektiert und ihr Beitrag zu einer kritischen Gegenkultur gewürdigt.
27. Februar 2021, 02:00
Im Laufe der Jahre ist das Lexikon stetig gewachsen und gibt nun einen guten Ein- und Überblick in die österreichische Popmusik. Alle Beiträge von "Ambros bis Yasmo" sind unter Lexikon der österreichischen Popmusik nachzuhören.
Ein Novum in der Rundfunkgeschichte, denn bislang waren Audio-Inhalte, die Rechte Dritter beinhalten (in diesem Fall die populären Musikstücke), in der Regel nicht für alle Zeiten on demand verfügbar. Allerdings war die Musikindustrie, vertreten durch den Dachverband IFPI, einsichtig, dass hier der pädagogische Wert höher einzuschätzen ist als der kommerzielle "Schaden" - und es ein öffentliches Interesse an Content dieser Art gibt.
Diese Woche halten The Base, Chronopop, Dives, und Der Nino aus Wien Einzug in das Lexikon der österreichischen Popmusik.
The Base
Alles begann an einem Grazer Gymnasium, wo Norbert Wally (Gitarre, Gesang), Karlheinz Miklin jr. (Drums) und Heinz Nussbaumer (Bass) eine Schulband gründeten, aus der 1989 "The Base" als Folgeprojekt entstand. 2002 stieg Albrecht Klinger als Bassist ein, Nussbaumer verließ die Band.
Von Anfang wollte The Base eine Indie-Rockband sein: mit tiefgründigen Texten in Englischer Sprache, ausdrucksstarken, jazzigen Drums und einem weiten Feld an Klängen und Stimmungen. Nach Jahren des intensiven Spielens erlangte sie mit "Jet Crash Kills" 1996 österreichweit Bekanntheit. 1999 erschien das erste Album "Ducks and Diners". Seither kommt etwa jedes zweite Jahr ein neues Album heraus, zuletzt 2017 "Disco Bazaar" und 2019 "Tribal Instincts". Dank zahlreicher Arbeiten für Theater- und Filmproduktionen ist "The Base" auch außerhalb der Indie-Szene bekannt. Man arbeitete z.B. bereits mit den Filmregisseur/innen Michael Ostrowski, Michael Glawogger und Barbara Albert und dem Theaterregisseur Hubsi Kramar für Produktionen zusammen, und ebenso für das Wiener Burgtheater.
Werner "Chrono" Popp
Der Gitarrist, Komponist, Arrangeur, Produzent (und gelegentliche Sänger) Werner "Chrono" Popp starb am 4. Juli 2019 im Alter von 65 Jahren an einer Krebserkrankung. Mehr als vier Jahrzehnte lang war er ein bedeutender Teil der Wiener Musikszene, ohne je ins Rampenlicht zu drängen.
Er lieferte eher die Hintergrundstrahlung für unterschiedliche Epochen, beginnend mit Punk und New Wave und dann sich in Film- und Fernsehmusik, Soul-Retrospektiven und Ska-Revival verzweigend. Seinen kommerziellen Höhepunkt erlebte er in den neunziger Jahren: Mit der Band Hip Hop-Finger, deren Hit "Boundaries" noch heute nachklingt und als musikalischer Direktor der "Nette Leit Show" von und mit Kurt Palm und Hermes Phettberg - einem der letzten Kultformate, das der ORF hervorgebracht hat.
Davor und danach gab es mal mehr, mal weniger Erfolg, häufig auch nicht auf der Bühne, sondern an den Reglern des Audiorama-Studios, das er jahrelang gemeinsam mit Hans Holler betrieb und durch das die halbe Wiener Postpunk-Generation hindurchgeschleust wurde.
MONKEY RECORDS
Doch das "Success-Paradigma" war für Chrono ohnehin nicht entscheidend. Ihm ging es nicht um Geld oder Glamour, sondern um Attitude und um eine höchstpersönliche Vorstellung von einem "richtigen Leben im falschen" - durchaus auch mit einem Hang zur Mikro-Inszenierung (mit Hawaiihemden konnte er sich genauso liebevoll und detailliert beschäftigen wie mit unterschiedlichen Gitarrenmodellen). Dass ihm deshalb Künstler wie David Bowie oder Brian Setzer (Stray Cats) und Stilrichtungen wie Mod, Northern Soul, Ska und, in geringerem Maße, Blues und Rockabilly nahestanden, liegt in der Natur der Sache.
Wie er sich überhaupt in seinen reiferen Jahren eher als Traditionalist mit konservatorischem Ethos verstand, denn als verzweifelt berufsjugendlicher Pseudo-Innovator, der jedem gerade angesagten "heissen Scheiss" hinterherläuft. Mit Chrono Popp ist ein kreativer Geist verschwunden, der zwar (Gottseidank!) kein Offizier war, jedoch ein Gentleman. Man tut sich, durchaus ungewöhnlich in Wien, schwer, Leute zu finden, die schlecht über ihn reden. Chrono Popp hatte eine unaufdringliche aber effektive Art, einen Laden am Laufen zu halten und ein Projekt voranzutreiben und dabei einen guten Spirit aufrechtzuerhalten.
Und er hat mehr witzige, originelle und sampletechnisch ausgereifte Musik hinterlassen, als im öffentlichen Bewusstsein gespeichert ist. Einiges davon soll am 10. Februar in Form eines Re-Enactment noch einmal aufgeführt werden, darunter: Hip Hop Finger, Musikkreis MS-20, Chrono Popp and the Sorry Babies und noch ein paar Spezial-Effekte/ Projekte. L´Chaim - auf das Leben und auf die Musik.
DIVES
Seit 2015 macht das Trio DIVES gemeinsam Musik und hat im Sturm die österreichische als auch die europäische Musiklandschaft mit einer großen Portion elegantem Surfrock erobert.
Tamara Leichtfried, Viktoria Kirner und Dora De Goederen haben sich auf dem Pink Noise Girls Rock Camp in Linz 2015 gefunden - ein Musikcamp für Mädchen und junge Frauen und ein Ort der Selbstermächtigung.
NEVEN ALLGEIER
Dives
Das Netzwerk "Girls Rock Camp Alliance" hat seinen Sitz in den USA und veranstaltet seit 20 Jahren jedes Jahr über 50 internationale Musikcamps für junge Frauen und Mädchen.
2019 haben DIVES ihr viel beachtetes Debütalbum "Teenage Years Are Over" veröffentlicht, waren für den FM4 Award bei den Amadeus Austrian Music Awards nominiert und haben auf zahlreichen Bühnen innerhalb und außerhalb des Landes gespielt: Als Support-Band von Bilderbuch, AnnenMayKantereit, Courtney Barnett, Franz Ferdinand und am legendären "Ibiza-Wochenende" auf dem "Vengabus".
Drei Frauen, die gemeinsam Musik machen und den Spirit großer Heldinnen wie etwa den Shangri-la's weitertragen, die sich aber gegen reduzierende Begriffe wie "Frauenband" lautstark wehren: Sollte es nicht längst selbstverständlich sein, Musik und Menschen gleichberechtigt, ohne den mühsamen Verweis aufs Geschlecht zu hören und wahrzunehmen? DIVES sind Teil der jungen Generation an Musiker/innen aus Österreich, die markante Statements setzen und es mit Leichtigkeit schaffen, internationalen Popmusiker/innen das Wasser zu reichen.
Nino aus Wien
Nino Mandl schreibt große Lieder. Weil manche im Dialekt sind, wird er eher zufällig zum Ziehvater neuer Dialektbands aus Österreich.
Du Oasch. Man möchte es laut rufen, wenn Nino aus Wien diese zwei Worte singt. Das Lied "Du Oasch" spricht aus, was viele sich denken, wenn sie unten sind, ein gebrochenes Herz haben oder in Wien speziell verankert sind. Der Nino aus Wien liefert damit 2009 eine Steilvorlage. Tiefer Dialekt und Verlierertypen sind plötzlich wieder angesagt. Und jäh bricht eine Welle neuer Austropop-Bands über das Land herein. Manche von ihnen verdanken dem Nino aus Wien einfach nur sehr viel. Andere reden ganz offen darüber, welchen Einfluss er auf ihr Musik hatte. Wie etwa die Schwerenöter der Band Wanda.
PAMELA RUSSMANN
Nino aus Wien wird als Nino Mandl vor 33 Jahren in Wien geboren. Auf seinen frühen Alben singt er noch nicht einmal im Wienerischen Dialekt. Wobei, Hochdeutsch ist das auch nicht. Manchmal schlenzt er seine Worte. Und oft heult er sie, weil es ihm so dreckig geht. Deshalb wird er oft nach Wolfgang Ambros und seinen österreichischen Vorbildern befragt. Er streicht dann die Beatles heraus, Nick Drake und auch Daniel Johnston. Von den Ersten hat er den Willen zum Großen, vom Zweiten den Schwermut und vom Letzten die fragile Euphorie.
In zwölf Jahren veröffentlicht Nino aus Wien zwölf Alben. Manche davon sind auch sehr erfolgreich. Heute beherrscht er Innen-, Mitten- und Mittelreime genauso wie Rock, Chanson und Liedermacherei. Niemand macht ihm aber bei seinem Hintersinn etwas vor. Der Humor hat bei Nino aus Wien viele Farben, schwarz, golden oder andere Farbe. Der Musiker schiebt das auf seine Jugend am Rand von Wien, jenseits der Donau in Hirschstetten, wo man, wie er selbst sagt, voll eine eigene Sprache entwickelt hat und so. Und heute, da kennt seine Sprache die ganze Welt in Österreich.
Gestaltung: Sabine Nikolay, Thomas Mießgang, Alexandra Augustin, Stefan Niederwieser