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Radiokolleg
Idole auf der Bühne und im Netz
Stars, Idole, Role-Models, oder einfach Vorbilder – wahrscheinlich haben die meisten jemanden, sei es eine besondere Person, eine Band, oder ein Schauspieler, beziehungsweise eine Schauspielerin, die man außergewöhnlich findet. Oder fand. Das Internet, allem voran soziale Medien machten Stars nicht nur nahbarer, es entstand auch eine neue Sparte samt neuem Berufsbild: Influencer.
18. März 2021, 02:00
Insbesondere auf der Social Media Site für Kurzvideos, „TikTok“, bekommt Lisa Sophie Stejskal immer wieder von ihren Fans zu hören, dass sie ihr Idol ist. Ihr Kanal, den sie vor einem Jahr eröffnet hat, verzeichnet mittlerweile 150.000 Follower und im Monat über 5 Millionen Zuseher. Ihr Youtube-Kanal mit dem Namen „Cute life hacks“ verzeichnet rund 257.000 Abonnentinnen und Abonnenten. Lisa Sophie Stesjals Beruf ist Influencerin.
Beruf: Influencer
Influencer wie Lisa sind für ihre Fans mehr als Stars oder Idole. Sie sind Freundinnen und Freude, denen man sich anvertrauen kann und die man auf sozialen Medien gefühlt jederzeit erreichen kann. Ein großer Unterschied zu den Stars aus Film und Fernsehen, die im Vergleich oft unnahbar und unerreichbar wirken.
Dass das Bild des „Jungen oder Mädchen von Nebenan“ schlussendlich genauso einem Design beziehungsweise einer oft akribischen Inszenierung unterliegt, ist den Fans egal, so Medienwissenschaftlerin Claudia Wegener von der Filmuniversität Babelsberg: „Das ist ja ihr Mehrwert gegenüber den Helden sag ich mal aus klassischer Zeit, so wie Jugendliche sie sehen. Dass sie sagen „der Youtuber ist jemand wie ich“, der hat seine Schwächen, Stärken, der lebt zu Hause, genau wie ich und die Youtuberin schminkt sich und das ist, was den ganzen Kosmos auch ausmacht: zu sagen, ‚Wir inszenieren uns so authentisch und lebensnah, wie irgendwie möglich.‘ ich glaube auch das ist, was Jugendliche so schätzen an diesen Personen. Dass sie viel erreichbarer erscheinen und viel normaler, aber immer noch genug Distanz haben, etwas zu verkörpern, was erstrebenswert zu sein scheint. „
Eine Immerwährende Jagd nach Likes
Die Demokratisierung von Stars, indem das Internet jedem und jeder die Chance bietet, sich selbst als Influencer auszuprobieren, es aber genauso auch wieder bleiben lassen zu können, stellt für viele Jugendliche auch einen Teil ihrer Identitätsfindung dar. Die Jagd nach Anerkennung und Likes im Digitalen Raum erfüllen allerdings nicht jeden gleichermaßen und die Arbeit, die der Beruf oft mit sich bringt, ist vielen Jugendlichen oft nicht bewusst.
„Bei einem Interview für eine Studie habe ich einen etwa 13-jährigen Jungen befragt und er erzählte, eigentlich wäre sein Berufswunsch Influencer und er hätte das auch versucht, aber er hätte gemerkt, er hätte doch zu viele Hausaufgaben auf und das würde sich nicht vereinbaren lassen und wäre doch ziemlich anstrengend. Das war sehr niedlich und zeigt, das ist kein Job der sich einfach so machen lässt. Und die Zufälle, da stellt jemand ein Video online und wird zum Star, die kann an einer Hand abzählen. Das ist kein Alltagsgeschäft“, so Wegener.
Klicks und Likes, als sicht- und messbares Instrument der Anerkennung durch Fans, stellen die Voraussetzung für das künftige Einkommen der Werbemanagerinnen und Werbemanager der eigenen Person dar. Je nach Plattform unterscheiden sich die Geschäftsmodelle. Insbesondere Instagram gleicht mitunter mehr einem digitalen Einkaufszentrum.
Influencerinnen und Influencer benutzen ihren Ruhm, um ihren Fans Produkte ihrer Kooperationspartnerinnen und -partner näher zu bringen. Damit diese intensiver Bewerbung in den Narrativ des online-Stars als „Junge oder Mädchen von nebenan“ passt, gibt es entsprechende Geschichten, die die eigentliche Bewerbung umhüllen. Was auf Plattformen selbst, wie etwa Instagram, natürlich nie fehlen darf, ist die visuell prominent am Bildschirm platzierte Möglichkeit, das Produkt gleich mit einem Mausklick erwerben zu können.
Etwas, was Facebook, das Unternehmen hinter Instagram, noch bereuen wird, ist die pädagogische Leiterin von „saferinternet“, Barbara Buchegger, überzeugt. „Diese Verführung funktioniert eine Weile und dann funktioniert sie auch nicht mehr. Weil sehr viele der Kinder und Jugendliche auch draufkommen: Naja, es war dann doch nicht die Bürste so toll. Vor allem wenn sie Eltern haben, die mit ihnen über solche Dinge reflektieren und reden, da funktioniert das irgendwann nicht mehr. Ich glaub Instagram werden sich sehnsüchtig an die Zeiten zurückerinnern, als sie ein echtes soziales Netzwerk waren.“
„Ich möchte nicht, dass meine Zielgruppe Produkte kauft, sie sollen es selbst machen“
Ein anderes Geschäftsmodell finanziert sich über Werbung, die Fans eingeblendet bekommen, bevor sie ein Video, zum Beispiel auf Youtube anschauen können. Über diese Werbeeinnahmen finanziert auch die Influencerin Lisa Sophie Stejskal ihren Lebensunterhalt. Daneben hat sie freilich auch Kooperationen, betont aber, dass diese auch ihrer Marke entsprechen müssen.
Eine eigene Produktlinie hat sie nicht. Sie verkauft auch keine Fanartikel. Und die Produkte, die im Rahmen ihrer Bastelarbeiten auf YouTube entstehen, kann man nicht kaufen. Das könne sie persönlich nicht vertreten. Stejskal: „Ich möchte nicht, dass meine Zielgruppe das kauft, sie sollen es selbst machen. Das ist der Grund weshalb es meinen Kanal gibt. Das nette ist, dass ich bei Fan „meet and greet“ mittlerweile auch selbstbemalte T-Shirts oder Schuhe geschenkt bekomme. Sprich: Fans machen sich das Merchandise selbst und das ist auch der Sinn der Sache. Ich will, dass die Leute mehr basteln und kreativ sind.“
Blick hinter die Kulissen
Es ist eine farbenfrohe, kreative, mitunter auch schrille Welt, in die Stejskal ihre Zuseherinnen und Zuseher für rund 30 Minuten entführt. Hinter der spielerisch anmutenden Fassade stecken viel Planung und Bürokratie. Bis zu 15 Stunden Arbeit stecken in einem 30-Sekunden-Video. Die Fertigstellung eines 10 Minuten Videos kann, je nach Inhalt, auch gut eine Woche brauchen.
Die Youtuberin überlässt dabei nichts dem Zufall. Die Elemente im Hintergrund, die Wahl des Bildausschnitts, alles ist gut durchdacht. Denn die Zuseherinnen und Zuseher sollen auch nicht erkennen, wo die Influencerin zu Hause ist. Einmal musste sie bereits umziehen, weil sie unterschätzt hatte, mit welcher Passion so mancher Fan versuchte, alles über sein Idol herauszufinden.
Stejskal: „Das lustige ist man startet in dieses Business und denkt sich ‚ja ok vielleicht schauen das ein paar hundert Leute an‘. Wenn dann schlagartig plötzlich fünf Millionen Leute im Monat plötzlich deine Sachen sehen, wissen die dann, wo du wohnst. Weil du nicht nachgedacht hast. Du hast im Hintergrund die Fenster gehabt, man hat rausgesehen, man erkennt irgendwie Gebäude und dann wissen die Leute halt „hey Moment sie müsste irgendwo in diesem Viertel wohnen“, dann bist naiv und postest Fotos und Videos auf Instagram wo du gerade am Nachmittag spazieren gehst auf einer Route wo du jeden Tag gehst. Das sind Fehler die machst du am Anfang, weil du dir nicht bewusst bist, dass tatsächlich Leute so ein Fandom entwickeln, dass die auch herausfinden wollen, wo du wohnst.“
Nicht minder erfolgreich: Influencer für Erwachsene
Anders, aber nach denselben Mechanismen funktioniert das Geschäftsmodell Influencer für Erwachsene. Das Wort „Influencer“ wird für diese Zielgruppe gerne vermieden. wenn auch das Geschäftsmodell dasselbe ist. Die Angebote, von Sport über Gesundheit, Heimwerken bis hin zum Backen, sind an die Interessen der älteren Zielgruppe angepasst und erfolgreich, so Barbara Buchegger, die pädagogische Leiterin von saferinternet.at: „Wir sind überhaupt nicht immun, wir können’s wir dürfen’s, das ist ja das Schöne am Erwachsenen-sein und wir fallen einer nach dem andern in genau diese Fallen hinein. Ich habe eine Schulung gemacht und ich habe versucht so ein bisschen Verständnis für die Welt der Influencer zu wecken und dann sagte ein Mann: „Jetzt versteh ich das. Meine Frau schaut die ganze Zeit Backvideos und wir haben jetzt eine neue Küchenmaschine und die Küche schaut anders aus und das ist alles die Schuld von Sallys Welt“.
Sallys (Back)Welt ist eine der größten erfolgreichsten im deutschsprachigen Raum. Und wenn man dann schaut, in den Supermarkt – Regalen sind ihre Produkte, die Küchenmaschinen sind gebrandet, also es ist ganz exakt das gleiche, wie Bilu und die Produkte die auf Kinder und Jugendliche ansprechen.
Leben nach dem Ruhm
Nicht zuletzt aufgrund der Unzahl an Influencerinnen und Influencern die sich auf sozialen Medien tummeln, der ständig wechselnden Interessen der Zielgruppen, sowie an neuen Trends und Themen, versiegen Ruhm und Einnahmen oft genauso schnell, wie sie gekommen sind. Dass das Online-Startum nicht für die Ewigkeit ausgelegt ist, ist insbesondere erfolgreichen Influencern bewusst, so die Influencerin Lisa Stejskal.
Sie muss sich jetzt aber noch keine Sorgen um ihre Zukunft machen. Insbesondere in den Phasen des Lockdowns waren ihre Bastelvideos für zu Hause gefragter denn je. Ihr Sicherheitsnetz ist ein abgeschlossenes Masterstudium in Public Relations. Dort könne sie, nicht zuletzt aufgrund ihrer Expertise im Umgang mit sozialen Medien, jederzeit einen sozusagen konventionellen Job bekommen. „Ich glaub es ist ganz wichtig, dass man einen Plan B hat und dass alle Trends ein Ablaufdatum haben und das kann superschnell gehen. Und ich denke, dass eine Berufliche Ausbildung ganz wesentlich auch ist für die Persönlichkeitsentwicklung und es gibt eine ganz andere Sicherheit zu sagen, dass man ein anderes Standbein auch haben könnte. Schlussendlich macht der Beruf auch mehr Spaß, wenn man sich bewusst ist: ich darf das jetzt beruflich machen, ich muss es nicht beruflich machen.
Service
Saferinternet.at
Filmuniversität Babelsberg - Claudia Wegener
YouTube - cute life hacks
TikTok - Lisa Sophie Stejskal
YouTube - Sallys Welt