Grafik mit Instrumenten und Frauenhänden

AP/IKONI

Frauentag

Sieben Prozent. Verlorene Wertschöpfung

Marginalien aus der Musikwelt anlässlich des Internationalen Frauentags.

Die Coronajahre 2020/21 bringen erstaunliche Einsichten: Das internationale Rostrum of Composers, aus einer UNESCO-Initiative entstanden, kam zu der Erkenntnis, dass in 65 Jahren seines Bestehens unter 400 Musikschaffenden, deren Werke es zur Diskussion stellte, gerade einmal sieben Prozent Komponistinnen waren.

Also zum besseren Verständnis: Mehr als 30 nationale Radiostationen spielen einander seit 65 Jahren Produktionen vor, die sie in einem Zeitraum von fünf Jahren davor produziert haben. Werke werden gekürt, die Radiostationen untereinander legen eine Auswahl der Produktionen der anderen Stationen fest, senden sie, bereichern ihr Radioprogramm und geben den Musikschaffenden die Chance, ihre Bekanntheit zu vergrößern, weitere Auftritte zu ergattern, Stipendien oder Residenzprogramme zu bekommen. Das bedeutet Wertschöpfung und Generierung von Tantiemen.

Rostrum 21 - Tugend aus der Not

Das Rostrum bezeichnet sich als die wichtigste Plattform zur Präsentation zeitgenössischer Musik, Komponisten - lassen wir die männliche Form - wissen um die Reputation und Chancen, die sie durch eine Auswahl gewinnen. Von 2015 bis 2017, war das Rostrum auch von einem Creative Europe Projekt begleitet. Und trotzdem: Es waren nur sieben Prozent Werke von Komponistinnen darunter! Im Jahr 2021 erkannte das Rostrum, dass es 2020 kaum Produktionen von Frauen in den Radioanstalten gegeben hatte - aus der Not wurde eine Tugend. Heuer nun werden ausschließlich Werke von Komponistinnen vorgestellt.

Sieben Prozent weibliche Musikschaffende, das ist weniger als die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) in ihrem Frauenbeschäftigungsanteil vorweisen können; der Women in Rail Report wies den ÖBB mit 12,8 Prozent den letzten Platz zu. Jetzt wird eine Frauenquote angestrebt, wenigstens 45 Prozent. Und falls nicht? - Dann sollen die Managerboni gekürzt werden.

Fakten, Ziele, Maßnahmen

Also: Fakten erheben, Ziele formulieren und Maßnahmen ergreifen. Nur mehr Konzerte aufnehmen, in denen Gender Balance auf inhaltlicher wie personeller Ebene besteht. Seit wenigen Jahren haben auch die europäischen Kulturprogramme Gender als maßgeblichen Parameter erkannt. "Key change" heißt das Programm, das den Notenschlüssel in die andere Richtung drehen will und Gender Balance auf allen Ebenen der Musikproduktion anstrebt. Gender Balance kostet Geld, aber auch Gender Unbalance kostet Geld. Es ist eine gute Investition, die Musikproduktion der Frauen zu stärken.

Die Variationen des Übersehens sind mannigfaltig: Komponistinnen sind übersehen in ihren Werken und Biografien, in Straßenbenennungen und Statuen, in Schulbüchern und in Pflichtprogrammen für Wettbewerbe. Sie haben auf universitärem Niveau noch immer den Status des Wahlfachs, sie sind keinen Studiengang wert. Es ist besonders schmerzlich, wenn sie aus der Wertschöpfungskette fallen, und das geht so: Viele der NS-verfemten Komponistinnen sind nicht Mitglied einer Verwertungsgesellschaft, damit ist ihre Aufführung nichts wert.

Was hielt die Frauen ab?

Die "Kunst" des Übersehens reicht bis zu den Ikonen der Musikgeschichte. Unter Arnold Schönbergs weit mehr als 100 Schülerinnen sind so prominente wie Dika Newlin, Olga Novakovic oder die Wienerin Vilma von Webenau. Und dennoch: Von kaum einem Werk dieser Komponistinnen ist eine CD-Aufnahme erschienen oder findet sich eine Konzertaufnahme. Kaum sind Noten editiert, und wenn, dann nur dank privater einzelner Initiativen.

Eine Nachschau in den Bezugsberechtigtenlisten der AKM ergab: Weder Olga Novakovic noch Vilma von Webenau sind Mitglieder. Was hielt sie ab, sich als Komponistinnen zu verstehen, aus ihrer Musik Tantiemen zu gewinnen und Profit zu schlagen? Schönbergs generell abschätzige Meinung, dass nur sechs bis acht seiner 700 Schüler/innen komponieren könnten.

Wie immer es einzuschätzen ist, dass Felix Greissle überliefert, dass es an den Kammermusik-Sonntagen in Schönbergs Haus Frauen nahezu verboten gewesen sei, zuzuhören, dass Dika Newlin sich an Schönbergs Unwillen erinnert, Frauen als Mitarbeiterinnen zu akzeptieren. Wie immer das einzuschätzen ist, es ist Zeit, den Blick zu verändern, den Notenschlüssel andersrum ins Schloss zu stecken und das Oeuvre der Komponistinnen erklingen zu lassen. Es ist etwas wert.

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