
ORF/JOSEPH SCHIMMER
Kontext
Der verkaufte Feminismus
Beate Hausbichler, geboren 1978 in Reith im Alpbachtal (Tirol), hat Philosophie studiert, ist seit 2008 Redakteurin bei der Tageszeitung "Der Standard" und leitet seit 2014 das frauenpolitische Ressort "dieStandard". Im Residenzverlag ist nun ihr erstes Buch mit dem Titel "Der verkaufte Feminismus" erschienen. Darin beschreibt sie, wie aus einer politischen Bewegung ein profitables Label wurde.
1. März 2021, 10:26
Autonomie, Selbstbestimmung, Selbstermächtigung und Freiheit sind zentrale Begriffe des Feminismus, die in den letzten Jahren auch verstärkt in der Produktwerbung abgesprochen werden - durchaus mit dem Anspruch, Anliegen des Feminismus zu transportieren und so Menschen anzusprechen, die nicht zu den Abonnent/innen feministischer Zeitschriften gehören.
Als eines der herausstechenden Beispiele spricht Beate Hausbichler etwa die Werbelinie der Körperpflegeprodukte der Marke "Dove" an. Seit den frühen 2000er Jahren wirbt die Marke nicht mit schlanken Models, sondern durschnittlichen bis beleibten Frauen - Motto: "Du bist schön, so wie du bist". Was im ersten Ansehen durchaus positiv auffallen mochte, ist für Beate Hausbichler dennoch bedenklich, weil die Kampagnen nach wie vor im Kontext neoliberaler Selbstoptimierung stattfinden. "Das Problem daran ist, dass man viel weniger darauf schaut, was Konzerne tun, etwa, ob sie sexistische Werbung zeigen und Frauen diskriminieren, sondern, dass es es immer nur darum geht, 'Was kann ich als Frau, als Individuum tun?'", so Hausbichler im Ö1 Studiogespräch in der Sendereihe "Kontext".
Beate Hausbichler im "Kontext"-Studiogespräch mit Ö1 Redakteur Wolfgang Ritschl

Leseprobe
Dieses Buch entstand in einem Fitnesscenter. Oder besser gesagt, mein Entschluss, dieses Buch tatsächlich zu schreiben, wurde dort gefasst. Das Fitnesscenter gehörte zu einer dieser Billigketten, in denen eine Mitgliedschaft monatlich 19,90 Euro kostet.
Auf einem dieser Lauf bänder sah ich mir auf meinem Smartphone ein Interview mit der Soziologin Eva Illouz an. In ihrer gewohnt gelassenen Art sagte sie in dem Gespräch: "Der Feminismus wurde vom Kapitalismus gekapert." Ich kannte diese Position bereits von ihr, war aber dennoch überrascht, dass sie das so sagte, als sei es längst passiert, der Zug abgefahren, nichts zu machen.
Ich reduzierte das Tempo des Lauf bandes und schaute auf den großen Bildschirm über mir, auf dem seit Monaten der "Women Only"-Bereich des Fitnesscenters mit "Hier geht’s zur Frauenbewegung" beworben wurde. Sie hatte recht. Noch nie war diese Vereinnahmung des Feminismus und der Frauenbewegung offensichtlicher.
Residenz Verlag - Der verkaufte Feminismus