Scooter mit Schattenspiel

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Radiokolleg

Was ein Jahr Corona mit uns macht

Am 11. März 2020 erklärte die Weltgesundheitsorganisation WHO den Covid-19-Ausbruch zur Pandemie. Ein Jahr später sind weltweit mehr als zwei Millionen Todesopfer zu beklagen. Neu auftretende Mutationen des Virus halten nach wie vor die Regierungen in Atem.

Wie viele Restriktionen sind erträglich, welche Lockerungen möglich, um das Gesundheitssystem funktionsfähig zu halten? Die Pandemie stellt die Weltgemeinschaft vor eine noch nicht gekannte Herausforderung.

„Die soziale Ungleichheit wird stärker.“

„Die Coronakrise wirkt wie ein Vergrößerungsglas auf bestehende Probleme“, so Georg Psota, Chefarzt der Psychosozialen Dienste in Wien und Leiter des Psychosozialen Krisenstabs: „Die soziale Ungleichheit wird stärker.“

Wer einen Bürojob hat, kann diesen im Homeoffice ausüben. Menschen in sogenannten systemerhaltenden Berufen sind in einem viel höheren Maß der Ansteckungsgefahr ausgesetzt. Menschen mit geringer Ausbildung sind besonders von Arbeitslosigkeit bedroht. Ein-Personen Unternehmen wiederum stehen vielfach vor dem Konkurs, während große Betriebe staatliche Unterstützungsleistungen beziehen. Und auch zwischen den Generationen tut sich eine Kluft auf. Umfragen zeigen, dass besonders jüngere Menschen von Existenzängsten betroffen sind, während ältere oft auf Krisenbewältigungsstrategien zurückgreifen können. „Auch hier spielen existenzielle Ängste eine große Rolle,“ so Psota. „Als arrivierter 50-Jähriger bin ich besser abgesichert als ein junger Mensch, der am Beginn seiner Karriere steht.“

„Jugendliche und junge Erwachsene haben große Ängste, dass ihre Beziehungen auseinanderbrechen.“

Ähnliche Schlüsse zieht die Soziologin Barbara Rothmüller. In einer Befragung im Rahmen der Sigmund-Freud-Universität Wien hat sie untersucht, wie sich die Paarbeziehungen im Lockdown verändert haben. Ihr Fazit: wer in einer stabilen partnerschaftlichen Beziehung lebt, steckt die Isolation im Privaten besser weg als ein Single.

Statistisch gesehen festigten sich neun von zehn Beziehungen während der Krise. Das Mehr an Zeit miteinander bewirkte auch ein intensiviertes Füreinander. Anders die Situation der rund 15 Prozent alleinlebenden Menschen in Österreich. Sie litten und leiden zunehmend unter der Isolation des Lockdowns. Überraschend auch hier der Altersunterschied. Ältere Bürgerinnen und Bürger sind meistens gut vernetzt und können auf tragfähige Freundschaften zurückgreifen. Barbara Rothmüller: „Jugendliche und junge Erwachsene haben große Ängste, dass ihre Beziehungen auseinanderbrechen.“

"Das ist wie bei einer Bergtour. Mit dem Berg lässt sich nicht verhandeln."

Wie mit dem Ungewissen umgehen, das die Pandemie auslöst? „Anfangs habe ich in einem Alarmismus gelebt. Die Angst sich anzustecken war groß.“ Jetzt habe er die Erfahrung gemacht, dass er sich erfolgreich schützen kann, berichtet Michael Rosner. Der Internist und Psychotherapeut arbeitet an der Covid-19-Station des Kaiser-Franz-Josef-Spitals in Wien. Für ihn heißt das auch, Aufgaben zu übernehmen, die früher andere Berufsgruppen ausgeführt haben. Ärztinnen und Ärzte, die den Patient/innen Essen austeilen, seien hier die Regel. Denn wer in Schutzkleidung arbeitet, packt zu, wo Unterstützung gebraucht wird.

Der Umgang mit dem Ungewissen fordere, anzuerkennen was ist, so Georg Psota. „Das ist wie bei einer Bergtour. Mit dem Berg lässt sich nicht verhandeln. Wir können uns aber entsprechend ausrüsten, und Strategien entwickeln, um neue Wege einzuschlagen.“ Und zwar in Abstimmung mit anderen, und solidarisch. Nur so lassen sich Herausforderungen wie die einer Pandemie meistern.

Gestaltung: Margarethe Engelhardt-Krajanek