Kindergartenkinder basteln mit Pädagogin am Tisch

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Dimensionen

Warum systemrelevante Berufe oft schlecht bezahlt werden

Wer sich anstrengt und Leistung erbringt, der wird anerkannt und schafft es nach oben. So lautet das Versprechen unserer Leistungsgesellschaft. Was als Leistung definiert wird, bleibt jedoch diffus.

Vor knapp einem Jahr wurde das Land „runtergefahren“. Im Fernsehen wurde der erste Lockdown verkündet. Ein prägender Moment für Sabina Wallner. Sie ist Kindergartenpädagogin und verantwortlich für fünfzehn Kleinkinder: „Es war keine Angst und ich bin auch weiter gerne in die Arbeit gefahren, aber mehr Information, mehr Aufklärung und Strukturierung wären natürlich sinnvoll und auch notwendig gewesen.“

Die Arbeit, die Sabina Wallner leistet, ist systemrelevant. Sie ist für unsere Gesellschaft so wichtig, dass sie unbedingt erbracht werden muss - ebenso wie die Arbeit, die Pflegekräfte, Reinigungspersonal oder Supermarkt-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tagtäglich erbringen. Berufe, die für unsere Gesellschaft unabkömmlich sind und dennoch nicht wertgeschätzt werden.

Pflegehelferin mit Pensionistin

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Sytemrelevant - aber höchst unterschiedlich bezahlt

Waren es in der letzten Finanz- und Wirtschaftskrise noch die Banken, die als systemrelevant definiert wurden, sind es in der aktuellen Coronakrise die Bildungseinrichtungen, die Gesundheitsberufe, die Supermarktbediensteten, die Reinigungskräfte und die Zustelldienste.

Eine sehr heterogene Gruppe an Menschen, gerade auch was das Einkommen betrifft, weiß Daniel Schönherr vom Forschungsinstitut SORA: „Ich sage mal so, ein Arzt oder eine Ärztin verdient im Jahr zirka drei Mal so viel wie Krankenpfleger und Krankenpflegerinnen und zirka acht Mal so viel wie eine Reinigungskraft. Aber alle drei Berufsgruppen arbeiten unter Umständen im selben Krankenhaus.“

"Es gibt klare und eindeutige Belege für eine ökonomische und auch eine gesellschaftliche Abwertung von diesen sogenannten Frauenberufen, die wir im letzten Jahr als systemrelevant gefeiert haben.“

Leistung muss sich lohnen, lautet das Credo der meritokratischen Gesellschaft. Müssen dann nicht Berufe, die ähnlich belastend sind, auch ähnlich bezahlt werden? Das dem nicht so ist, lasse sich gut am Beispiel der Pflege nachvollziehen, sagt der Sozialwissenschaftler. Dort wird unter hohen körperlichen und emotionalen Belastungen gearbeitet und die Bezahlung pro Stunde ist um bis zu 13 Euro geringer als bei anderen Berufen mit denselben Belastungen. „Hier gibt es klare und eindeutige Belege für eine ökonomische und auch eine gesellschaftliche Abwertung von diesen sogenannten Frauenberufen, die wir im letzten Jahr als systemrelevant gefeiert haben.“

Elementarpädagogik, Reinigung oder Pflege: In all diesen Frauenberufen herrscht Personalmangel. Die Nachfrage ist hoch, das Angebot begrenzt. Dennoch steigen die Löhne nicht wirklich an. Neben Angebot und Nachfrage würden auch die Rahmenbedingungen, wie etwa Kollektivverträge, eine große Rolle spielen, betont Ulrike Famira-Mühlberger vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung.

Putzfrau

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Glaube an die Leistungsgerechtigkeit hat Risse bekommen

Zudem handle es sich bei den genannten Berufen, um Berufe, in denen die Streikmöglichkeiten begrenzt seien. „In einem Betrieb der Glühbirnen erzeugt kann ich schneller die Arbeit niederlegen, wie in einem Bereich, wo dann Menschen nicht versorgt sind, mit den Grundbedürfnissen des Lebens.“ Ein weiterer wichtiger Faktor seien die historisch gewachsenen Strukturen und Gepflogenheiten, sagt die Ökonomin: „Das sind Berufe, die historisch gesehen unbezahlt waren, weil die im Haushalt erbracht wurden.“

Der Glaube an die Leistungsgerechtigkeit hat durch die Coronakrise Risse bekommen. Plötzlich wird sichtbar, wie schlecht der „Dienst am Menschen“ entlohnt wird, wie systemrelevant und gleichzeitig geringgeschätzt diese Arbeit wird.

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