Jacqueline Woodson

Carlos Diaz

Roman

"Alles glänzt" von J. Woodson

Mit ihren Kinder- und Jugendbüchern hat die US-amerikanische Schriftstellerin Jacqueline Woodson schon den National Book Award und die mit knapp 500.000 Euro höchst dotierte Auszeichnung für Kinder- und Jugendliteratur, den Astrid-Lindgren-Gedächtnispreis gewonnen. In ihrem neuen Erwachsenen-Roman "Alles glänzt" erzählt die Afroamerikanerin eine wechselvolle Familiengeschichte - "ein scharf geschliffenes Juwel" nannte die "Sunday Times" das Buch.

Iris stammt aus einer wohlhabenden schwarzen Familie und besucht eine katholische Mädchenschule in Brooklyn. Dementsprechend groß ist der Schock für die Eltern, als sie mit 15 schwanger wird.

Totgeschwiegenes Massaker

Ihre Tochter Melody wird eine der Ich-Erzählerinnen des Romans. Und sie stellt die jüngste Generation in dieser Familiengeschichte dar, die in Zeitsprüngen auch hundert Jahre in die Vergangenheit zurückkehrt.

"Die Familie von Sabi, der Großmutter", so Jacqueline Woodson, "hat ihren gesamten Wohlstand im Tulsa Massaker 1921 verloren. Weiße haben damals eine wohlhabende schwarze Gemeinschaft zerstört. Sie haben Häuser verwüstet, Menschen ermordet und sogar Brandsätze aus einem Flugzeug auf das schwarze Viertel geworfen und ich weiß nicht, warum wir im Geschichtsunterricht nichts darüber hören."

Mädchen auf einem bunten Buchcover

"Alles glänzt" von Jacqueline Woodson ist im Original unter dem Titel "Red at the Bone" erschienen.

Von Erroll Garner bis Prince

Nicht als epische Saga erzählt sie ihre Familiengeschichte, sondern in kurzen eindringlichen Kapiteln, in denen nicht nur die Zeit, sondern auch die Erzählstimme wechselt. Generationenbedingt bekommt die einen jeweils ganz unterschiedlichen Sound.

"Ich höre immer Musik beim Schreiben, dieselben Songs über Jahre hinweg", erzählt Jacqueline Woodson. "So entstand für mich die Welt meines Buches - aus der Musik von Erroll Garner, Billie Holiday, Wu Tang Clan und Prince. Jeder Song, der im Buch genannt wird, war auch auf meiner Playlist, die mir geholfen hat, den richtigen Rhythmus für meinen Roman zu finden."

Würde meine Finger gern wie Sir Garner über die Tasten bewegen - der Mann war ein Genie. Und wenn er die Hände auf diese Tasten senkte und "Jeannine, I Dream of Lilac Time" spielte - man, sieh dich vor! Autsch! Da verbrennt man sich schon allein beim Zuhören.

Trotz des Kindes entschließt sich Iris zu studieren, der Vater, Aubrey, wird zum Alleinerzieher, der bei deren Eltern wohnen bleibt. Sie wollte mit schwarzen Rollenbildern aufräumen, so Jacqueline Woodson, und dazu gehörte auch das Setting, die wohlhabende Familie und das Haus nicht in Queens oder in der Bronx, sondern in Brooklyn.

Knapp und schnörkellos

Die Kapitel springen immer mitten hinein ins Geschehen. Und in der Übersetzung von Yvonne Eglinger bleibt die von Jacqueline Woodson intendierte geschliffene Sprache erhalten. "Ich muss mir alles, was ich schreibe laut vorlesen", sagt Jacqueline Woodson. "Beim Überarbeiten streiche ich dann viele Eigenschaftswörter, weil sie der Geschichte ihre Dringlichkeit nehmen - deshalb versuche ich sehr schnörkellos zu schreiben."

Mit dem Tod von Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison im August 2019 ist eine wichtige weibliche Stimme der afroamerikanischen Literatur verstummt. In deren Tradition sieht sich Jacqueline Woodson und "Alles glänzt" ist ein Roman, der dieses Erbe nicht epigonenhaft, sondern ganz eigenständig fortführt.

Service

Jacqueline Woodson, "Alles glänzt", Roman, übersetzt von Yvonne Eglinger, Piper, Originaltitel: "Red at the Bone"
Jacqueline Woodson

Gestaltung

  • Wolfgang Popp

Übersicht