Aktenordnerschild, geheim

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Informationsfreiheit

Amtsgeheimnis und andere Ausreden

Die Begutachtung für das Informationsfreiheitsgesetz ist seit fast drei Wochen vorbei, einen konkreten Zeitplan, wie es weitergeht, gibt es immer noch nicht. Das Amtsgeheimnis behindert weiter wichtige Recherchen. In Ländern wie Schweden wird das mit großem Unverständnis aufgenommen.

Von Infektionen in Alten- und Pflegeheimen, zum Ischgl-Versagen bis zu Inseraten-Ausgaben – Medien in Österreich stoßen bei ihren Recherchen immer wieder an die Grenzen, die das Amtsgeheimnis zieht. "Behörden sind sehr kreativ darin, Ausreden zu finden, warum sie Anfragen von Journalistinnen und Journalisten, die ihnen unangenehm sein könnten, nicht beantworten müssen", sagt ZIB-2-Moderator Martin Thür.

Ein Präzedenzfall für die Transparenz

Thür hat sich behördliche Informationen mit der Unterstützung der ORF-Rechtsabteilung vor Gericht erstritten. Mit Erfolg: Seine Anfrage dazu, welche Politikerinnen und Politiker eine Gehaltsfortzahlung nach ihrem Ausscheiden aus der Politik bekommen, musste vom Parlament beantwortet werden. In dem Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis ist erstmals von der Watchdog-Funktion des Journalismus die Rede. Thür: "Wir haben ein ganz besonderes Recht auf diese Information. Die Folgewirkungen dieses Erkenntnisses könnten recht groß sein."

Amtsgeheimnis wirkt auch abschreckend

Thür ermutigt Kolleginnen und Kollegen, sich ebenso wenig mit einfachen Neins zufriedenzugeben und stattdessen Beschwerden gegen Auskunftsverweigerungen einzulegen. Das sei auch jetzt schon ein gangbarer Weg, auch wenn es mühsam und zeitintensiv ist. "Es ist wahnsinnig viel Arbeit", sagt Thür. Hinzu kommt, dass die wenigsten Medien Journalistinnen und Journalisten rechtlich unterstützen. "Deswegen finde ich, ist es Teil der Aufgabe des ORF, grundsätzliche Themen auch vor die Gerichte zu bringen. Nicht weil das eine Form von Aktivismus ist, sondern weil das eine grundsätzliche Entscheidung ist."

Informationen sind kein Selbstzweck

Auch weil ihm Finanzministerium und Arbeitsministerium zu den Covid-Hilfen beziehungsweise zur Corona-Kurzarbeit keine Auskunft geben wollten, hat Thür Beschwerde eingelegt. Mittlerweile ist die Regierung bei den Covid-Hilfen vorgeprescht, weil sie nach einer EU-Vorgabe höhere Auszahlungen offenlegen muss – es wird aber der größte Teil der Empfänger von Hilfsgeldern weiter im Dunkeln bleiben. Die Verfahren von Thür dazu sind noch nicht beendet. Er betont, dass es nötig sei, auf Auskünften zu bestehen: "All das ist ja kein Selbstzweck einer kleinen Blase, die gern alles wissen will, sondern all das hat ja Auswirkungen auf die Gesellschaft."

Geplante Antwortfristen sind zu lang

Ob das geplante Informationsfreiheitsgesetz jetzt den Paradigmenwechsel schafft, wird von vielen bezweifelt. Immer noch zu lange Antwortfristen und zahlreiche Ausnahmen werden neben vielen weiteren Punkten bemängelt, auch von Markus Hametner. Der freie Datenjournalist ist Mitbegründer des "Forum für Informationsfreiheit", einer Organisation, die sich seit Jahren für das Ende des Amtsgeheimnisses einsetzt.

Grundlage für Kulturwandel fehlt

Im Entwurf zum Informationsfreiheitsgesetz sieht Hametner zwar gewisse Fortschritte, er befürchtet aber, dass weiter mühsame Einzelentscheidungen gerichtlich erlangt werden müssen, denn für einen "Kulturwandel" seien keine Vorkehrungen getroffen worden. "Journalisten, die bei einer Pressekonferenz ihre Fragen nicht beantwortet bekommen, für die ändert sich wahrscheinlich nicht so viel." Für jene mit vielen Ressourcen, die bereits jetzt den Weg vor die Gerichte wählen, seien die kürzeren Fristen aber ein Vorteil. "Über den steten Tropfen, der den Stein höhlt, kann man Gerichtsentscheidungen erwirke", sagt Hametner. Dass das auch jetzt schon gehe, sei vielen Journalistinnen und Journalisten nicht bewusst, sagt auch Martin Thür.

Noch immer keine Ombudsstelle

Für Kritik sorgt auch, dass es künftig keine unabhängige Ombudsstelle geben soll, an die sich Journalistinnen und Bürger wenden können, wenn sie das Gefühl haben, zu Unrecht von einer Behörde eine Auskunft nicht zu erhalten. Hier hat sich im Begutachtungsverfahren die Datenschutzbehörde ins Spiel gebracht - sie könnte sich vorstellen, die genannte Rolle als Ombudsstelle einzunehmen. Im Entwurf ist jedoch nur vorgesehen, dass sie die staatlichen Stellen über die neuen Auskunftsregeln berät, was die Datenschutzbehörde aber selbst als unpraktikabel ablehnt.

Unabhängigkeit von außen holen

Datenschutz und Informationsfreiheit an einer Stelle zu bündeln, ist das kein Widerspruch? Kann eine Behörde darauf achten, dass Daten nicht missbraucht werden und gleichzeitig dafür sorgen, dass Informationen für die Öffentlichkeit herausgegeben werden? Ja, das sei europaweit nicht unüblich, heißt es von der Datenschutzbehörde. Dem stimmt auch Markus Hametner zu, er schlägt im Gegenzug aber vor, den oder die Informationsbeauftragte dann aber unabhängig zu bestellen. Die Datenschutzbehörde ist derzeit im Justizministerium angesiedelt, ihre Leitung wird auf fünf Jahre auf Vorschlag der Regierung vom Bundespräsidenten ernannt. Kanada habe sich etwa einen Informationsfreiheits-Beauftragten aus einem anderen Land geholt, so Markus Hametner.

Weltmeister bei der Intransparenz

Österreich ist nicht nur das letzte demokratische Land Europas ohne Recht auf Zugang zu staatlichen Dokumenten, auf Transparenz-Rankings ist Österreich sogar weltweit auf dem allerletzten Platz, gemeinsam mit dem Inselstaat Palau. "Wir sind Schlusslicht in Österreich, auch bei der gelebten Transparenz, das ist klar", sagt Hametner.

Schweden zeigt, wie es gehen kann

Besonders gut im internationalen Vergleich schneidet Schweden ab. In dem nördlichen Land ermöglicht es das "Öffentlichkeitsprinzip" schon seit 1766 jeder und jedem, Antworten von Behörden zu bekommen und Einsicht in fast alle Vorgänge zu nehmen. Ausnahmen etwa wegen des Persönlichkeitsschutzes gibt es, aber nur wenige. Auch Ermittlungsakten können eingesehen werden, erzählt der freie Journalist und ORF-Korrespondent Nikolai Atefie. Das Öffentlichkeitsprinzip habe die Aufdeckung unzähliger Skandale ermöglicht, etwa Freunderlwirtschaft und Postenschauer beim Rechnungshof.

Wenn kistenweise Dokumente kommen

"Die Journalisten haben eine Anfrage gestellt beim Rechnungshof und gesagt: Wir möchten die E-Mail-Postfächer von den Chefs durchleuchten. Und kistenweise sind die Dokumente dann zu den Journalisten gekommen." Rücktritte und eine parlamentarische Untersuchung waren die Konsequenzen. Seinen Kolleginnen und Kollegen bleibe der "Mund offen", wenn sie hören, zu welchen Auswüchsen das Amtsgeheimnis in Österreich führt. "Die können sich Dinge, die bei uns in Österreich passieren, nicht vorstellen", erzählt Nikolai Atefie.

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